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Agrarrecht

Landwirte sollten Strafen nach Cross-Compliance-Kontrollen überprüfen

Landwirt und Kontrolleur im Milchviehstall
Alexander Zschau, Ecovis Leipzig
am Mittwoch, 15.07.2020 - 10:39 (1 Kommentar)

Die neue Düngeverordnung zählt jetzt für die Cross Compliance. Rechnen Sie mit Kontrollen auf Ihrem Betrieb. Ungerechtfertigte Sanktionen können Sie aber abwehren. Wir zeigen Ihnen, wie.

 Informationsbroschüre zur Düngeverordnung

Seit Anfang Mai gilt die neue, verschärfte Düngeverordnung. Ihre Regeln zählen seither für die Cross Compliance (CC). Eine Schonfrist gibt es nicht.

Das heißt, bei Betriebskontrollen wird künftig auch die Einhaltung der neuen Aufzeichnungspflichten, Abstandsauflagen und Ausbringungsfristen geprüft. Sie als Betriebsleiter müssen sich darauf jetzt einstellen. Denn ein Verstoß gegen die so genannte Auflagenbindung für EU-Agrarzahlungen kann richtig ins Geld gehen. Die Behörden dürfen die Zahlungen innerhalb bestimmter Grenzen kürzen.

Doch genau dort liegt der Hase im Pfeffer: Immer wieder kommt es aufgrund des mangelnden Verständnisses der Kontrolleure für die Landwirtschaft zu offenkundig rechtswidrigen Sanktionen.

Ein Fall aus der Praxis

So auch im Fall eines Landwirts aus Sachsen: Er hatte 2012 bei der zuständigen Landwirtschaftsbehörde einen Förderantrag für Agrarumweltmaßnahmen gestellt.

Bei einer Vor-Ort-Kontrolle bewerteten die Prüfer einen überdachten Tierunterstand auf einer Weide, der mit Stroh eingestreut war, als Festmistlagerstätte im Sinne der sächsischen Verordnung für Dung- und Silagesickersaftanlagen (SächsDuSVO). Weil der Unterstand nicht über eine seitlich umfasste und dichte Betonbodenplatte verfügte, sollten dem Landwirt die Zahlungen für die Agrarumweltmaßnahme um ein Prozent gekürzt werden.

Aber lagen die Kontrolleure mit ihrer Bewertung überhaupt richtig? Wie kann ich mich als Landwirt gegen ungerechtfertigte Sanktionen wehren?

Kontrollen sind zulässig

Zunächst ist festzuhalten, dass die CC-Regeln die Agrarzahlungen schon seit 2005 mit der Einhaltung von Auflagen in drei Bereichen verknüpfen, nämlich im Umwelt-, Gesundheits- und Tierschutz. Insgesamt müssen Landwirte, die EU-Beihilfen beziehen wollen, nach derzeitigem Stand 13 EU-Richtlinien und Verordnungen, die Grundanforderungen an die Betriebsführung (GAB) stellen, sowie sieben EU-Standards für den Erhalt landwirtschaftlicher Flächen in einem guten landwirtschaftlichen Zustand (GLÖZ) beachten.

Kontrolliert wird die Einhaltung der Anforderungen und Standards von den fachlich zuständigen Behörden. Das sind zum Beispiel Veterinärämter, Naturschutzbehörden oder Landwirtschaftsämter. Jeder Betriebs- inhaber ist verpflichtet, CC-Kontrollen zuzulassen. Dazu muss der Landwirt oder sein im Sammelantrag benannter Vertreter für die Behörde zumindest während der üblichen Geschäftszeiten telefonisch erreichbar sein, um eine Kontrolle zu vereinbaren. Wer eine Kontrolle verhindert, riskiert Sanktionen beziehungsweise die Ablehnung des Beihilfeantrages.

Das EU-Recht schreibt grundsätzlich vor, dass die Einhaltung der Cross Compliance bei mindestens ein Prozent der Begünstigten vor Ort kontrolliert werden muss. Um den Aufwand zu begrenzen, können die systematischen Kontrollen gebündelt werden. Neben den systematischen CC-Kontrollen können auch Prüfungen aus anderem Anlass erfolgen. Dabei wird vermuteten Verstößen nachgegangen, die sich aus Hinweisen anderer Behörden, aber auch durch Mitteilungen Dritter ergeben.

Wird ein Pflichtverstoß festgestellt, schauen die Prüfer erfahrungsgemäß innerhalb von drei Jahren erneut auf dem Betrieb vorbei. Dabei soll festgestellt werden, ob die Verstöße abgestellt wurden. Wird ein Verstoß wiederholt festgestellt, nehmen die Sanktionen zu.

So werden die Beihilfen gekürzt

Geldscheine und Schere

Als Strafe für Verstöße gegen die Verpflichtungen der Cross Compliance können die Basis-, die Greening-, die Umverteilungs- und gegebenenfalls die Junglandwirteprämie gekürzt werden. Aber auch Zahlungen aus der zweiten Säule können verringert werden, zum Beispiel Ausgleichszahlungen für benachteiligte Gebiete, Prämien für den Ökolandbau oder Zahlungen für Agrarumwelt- und Klimaschutzmaßnahmen.

Für die Kürzung der Beihilfen gelten bestimmte Regeln, an die sich die zuständige Behörde halten muss. So muss die sanktionierende Stelle in ihrem Bescheid die Höhe der Sanktion begründen. Insbesondere muss die Behörde begründen, weshalb ein Verstoß als leicht, mittel oder schwer eingestuft wird. Kriterien hierfür sind zum Beispiel ein wiederholtes Auftreten des Verstoßes und sein räumliches Ausmaß. Berücksichtigt werden auch die Schwere des Verstoßes und dessen Dauer.

