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Florian Moosbrugger, Züchter von AG Ohio

Braunvieh im Tiroler Lechtal: Sehr starke Kühe zwischen Berg und Tal

Familie Moosbrugger mit (v.r.) Iryna und ihrer Schwiegermutter Hildegard sowie Eva (16) und ihrem Vater Florian. Links im Bild die Mitarbeiter Martin und Michelle. Anna (17), die zweite Tochter von Florian und Iryna war beim Betriebsbesuch auf Schüleraustausch in Spanien.
am Donnerstag, 14.09.2023 - 10:00

Die Almzeit ist für Florian Moosbrugger aus Holzgau immer besonders intensiv: Jeden Tag fährt er mehrmals den 6 Kilometer langen Kiesweg hoch zur Sulzalm, wo sein Vieh auf 200 Hektar weidet. An insgesamt drei Melkstände müssen sich die Kühe gewöhnen.

Der Tunneleingang auf dem Weg zur Sulzalm. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde der rund 300 Meter lange Tunnel vorwiegend von Bauern gebaut.

Die Fahrt vom Talbetrieb auf 1100 Höhenmetern zur Sulzalm auf 1466 m ist bei Florian Moosbrugger von Juni bis September Alltag. Mindestens zweimal täglich, manchmal auch viermal fährt er die sechs Kilometer hoch, die Fahrzeit einfach sind 20 Minuten. 

Der zum Teil steile und holprige Kiesweg führt dabei rund 300 Meter durch einen sehr engen Tunnel. Die Bauern selbst haben ihn nach dem zweiten Weltkrieg in den Berg gebrochen, um den Zugang zu ihren Almfläche zu erreichen, das ganze wohl mit Hilfe von Presslufthammer und Sprengstoff, aber auch mit ganz viel Handarbeit. 

Es war ein Knochenjob. »Die Bauzeit betrug 3,5 Winter«, weiß Florian aus Überlieferungen, im Sommer hatten die Bauern keine Zeit dafür. Immer wieder bremst Florian, an einigen Stellen hat sein Vierradauto nur wenige Zentimeter Luft bis zum kantigen Tunnel. Wohl kein anderer Mensch hat den Tunnel so oft benutzt wie der 42-jährige Bergbauer, er kennt ihn in- und auswendig.

Vor 13 Jahren stand die Welt still

Familie Moosbrugger mit (v.r.) Iryna und ihrer Schwiegermutter Hildegard sowie Eva (16) und ihrem Vater Florian. Links im Bild die Mitarbeiter Martin und Michelle. Anna (17), die zweite Tochter von Florian und Iryna war beim Betriebsbesuch auf Schüleraustausch in Spanien.

Vermutlich wäre Florians Vater Hubert den Tunnel noch häufiger gefahren, aber vor genau 13 Jahren stand die Welt bei Familie Moosbrugger für einen Augenblick still. Hubert starb im Alter von nur 58 Jahren völlig unerwartet auf seiner Sulzalm. 

Die Agargemeinschaft hat dem verdienten Bauern und Politiker eine würdige Gedenktafel erstellt und auch fürs Braunvieh hat der frühere Obmannstellvertreter des Tiroler Braunviehzuchtverbandes viel geleistet, er war weit über Tirol hinaus bekannt. 

Eine Periode lang, also sechs Jahre, trat Florian beim Zuchtverband in die Fußstapfen seines Vaters und fungierte ebenfalls als Obmannstellvertreter. Durch die viele Arbeit am Betrieb hat er sich bei den Neuwahlen 2022 zurückgezogen.

Die Kühe gewöhnen sich an drei Melkstände

Seit 1994 hat Familie Moosbrugger ihr Vieh auf den rund 200 Hektar Almflächen rund um die Sulzalm und bis 2018 hatten sie auch die Almhütte mit Gastronomie (www.sulzalm.at) gepachtet, gaben dann aber die Pacht aus arbeitswirtschaftlichen Gründen zurück.

