Das ist ein Artikel vom Top-Thema:

Schwerste Unwetter in Bayern seit fünf Jahren

Tennisballgroßer Hagel am Hof der Weltrekordkuh

Bis zu tennisballgroße Hagelkörner fielen vom Himmel.
am Mittwoch, 13.09.2023 - 14:01

Starker Hagel und Sturmböen zogen am letzten Samstag im August durch Teile Bayerns und hinterließen eine Spur der Verwüstung. Mit am stärksten traf es Bad Bayersoien, so auch den Heimathof der Braunvieh-Weltrekordkuh.

BV_2_Photo3_DE_JörgAceLonia Kopie 2

Die Ace-Tochter Lonia von Franz Jörg aus dem Bayersoier Ortsteil Kirmesau machte vor drei Jahren Schlagzeilen als Weltrekordkuh für die Rasse Brown Swiss nach Lebensleistung Fett und Eiweiß-kg. Lonia stand am Betrieb Jörg im Zuchtgebiet Weilheim und erreichte eine Lebensleistung von 195.836 kg Milch mit 4,40% Fett und 3,83% Eweiß. 

Dank ihrer hohen Inhaltsstoffe produzierte sie sagenhafte 16.168 kg Fett- und Eiweiß – Weltrekord bei Brown Swiss.

Jörg kaufte Lonia als Erstmelkkuh von Alois Zeller in Rubi. Ihre Blutführung war Ace x Emico x Gordon. Eine schier unstillbare Fresslust habe die Kuh ausgezeichnet, erklärt Jörg. Und sie war dominant, andere Kühe in der Herde hatten gegen sie keine Chance. Ihre Durchschnittsleistung lag bei 13.902 kg. Vor drei Jahren ist Lonia abgegangen.

Hagel und Sturm verwüsten den ganzen Ort

Vom Hagel zerschlagen: Eines der vielen kaputten Dächer im Oberland.

So stolz Franz Jörg auf diese Kuh ist: Derzeit plagen ihn andere Sorgen. Bei dem starken Hagel am 26. August 2023 in Bayern zählte Bad Bayersoien zu den am stärksten getroffenen Orten, tennisballgroße Hagelkörner führten bei dem Unwetter zu riesigen Schäden. 

Es gibt kaum ein Dach in Bayersoien, dass nicht kaputt ging, unzählige eingeschlagenen Scheiben, verbeulte Autos und Maschinen sowie zerhaute Grünlandbestände waren das Ergebnis von 10 Minuten Starkhagel. Vögel und andere Wild-, aber auch Nutztiere wurden verletzt oder getötet. 

Kein Wunder: Bei Hagelkörnern mit einem Durchmesser von bis zu acht bis zehn Zentimetern kann sich jeder vorstellen, welche Gewalt hinter diesen Geschossen steckt.

Bad Bayersoien: Faustgroße Hagelkörner

In Bad Bayersoien sind fast alle Gebäude geschädigt. „Ich habe gemeint, die Welt geht unter“, erzählt der Landwirt Franz Jörg aus dem Ortsteil Kirmesau. 

Das Ganze begann am Samstag kurz nach 16 Uhr: Nachdem die Gewitterwolken aufzogen, begann es plötzlich und sehr stark zu hageln, ohne dass es vorher groß geregnet hätte. „Am Anfang waren es faustgroße Hagelkörner, so etwas habe ich noch nie erlebt“, erzählt Jörg.

Durch den starken Hagel gibt es nicht ein PV-Modul, das nicht kaputt ging.

Noch bevor er ein Auto in Sicherheit bringen konnte, waren bei beiden im Hof geparkten Pkw die Scheiben eingeschlagen. 

Durch den starken Wind sei der Hagel „recht schräg“ dahergekommen, so dass es sogar Seitenscheiben sowie vom Schlepper die Frontlichter erwischt hat, erzählt der Landwirt. 

Jörgs neuerer Stall ist auf beiden Dachseiten mit einer Photovoltaik-Anlage belegt – hier scheint alles kaputt zu sein: „Ich glaube, es gibt nicht ein PV-Modul, das nicht zerschlagen ist“, sagt der Landwirt.

Der Landkreis löste den Katastrophenalarm aus

Auch Dachplatten sind durch den starken Hagel im großen Stil zerbrochen. Bei den Betroffenen lag die erste Priorität darin, die Dächer mit Planen soweit dicht zu bekommen, dass es nicht noch größere Wasserschäden gibt. Allerorts ist man froh um die vielen freiwilligen Hilfskräfte, die seit dem Hagel-Samstag im Einsatz sind. Der Landkreis Garmisch-Partenkirchen hatte den Katastrophenalarm ausgelöst. Auch Baumärkte in der Region hatten spontan am Sonntag geöffnet. Die Hilfsbereitschaft ist enorm.

Bei allen Schäden, die zu beklagen sind, sieht Franz Jörg nach dem Unwetter auch die positiven Seiten: „Wir müssen froh sein, dass kein Mensch ernsthaft verletzt wurde, denn alles andere kann man richten“, fasst es der Landwirt zusammen.