Die Behörde muss ihre Entscheidung in dem von ihr erlassenen Sanktionierungsbescheid begründen. Ist der Bescheid nicht ausreichend begründet, hat sie jedoch noch die Möglichkeit, bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung im Falle des Klageverfahrens ihre Ermessensentscheidung durch Nachschieben einer weiteren Begründung zu heilen. Ein kompletter Ermessensfall, das heißt eine komplett fehlende Begründung der Sanktionierungshöhe im Bescheid, führt jedoch zur Rechtswidrigkeit der Sanktionierung und kann seitens der Behörde nicht mehr geheilt werden.

Gegen Sanktionen vorgehen

Oftmals liegen zwischen der Vor-Ort-Kontrolle und dem späteren Betriebsprämienbescheid, in dem die Sanktion angekündigt wird, mehrere Monate. Umso wichtiger ist, dass Sie als Landwirt gegen eine unberechtigte Sanktionierung im Bescheid fristgemäß Widerspruch einlegen. Die Widerspruchsfrist beträgt einen Monat ab Zustellung des Bescheides.

Bleibt die Behörde bei ihrer Haltung und erlässt einen Widerspruchsbescheid, in dem sie die Kürzung bestätigt, ist darauf zu achten, dass gegen diesen Widerspruchsbescheid ebenfalls ab dem Datum der Zustellung innerhalb von einem Monat Klage beim zuständigen Verwaltungsgericht einzureichen ist. Wird die Frist für Widerspruch oder Klage versäumt, ist die Sanktionierung im Bescheid rechtskräftig. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Strafe offensichtlich fehlerhaft ist.
Wichtig ist: Die Behörde trägt für die von ihr behaupteten Verstöße die Beweispflicht. Dieser Beweispflicht muss die Behörde im Klageverfahren nachkommen. Deshalb sollten Sie im Widerspruchsverfahren beziehungsweise spätestens im Klageverfahren Akteneinsicht in die Behördenakte nehmen. So können Sie aufdecken, ob die Behörde die Ihnen vorgehaltenen Verstöße überhaupt hinreichend beweisen kann.
Die Beweispflicht kann sich in einigen Fällen für die Behörde schwierig gestalten, da oftmals zwischen dem Zeitpunkt der Vor- Ort-Kontrolle und dem Gerichtsverfahren mehrere Jahre liegen. So könnte es zum Beispiel sein, dass eine rissige Festmist- lagerplatte, die zu einer Sanktion führte, gar nicht mehr existiert, da die Tierproduktion eingestellt wurde. In diesem Fall können das Gericht oder ein Gutachter die angeblich rissige Betonplatte nicht mehr in Augenschein nehmen.
Meistens benennt die Behörde in diesen Fällen ihre Kontrolleure als Zeugen und verweist auf die in der Regel bei der Kontrolle getätigten Fotos. Der Gehalt dieser Zeugenaussagen kann jedoch auch infrage gestellt werden, da zwischen Kontrolle und Zeugenvernahme innerhalb des Gerichtsverfahrens mehrere Jahre liegen können.

Eigene Dokumentation anfertigen

Deshalb sollten Sie bei einer Vor-Ort-Kontrolle eine eigene Dokumentation erstellen und Zeugen hinzuziehen. Machen Sie selbst Fotos. Das behördliche Protokoll, das nach der Vor-Ort-Kontrolle vorgelegt wird, brauchen Sie nicht zu unterschreiben. Dieser Umstand ist wichtig, da Sie mit der Unterschrift unter dem Protokoll Ihr Einverständnis zu den Feststellungen der Behörde geben. Dann wird es schwierig, im späteren Widerspruchs- oder Klageverfahren zu erklären, die Feststellungen der Behörde seien falsch. Auch eine Unterschrift mit dem Vermerk „ich widerspreche den Angaben“ ist in so einem Fall möglich.
In der Praxis passiert es auch immer wieder, dass die Behörde die Sanktion falsch berechnet. Zum Beispiel bewertet die Behörde einen Verstoß als wiederholt, obwohl er nicht innerhalb von drei aufeinanderfolgenden Kalenderjahren auftrat. Solche offensichtlichen Berechnungsfehler sollten im Widerspruchs- oder Klageverfahren beanstandet werden.

Leipziger Urteil gab dem Landwirt Recht

Alexander Zschau von Ecovis Leipzig

In unserem Praxisfall hatte der Landwirt aus Sachsen Glück. Nach einem abgewiesenen Widerspruch erhob der Tierhalter beim Verwaltungsgericht Leipzig eine Klage gegen den Widerspruchsbescheid. Das Gericht entschied, dass kein Verstoß gegen die SächsDuSVO vorlag (Urteil des VG Leipzig vom 21. April 2016, Aktenzeichen 5 K 1664/14). Damit wurde die Sanktionierung rechtswidrig. Der Landwirt hatte Anspruch auf Auszahlung der ungekürzten Förderung.

Das Verwaltungsgericht legte in seinem Urteil dar, dass es sich bei dem Tierunterstand nicht um eine Anlage im Sinne der Landesverordnung handelte, sondern offensichtlich um einen Unterstand zum Schutz der Tiere vor Sonne und Niederschlägen. Hätte der Landwirt keinen Widerspruch innerhalb von einem Monat nach Zustellung des Sanktionierungsbescheides und keine Klage innerhalb von einem Monat nach Zustellung des Widerspruchsbescheides eingelegt, wäre die rechtswidrige Sanktionierung bestandskräftig geworden.

Mit Material von Ecovis

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