Im Mittelpunkt nämlich steht das Milchvieh. Die Herde wurde in den letzten zehn Jahren von 40 auf 60 Kühe aufgestockt. »Bei uns müssen sich die Kühe an drei verschiedene Melkstände gewöhnen«, erklärt Florian. 

Florian Moosbrugger und im Hintergrund das Sulztal mit der Sulzalm sowie ganz hinten die Allgäuer Alpen.

Im Talbetrieb bezogen die Kühe den neuen Laufstall mit Melkstand im Jahr 2000 und beim Stall an der Sulzalm wurde 2022 auf einen Melkstand umgestellt. Hier baute Florian einen gebrauchten und für 4000 € gekauften Melkstand ein.

In den wenigen Wochen, in denen die Kühe auf den hinten im Sulztal gelegenen Almflächen sind, werden sie dort seit 2012 in einem Melkstand-Provisorium, gebaut aus einer alten Rohrmelkanlage gemolken. Von dort aus ist es einfach zu weit, um sie zweimal täglich zum Almstall zu treiben. Das ist dann Melkstand Nummer drei. 

Drei Melkstände für eine Herde, so etwas können sich Betriebe im Unterland kaum vorstellen.

Das Vieh profitiert von der kürzeren Almzeit

Die Kühe marschieren von der Alm zum Melken in die Sulzalm – und löschen ihren Durst vorher im Gebirgsbach.

Knapp drei Monate, von Mitte Juni bis Anfang September sind die Kühe auf der Alm. »Früher waren wir bis zum 20. September dort, haben aber die Almzeit verkürzt«, sagt Florian. 

Zum einen, weil Moosbrugger jetzt mehr Vieh auftreibt, zum anderen, weil die Futterverhältnisse Mitte September oft schon karg werden und Fröste kommen. 

Ein Sprichwort sagt: »Die verhungerte Milch kommt wieder, die verfrorene nicht mehr«, erzählt Florian. Damit meint er, dass sich laktierende Kühe in der täglichen Milchleistung wieder erholen, wenn sie vorübergehend nicht so intensiv gefüttert werden, aber nicht, wenn sie gefrorenes Futter fressen mussten.

Die Wiesen im Tal sind auf 25 Kilometer verteilt

Der ›Lechtaler Spaltenzaun‹ war eine Spezialität von Hubert Moosbrugger, dieser Zaun hält ohne Nägel oder Schrauben.

Zurück zum Talbetrieb: Im engen Kessel des Lechtales bewirtschaft Florian 52 ha Grünland auf eine Tallänge von 25 Kilometer verteilt, davon sind 40 ha eben und 12 ha sehr hängig – hier kommen Bergmaschinen zum Einsatz. Auch in der Erntetechnik ist er also doppelt ausgestattet. 

Die Eigenfläche liegt bei 7 ha, 45 ha sind gepachtet. »Durch Realteilung sind viele Wiesen recht klein«, beschreibt Florian die Situation im Lechtal, insgesamt bewirtschaftet er rund 50 Parzellen. 

Die größte Wiese hat 6 ha und ist 8 Kilometer vom Hof entfernt.

Die Gedenktafel für Hubert Moosbrugger direkt neben der Sulzalm.

Moosbrugger ist ein Heumilchbetrieb und liefert zu den ›Käserebellen‹. 

Um eine top Heuqualität zu erreichen, verwendet er sowohl beim lose mit dem Ladewagen geernteten Heu eine Warmlufttrocknung wie auch bei den Rundballen, die wegen der vielen weit entfernten Flächen zum Teil einfacher zu handeln sind. 

Florian ist bei der gesamten Erntekette eigenmechanisiert.

Der Jungstier AG Ohio wurde hier geboren

Auch Eagle-Tochter Mira in der 6. Laktation ist eine starke Vertreterin der M-Linie im Betrieb Moosbrugger.

Florian Moosbrugger ist Züchter des O Malley-Sohnes AG Ohio, der mit seinen genomischen Zuchtwerten ein Ausnahmestier ist. Das zeigt folgende Auswertung: Es gibt in der deutsch-österreichischen Zuchtwertliste von allen Stieren weltweit nur acht, die sowohl im GZW als auch im Exterieur mindestens Zuchtwert 120 haben. 

