
Alle zwei Jahre findet die Messe AgriAlp in Bozen statt und die Tierschau dort ist jedes mal ein Höhepunkt, auch und gerade bei den Verbrauchern.
Doch dieses Jahr, zum 75jährigen Jubiläum der Messe, ist es fraglich, ob die 150 Rinder, Pferde, Schafe und Kleintiere an dem beliebten Ausflugsziel der Südtiroler zu sehen sind und die Messe Bozen so zum Streichelzoo für die Familien wird.
Die Tierzüchter erwägen den Boykott der Agrialp 2023, die vom 23. bis zum 26. November stattfinden wird. Schuld daran ist die massive Zunahme der Wolfsrisse. Sie wollen ein Zeichen setzen und Politik wie Gesellschaft aufrütteln.
Südtirol: 2022 zehnmal so viele Wolfsrisse wie 2018
Die Viehzüchter in Südtirol sind frustriert, sauer und voller Sorgen angesichts der starken Zunahme von Wolfsrissen. Allein 513 Nutztierrisse gab es 2022, das sind fünfmal soviel wie 2020 und fast zehnmal soviel wie 2018. In diesem Jahr sind es bis jetzt schon über 100 Risse, und kein Ende in Sicht. Vor allem Schafe sind die Opfer der Wolfsattacken.
Die Bauern fühlen sich von der Politik allein gelassen. Jakob Huber, der Obmann des Südtiroler Braunviehzuchtverbandes, hat klare Worte: „Wir können doch uns doch nicht reihenweise unsere Nutztiere vom Wolf reißen lassen und dann eine Tierschau abhalten, als wenn nichts wäre!“
Gemeinsame Pressekonferenz der Tierzuchtverbände
Huber hielt Ende Juli gemeinsam mit Alberich Hofer, dem Obmann des Rinderzuchtverbandes, Dr. Erich Messner, dem Obmann des Haflingerzuchtverbandes und Lorenz Müller, dem Obmann der Kleintierzüchter, eine Pressekonferenz im Haus der Tierzucht in Bozen ab, in denen die vier Verbände einen Boykott der beliebten Schau in Aussicht stellten. Gerade bei der AgriAlp-Tierschau, die bei vielen Südtiroler Familien sehr beliebt ist, sorgt das für ein Aufrütteln.
Messe AgriAlp lockt bis zu 30.000 Besucher nach Bozen

Zwischen 20.000 und 30.000 Zuschauer zählte die AgriAlp in der Vergangenheit. Die ausgestellten Tiere sind dabei ein Publikumsmagnet. Die AgriAlp ohne Tierschau würde deutlich an Attraktivität verlieren. Dessen ist sich auch die Messe Bozen im Klaren, die noch auf ein Einlenken der Tierzüchter hoffen.
Nachdem die Nutztiere den politischen Mandatsträgern scheinbar nicht wichtig sind, erwägen diese aber, ein Zeichen zu setzen, wie die Tierzuchtverbände an der Pressekonferenz klar machten. „Wir fragen uns ernsthaft, ob es dann die Tierschau noch braucht“, wird Alberich Hofer vom Portal „Südtirol News“ zitiert. „Wir wollen dem Publikum nicht die heile Welt vorgaukeln, so heil ist sie gar nicht“, zitiert die Tageszeitung „Dolomiten“ Lorenz Müller, den Obmann der Kleintierzüchter.
„Wir Verbände sind uns einig, dass wir ein Zeichen setzen müssen“, erklärt Jakob Huber auf Anfrage von Rinderzucht Braunvieh. Die Bedrohung durch Wolf und Bär habe längst untragbare Ausmaße angenommen.
Tierzüchter verweisen auf Wolfsentnahmen in Tirol und Kärnten
Beim Vorstand des Südtiroler Braunviehzuchtverbandes hat Huber das Thema bereits vor sechs Wochen aufs Tapet gebracht und dort einhellige Zustimmung für einen möglichen Boykott erhalten.
Derzeit warten die Verbände auf ein Zeichen der Politik. „In Kärnten und in Tirol werden Wölfe zum Abschuss freigegeben“, nennt Huber Beispiele aus den Nachbarregionen, wo die Politik bereits gehandelt habe und Wölfe entnommen wurden. Ganz zu schweigen von Schweden, dass wie Italien ein EU-Land ist, aber den Wolfsbestand konsequent regelt.

Auch andere österreichische Bundesländer oder die bayerische Staatsregierung hätten sich auf die Seite der Viehhalter gestellt und Entnahmen erleichtert.
Angesichts von 26 Wolfsrudeln im benachbarten Trentino wirkt es wie ein Tropfen auf dem heißen Stein, wenn dort jetzt zwei Wölfe zur Entnahme freigegeben wurden. Zumindest aber sei es ein Anfang, die Population zu regulieren.
Ob die Südtiroler Tierzuchtverbände ihre Meinung noch ändern oder der AgriAlp tatsächlich fernbleiben, ist noch nicht endgültig entschieden. Das dürfte stark davon abhängen, welche Signale die Politik in Bozen und Rom in den nächsten Tagen und Wochen an die Alm- und Weidebauern aussendet.