Etwa vier Tage nach dem Hagel regnete es noch stark und das ganze Dorf war damit beschäftigt, die Dächer notdürftig abzudichten. Danach folgte ein Schönwetterperiode und die Reparaturen auf den Dächern begannen im großen Stil. 

„In Bad Bayersoien laufen die Arbeiten auf Hochtouren“, erklärt Regina Jörg aus Kirmesau Mitte September. Am Betrieb Jörg waren zu diesem Zeitpunkt etwa die Hälfte der kaputten Dächer repariert, aktuell war das Dach vom Wohnhaus dran. 

Besonders bitter sei die Situation für Hauseigentümer, bei denen durch den Hagel auch die Dachpappe kaputt ging und so die Isolierung nass wurde. Das ist bei Jörgs zum Glück nicht der Fall.

Regen durch die kaputten Dächer: Heustöcke werden warm

In vielen Betrieben hat es wegen der zerstörten Dächer in die Heuhallen geregnet. Das Dürrfutter wurde nass, begann sich zu erwärmen und musste teilweise abgetragen werden. Wie es hier mit der Futterqualität aussieht, kann sich jeder vorstellen. 

So kommt zu den verhagelten Mais- und Grasbeständen jetzt noch der Futterverlust durch feucht gewordenes Dürrfutter. Viele Bauern brachten das Heu wieder auf eine frisch abgeerntete Wiese, um es erneut zu trocknen und so weitere Qualitätsverluste zu verhindern.

Zwei Hagelschneisen quer durch Bayern

Der Deutsche Wetterdienst (DWD) stellte jetzt dem Wochenblatt eine Karte zur Verfügung, die das Verbreitungsgebiet des verheerenden Hagels aufzeigt: Es gab an diesem Tag in Bayern zwei Hagelschneisen mit jeweils knapp 130 km Länge und bis zu rund 15 Kilometer Breite. 123 Orte oder Weiler waren laut DWD stark betroffen, davon 39 mit Hagelkörnern mit einem Durchmesser von 5 und mehr Zentimetern. In 16 Orten gab es Hagelkörner mit einer Größe von 7cm und mehr.

Größter Unwetter-Schaden seit fünf Jahren

Bis zu tennisballgroße Hagelkörner fielen vom Himmel.

Das Tief Denis in Bayern am 26. August 2023 war laut Versicherungskammer Bayern das schwerste und teuerste Unwetter der vergangenen fünf Jahre im Freistaat und verursachte allein bei ihren Versicherten Schäden in dreistelliger Millionenhöhe. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherer schätzt für die schweren Unwetter Ende August, die vorwiegend in Süddeutschland auftraten, Schäden in Höhe von gut 900 Millionen Euro.

Die größten bisher in Deutschland registrierten Hagelschäden gab es beim „Hagelsturm von Reutlingen“ in Baden-Württemberg am 28. Juli 2013. Damals entstanden laut Wikipedia Schäden in Höhe von 3,6 Mrd Euro, die Versicherungen zahlten 2,8 Mrd. Euro aus. Die größten in Deutschland jemals registrierten Hagelkörner gab es laut dem Deutschen Wetterdienst am 6. August 2013 in Undingen in Baden-Württemberg mit einem Korndurchmesser von 14 Zentimetern.

Das Hagelschadenzentrum Deutschland schreibt, das jedes zehnte Gewitter durch Hagel begleitet wird. Der Hagel sei eine Niederschlagsform, die entsteht, wenn Regentropfen durch Aufwinde in extrem kalte Bereiche der Atmosphäre befördert werden, wo sie zu Eiskörnern gefrieren. Wenn die Aufwinde das Gewicht der Hagelkörner nicht mehr tragen können, fallen sie zur Erde.

Sogenannte Superzellen entstehen laut dem DWD bei hohen Temperatur- und Feuchteunterschieden zwischen den unteren und den darüberliegenden Luftschichten. Bei dem Ereignis vom 26. August waren drei Superzellen im Spiel, die über Schwaben und Oberbayern nach Osten zogen. Dabei war die Superzelle am Alpenrand besonders heftig.

Tennisballgroße Eis-Geschosse mit 150 km/h

Enorm ist auch die Geschwindigkeit, die Hagelkörner erreichen können. Wikipedia nennt bei 12 Zentimetern großen Hagelkörnern eine Geschwindigkeit von über 170 km/h. Das Hagelschaden Zentrum Deutschland spricht vereinzelt sogar von über 200 km/h. Bei den bis zu 10 Zentimeter dicken Hagelkörnern, die am 26. August erreicht wurden, erscheinen über 150 Stundenkilometer realistisch.

Mit Schäden müsse man ab einer Korngröße von 1,5 cm rechnen. „Bei Durchmessern von 8 bis 10 cm kommt es zu erheblichen Schäden an Objekten, Pflanzen und Menschen“ schreibt der Deutsche Wetterdienst. Von verletzten Personen hörte man nach dem 26. August zum Glück nur vereinzelt. Dafür gab es neben verheerenden Sachschäden viele verletzte und tote Wildtiere, zum Teil auch Nutztiere.