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Wissenswertes

So sehen Kühe die Welt

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am Donnerstag, 07.07.2022 - 10:14

Eines vorweg: Kühe sehen anders als Menschen. Johannes Zahner (LfL) erklärte in einem Onlineseminar die physiologischen Grundlagen des Kuhauges und gab praktische Tipps im Umgang mit Rindern.

Die Kuh hat seitlich liegende Augen mit großen Pupillen, die Augen sind beweglich. Daraus ergibt sich ein wesentlich weiteres, seitliches Sichtfeld als beim Menschen. Während der Sichtwinkel des Menschen 200° beträgt, kann die Kuh mit einem Sichtwinkel von 330 ° fast rundum sehen. Der Mensch sieht seine Welt seitlich nur bis etwa die Mitte des Kopfes, das Rind dagegen kann auch nach hinten schauen. Nicht sichtbar ist lediglich der Bereich hinter dem Becken.

Eingeschränktes räumliches Sehen

Durch die seitlich angeordneten Augen ist der Bereich des binokularen Sehens der Kuh, d. h. das Sehen mit beiden Augen eines Objektes, wesentlich kleiner als beim Menschen. Beide Augen spielen zusammen. Das Sehen mit beiden Augen ist aber eine Voraussetzung für das räumliche, plastische bzw. dreidimensionale Sehen, das zur Wahrnehmung von Gegenständen notwendig ist. Der Sehwinkel für räumliches Sehen der Kuh beträgt nach vorne nur 60 °. Beim monokularen Sehen kann die Kuh nur zweidimensional sehen, vergleichbar den Marionetten im Theater.

Ein weites Sichtfeld und ein eingeschränktes räumliches Sehen führen aber dazu, dass die Kuh bereits sehr früh einen sich seitlich nähernden Menschen oder Gegenstand schemenhaft wahrnehmen kann, viel früher als der Mensch. Direkt von hinten auf eine Kuh kommende Menschen sollten sich deshalb akustisch bemerkbar machen.

Schlechte Sehschärfeals beim Menschen

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Relativ schlecht ist die Sehschärfe der Rinder. Sie beträgt nur 30 % der Sehschärfe des Menschen. Die Sehschärfe gibt an, wie gut das Auge kleine Details an einem Gegenstand erkennen kann. Beim Menschen leidet die Sehschärfe altersbedingt, kann mit einer Brille aber natürlich verbessert werden.

Die Kuh kann indes nur bis ca. 1,5 m weit scharf sehen. „Danach, besonders nach zwei Metern, lässt die Sehschärfe massiv nach“, stellte Johannes Zahner fest. Die Sehschärfe nimmt auch bei sinkender Beleuchtungsintensität ab, also z. B. in schlecht beleuchteten Ställen.

Langsames anpassenan Entfernungen

Dazu kommt: Rinder können die Sehschärfe an unterschiedliche Entfernung schlechter anpassen als der Mensch. Kühe halten deshalb den Kopf immer tief am Boden, wenn sie in eine neue Umgebung kommen. So können sie scharf sehen und müssen das Auge nicht an unterschiedliche Entfernungen anpassen, der Scharfbereich bleibt konstant. Was Folgen etwa beim Verladen hat. Johannes Zahner empfiehlt daher: „Lassen Sie der Kuh Zeit, sich anzuschauen, was da Neues ist, damit sie sich zurechtfinden kann.“

Der Mensch kann bis zu drei Bilder pro Sekunde wahrnehmen, Rinder bis zu 60 Bilder pro Sekunde. Kühe können dadurch Bewegungen viel intensiver wahrnehmen. Während der Mensch eine ruhige Bewegung sieht, ist es für das Rind durch die viel höhere Zahl der Bilder eine eher hektische und dadurch stressige Aktion. Der Rat des Fachmanns lautet daher: Hektische Bewegungen im Umgang mit Rindern sollten auf alle Fälle vermieden werden.

Kühe sehennachts sehr gut

Rinder nehmen auch das Flackern von Lampen, ausgedrückt im Flackerindex, intensiver wahr. Das Rind nimmt die Lampe dann etwa als Stroboskop wahr, was für einen höheren Stresspegel sorgt. „Licht kann auf die Kuh massiv störend wirken“, folgert der Referent.

Rinder haben im Auge zudem eine Licht reflektierende Schicht. Diese wirkt wie ein Restlichtverstärker. „Kühe sehen nachts sehr gut“, weiß Johannes Zahner. „Kühe brauchen daher keine Nachtbeleuchtung, um sich im Stall zurechtzufinden.“ Eine zu helle Nachtbeleuchtung könne sogar zu Schlafstörungen führen.

Das menschliche Auge kann sich in drei bis vier Sekunden von Dunkel an Hell anpassen. Das Rind braucht dafür zwei- bis dreimal länger. Rinder zögern deshalb, wenn sie vom Stall raus auf eine sonnige Weide gehen sollen. Gleiches auf dem Weg zurück. „Lassen Sie der Kuh ein paar Sekunden Zeit, dass sich das Auge an das neue Licht gewöhnen kann“, rät Johannes Zahner deshalb, und empfiehlt, einen häufigen Wechsel von hell zu dunkel möglichst zu vermeiden. Der Stall sollte gleichmäßig ausgeleuchtet sein und Schattenbereiche vermieden werden.

Eingeschränktes Farbsehen

Rinder können die Farben Grün, Gelb, Blau gut wahrnehmen. Die Farbe Rot dagegen sehen sie als Grauton. Übrigens: Der Torero reizt den Stier nicht aufgrund der roten Farbe des Tuches, sondern durch das Wedeln damit, erklärte Zahner.

Auf Youtube gibt es ein Video, das mit einer virtuellen Brille das Sehen der Kuh simuliert. Der Betrachter sieht mit den Augen der Kuh den Eintritt in den Klauenpflegestand, in den Melkstand, beim Laufen auf dem Gang und vom Übergang von Dunkel auf Hell.