Der mit Abstand höchste davon im GZW ist AG Ohio (GZW 133/GN 126), gefolgt von Bari (GZW 124/GN 126), Bachelor (GZW 123/GN 127), Cavral (GZW 123/GN130), Doboy (GZW 123/GN126), Juri (GZW 121/GN 131) und Brice (GZW 120/GN 128). Es liegen also im Gesamtzuchtwert 9 Punkte zwischen Ohio und dem zweitbesten dieser Exterieurstiere.

Ohio: Ein Stier mit viel Blooming-Blut

Und trotzdem gehört Ohio gezielt eingesetzt. Er ist als O Malley-Sohn aus einer Blooming-Tochter eng auf Blooming liniengezüchtet. Entsprechend groß dürften auch seine Nachkommen werden, mit Rahmen-Zuchtwert 126 und Kreuzhöhe 125 liegt er weit über dem angestrebten Optimum. 

Auch auf die Melkbarkeit (94) sollte man achten. Alle anderen Werte sehen gut bis sehr gut aus und mit +857 kg Milch bei Eiweiß +0,11 verspricht er auch eine gute Leistung.

Die dominante M-Kuhfamilie

Die dominante Kuhfamilie im Betrieb ist der M-Stamm, aus dem auch der Alpengenetik-Stier Ohio stammt. Die M-Linie geht zurück auf eine in den 90er Jahren in Vorarlberg gekaufte Kuh, die Elsass-Tochter Mausi von Christoph Böhler aus Bildstein. 

Aus dieser Elsass Mausi stammt auch die Starbuck-Tochter Minka, die 2007 Tiroler Landessiegerin der Altkühe über 70 000 kg Lebensleistung war. Starbuck Minkas Schwester Gerdus Mausl ist die UrUrUrUrgroßmutter von AG Ohio.

Milla - die Kuh ohne Ödem

Die Mutter, Großmutter und Urgroßmutter von AG Ohio sind noch im Betrieb und gehen täglich auf die Almflächen. »Ohios Ugroßmutter ist die erste im Melkstand«, erzählt Florian über Vasir Marry VG86 (6/5 9591 3,77 3,32. Die beeindruckendste Kuh aus der Familie ist Marrys Tochter Panama Milla VG87, aktuell mit 6 Kalbungen und einer Durchschnittsleistung von 9972 3,57 3,70. 

»Diese Kuh mit ihrer breiten Brust ist ein Panzer«, schwärmt Florian über die Stabilität der Sechstkalbskuh. Und weiter: »Milla hat nie ein Floß und eine super Fruchtbarkeit, sie ist mir die liebste!«. Aus ihr ist auch die Dane-Tochter Milley GP82, eine der stärksten jüngeren Kühe in der Herde. Millas Tochter Blooming Milba EX90 (3/2 9673 4,08 3,68) ist die Mutter von Ohio. 

Aus Panama Milla wurde vor kurzem ein Bison-Stierkalb mit GZW 138 und aus Blooming Milba ein hornloses Visor PS-Stierkalb von der Alpengenetik angekauft.

Ja zur Genomik: Alle Kuhkälber werden typisiert

Seit heuer lässt Florian alle weiblichen Tiere im Bestand über das Projekt FoKuhs typisieren. Mit der Umstellung der genomischen Zuchtwertschätzung auf Single Step hat sich die Sicherheit der Genomik nach Florians Eindruck deutlich erhöht. 

»Ein höherer genomischer Zuchtwert im Euter gibt auch die besseren Euter im Stall, das ist unbestritten“, sagt er. Und Kühe mit GZW 130 seien auf Dauer gesehen auch die wirtschaftlicheren Kühe im Bestand, so seine Erfahrung.

