Das ist ein Artikel vom Top-Thema:

Stefan Hodel: Gute Kühe bleiben das Ziel

Der Schweizer Chefexperte Stefan Hodel.
am Montag, 18.09.2023 - 19:00

Chefexperte Stefan Hodel von Braunvieh Schweiz ist der Profi beim Exterieur. Ende des Jahres verlässt er den Zuchtverband Richtung Vianco. Noch aber gibt es einiges zu tun. Was steht an im Land der Viehzüchter? Ein Interview.

Stefan Hodel ist in der Schweiz und international ›eine Nummer‹ wenn es um Fragen der Linearen Beschreibung und Einstufung (LBE) geht. Als erfahrener Preisrichter hat er auch ein gutes Auge fürs Vieh, und das wird er ab 2024 auch in seiner neuen Funktion bei Vianco benötigen.

Braunvieh: Du bist Chefexperte von Braunvieh Schweiz. Welche Aufgaben hat man da?

Stefan Hodel: Als Chefexperte kümmere ich mich unter anderem um die Aus- und Fortbildung der Linearen Experten, führe selbst LBE‘s durch, mache Oberkontrollen, organisiere die Stierenmärkte und die Zuchtfamilienschauen, führe Preisrichterschulungen und Fortbildungen durch und halte Vorträge. Und ich darf Schauen richten.

Stefan Hodel wechselt zu Vianco

Braunvieh: Du wechselst 2024 zur Vianco. Dein Fortgang von Braunvieh Schweiz wird international bedauert.

Hodel: Danke, das freut mich zu hören. Bis Jahresende bin ich ja noch bei Braunvieh Schweiz dabei. Natürlich ist auch etwas Wehmut mit dabei, ich freue mich aber auch auf die neuen Aufgaben. Zudem werde ich auch in meiner zukünftigen Tätigkeit darum besorgt sein, dass gut funktionierende Kühe in den Ställen stehen. Gute Kühe und zufriedene Kunden sind also immer noch das Ziel.

Braunvieh: Du organisierst auch Schulungen auf internationaler Ebene!

Hodel: Ja, und ich kann sagen, dass die Beschreibung der linearen Merkmale europaweit sehr einheitlich funktioniert, hier herrscht eine große Übereinstimmung zwischen den Ländern. Die Merkmale wurden ja bereits 2008 vereinheitlicht und das war ein großer Fortschritt für die Braunviehzucht.

Braunvieh: Aber nicht alles läuft so einheitlich?

Hodel: Leider ist es uns nicht gelungen, die Einstufungsnoten zwischen den Nationen zu vereinheitlichen. Wir beschreiben zwar zuerst alle Linearen Merkmale einheitlich, bei der Vergabe der Endnoten unterscheiden wir uns dann aber deutlich. Leider.

Braunvieh Schweiz bewertet jährlich über 30.000 Kühe

Braunvieh: Wie viele Kühe bewertet ihr in der Schweiz?

Hodel: Bei Braunvieh Schweiz haben letztes Jahr zwölf Experten insgesamt 30 551 Kühe beschrieben und 338 Stiere bewertet. Das waren 25 842 Kühe Brown Swiss, davon 23 490 Erstmelkkühe, sowie 3519 OB-, 1006 Jerseykühe, 152 Hinterwälder- und 75 Grauviehkühe.

Braunvieh: Immer wieder beeindrucken die vielen Zuchtfamilienschauen.

Hodel: Ja, das ist etwas Besonderes. Es sind jedes Jahr um die 200 Zuchtfamilien, die von den Bauern mit viel Stolz und Liebe präsentiert werden und die viele Besucher anziehen. Das zeigt einmal mehr, wie leidenschaftlich Viehzucht in der Schweiz betrieben wird.

Braunvieh: Gibt es einen Trend im Exterieur, den man vor ein paar Jahren noch nicht erwartet hätte?

Hodel: Wir haben erstmals seit 15 Jahren einen Rückgang in der Größe der BS-Kühe. Der Schnitt bei den Erstmelkkühen in der Kreuzhöhe lag in der letzten Saison bei 147,6 cm, ein Jahr vorher waren es noch 148,0 cm. Es war eine schwierige Zeit, als wir begannen, Kühe mit 157 cm stark abzustrafen. Aber man merkt, mittlerweile sind Kühe gesucht, die nicht mehr so groß sind. Die Trendwende ist da.

Änderungen im Zuchtwert Exterieur: Fehler fließen nicht mehr ein

Braunvieh: Im April gab es in der Schweiz eine Änderung beim Exterieur. Seitdem werden die Fehler nicht mehr in den Zuchtwerten der Blocks für Rahmen, Becken, Fundament und Euter sowie der Gesamtnote berücksichtigt.

Hodel: Die Zuchtwertschätzung wurde dieses Frühjahr geändert, richtig. Wir untersuchen derzeit, ob wir die wichtigsten Fehlermerkmale beim Exterieur zu einem linearen Merkmal umwandeln können. Dann würde es automatisch wieder im Zuchtwert für den jeweiligen Block berücksichtigt, wenn das gewollt ist. Die andere Möglichkeit wäre es, die Fehler anderweitig in der Zuchtwertschätzung zu berücksichtigen. Auch das wird geprüft.

Braunvieh: Welche sind die bedeutendsten Fehler? Also Merkmale, die nicht linear beschrieben, sondern als Fehler in der Ausprägung 1 (leicht) und 2 (stark) erfasst werden?

Hodel: Die am meisten vorkommenden Fehler sind gefirstete Becken und eingefallener Mastdarm, zehenweite Klauen sowie eine kugelige Nacheuterverbindung. Diese Merkmale haben eine Häufigkeit von über 10 Prozent und man könnte sie linear beschreiben.

Der hohe Schwanzansatz: Wird das gefirstete Becken überbewertet?

Braunvieh: Die Züchter sehen ein gefirstetes Becken nicht gerne. Wird das überbewertet?

Hodel: Ein gefirstetes Becken ist von der Ästethik nicht schön, aber von der Wirtschaftlichkeit für einen Milchviehhalter sonst zunächst kein Nachteil. Eine solche Kuh kalbt auch sicher nicht schwerer als eine Kuh, die den Schwanzansatz tief zwischen den Sitzbeinhöcker hat. Ein Zuchtwert muss die Wirtschaftlichkeit widerspiegeln.

Wir dürfen das Merkmal aber nicht völlig vernachlässigen, das nämlich würde dazu führen, dass die Sitzbeinhöcker enger werden. Das geht nicht von einem Jahr aufs andere, aber die Kühe würden dann schmäler werden.

Es ist wichtig, die gefirsteten Becken weiterhin zu erfassen und die Züchter darüber zu informieren, welche Stiere vermehrt gefirstete Becken bringen. Und das ist ja auch weiterhin der Fall: Die Fehler werden weiterhin erfasst und beim Balkendiagramm extra ausgewiesen. Es geht also nichts verloren. Ob, und wenn ja, wie man die wichtigsten Exterieur-Fehler wieder in die Zuchtwerte für die Block- und Gesamtnoten aufnimmt, das wird derzeit geklärt.