Erstkalbealter im Almbetrieb: 2 oder 3 Jahre

Durch die Alpung strebt Florian an, die Rinder möglichst im September oder Oktober abkalben zu lassen. Das wiederum erfordert ein Erstkalbealter von 24 oder 36 Monaten, was er beides für nicht ideal hält. Bisher haben bei Florian viele Rinder erst dreijährig gekalbt und nur sehr wüchsige, frühreife Tiere besamt er ein Jahr früher.

Florian mag schöne Kühe und berücksichtigt das Exterieur auch bei der Stierauswahl. Das Schauwesen hält er aber dann für kritisch, wenn es zu extrem wird und das Exterieur über allem steht, wie es bei einem Teil der Betriebe auch der Fall sei.

Für eine Top-Heuqualität belüftet Florian Moosbrugger sein ganzes Heu, hier der Lüfter für die Rundballen.

Braunvieh dürfe sich nicht weiter in zwei Lager teilen, in denen der eine Teil Vollgas melken will und der andere einseitig auf Schönheit züchtet, meint er.

Überhaupt seien die Anforderungen an die braune Kuh enorm: Viele Betriebe gehen auf die Alm oder wirtschaften ökologisch, andere sind im Tal auf Maisstandorten mit Voll-TMR, hier sollen die Kühe dann 12 000 Liter geben. 

Florian: »Das wurde mir letztes Jahr in den USA bewusst. Der Betrieb Mashek mit 400 Brown-Swiss-Kühen hat ein Erstkalbealter von 23 Monaten und die Jungkühe geben im Schnitt fast 40 kg am Tag. Aber er füttert dort auch eine Ration, von der wir hier in Tirol nur träumen können!«

Letztlich müsse jeder Betrieb aus seiner Lage das Beste machen. Und Florian glaubt, dass seine M-Familie ein klein wenig dazu beitragen kann. Während bei den Kühen und beim Jungvieh noch viele Tiere von einem Natursprungstier abstammen, sind die Trächtigkeiten jetzt alle von Besamungsstieren. Und Ohio ist mit 12 Trächtigkeiten ganz vorne dabei.

Betriebsspiegel

Familie: Florian und Iryna Moosbrugger, Kinder Anna (17) und Eva (16), Mutter Hildegard, ergänzt wird das Team durch die Mitarbeiter Martin und Michelle.

Lage: Holzgau im Tiroler Lechtal, Talbetrieb auf 1100, Almstall auf 1466 m;

Zusatzeinkünfte: 2 Ferienwohnungen

Fläche: 52 ha Talfläche, darunter 45 ha Pacht, alles Grünland; 204 ha Almfläche auf 1100 bis 1400 m an der Sulzalm;

Molkerei: Käserebellen, Milchpreis für Heumilch 56 ct incl. Zuschläge und MwSt, verkaufte Milchmenge 427 000 mit 4,10 3,57;

Fütterung: Heu, Grumet, Weide/Alm, Kraftfutter (ø 19,22 dt/Kuh), Mineralfutter;

Leistung: 59 Kühe 8733 4,0 3,6; EKA 33,1 Monate, ø Lebensleistung lebende Kühe 29 283 kg, ø Lebensleistung Abgangskühe 36 748 kg, Zwischenkalbezeit 438 Tage, Besamungsindex 1,7, aktuelle Tagesleistung 29,6 3,66 3,61, 166 000 Zellzahl;

Kühe von Bingo (Natursprung Blooming x Dally, 9), Nordstern (NS Joe x Eros, 8), Blooming (5), Payssli (4), Vasir, Biver, Grisu (NS Grischa Star x Hondula), Dane (je 3), 30% der Kühe mit 5 und mehr Kälbern;

Jungvieh von Georgy (Natursprung, Fanfare x Seasidebloom, 13), Huge (4), Grisu NS, Danly, AG Bison, AG Bachelor;

Trächtigkeiten von Ohio (12), Tank, Trek, O Malley, Guy (je 3), Tequila, Doboy, Vpower, Owen, Sevilla (je 2), ø GZW der eingesetzten Kalbväter 120.

Sonstiges: Der Betrieb Moosbrugger wurde bereits in Rinderzucht Braunvieh 2/2007 vorgestellt.