Theoretisch lässt sich Stroh in Biogasanlagen einsetzen. Die Dänen machen das seit Langem vor. Nach einer Studie zum Strohpotenzial sind deutschlandweit rund 8 bis 13 Mio. t davon verfügbar. Auch Kaff oder Spreu ließe sich verwenden als Agrarreststoff künftiger Biogaserzeugung – ohne Konkurrenz zu Nahrungsmitteln. Mais als Energiepflanze steht gesellschaftlich nämlich heftig in der Kritik.
Wer mit diesen Mengen konservativ anfängt zu rechnen, der findet in der Diskussion um Tank oder Teller verblüffende Werte: Geht man von einem auf die Frischmasse bezogenen Biogasertrag bei Stroh von etwa 310 m3/t Frischmasse aus, der wegen des höheren Trockensubstanzgehalts trotz schlechterer Abbaubarkeit über dem bei Maissilage von etwa 210 m3/t FM liegt, und rechnet weiter mit 45 t/ha Silomais-Ertrag, dann ergibt sich ein enormes Potenzial, Silomais zu ersetzen.
Die Rechnung kommt auf rund 260.000 bis 430.000 ha Mais, die vom Stroh quasi abgelöst werden könnten. Das jedenfalls kalkuliert Prof. Dr. Walter Stinner vom Deutschen Biomasseforschungszentrum. Zum Vergleich: derzeit werden rund 1,2 Mio. ha Silomais für Biogas angebaut.
Stroh: Pflanzenbauliche Vorteile
Doch deutsche Anlagenbetreiber sind noch skeptisch. Die rund 8.900 Biogasanlagen in Deutschland werden bisher überwiegend mit Gülle oder Festmist sowie nachwachsenden Rohstoffen betrieben. Daneben gibt es rund 330 Vergärungsanlagen für Bio- und Gartenabfälle, Speisereste oder solche aus der Lebensmittelindustrie.
Mit Stroh und Spreu wird ein Großteil an Unkrautsamen und Ausfallkorn entzogen. Oft sind Schmachtkorn und Bruchteile der Ähren mit Fusarium befallen. Werden sie entfernt, vermindert das den Infektionsdruck für Folgefrüchte. Infektionsketten werden unterbrochen, der Unkrautdruck gesenkt und beispielsweise weniger Glyphosat eingesetzt.
Das kostet Stroh als Substrat
Kostenseitig hängt die Bereitstellung des Strohs unter anderem von der Lage des Betriebs in einer Ackerbau- oder Veredelungsregion ab. Bei 10 km Feldentfernung lassen sich bei Eigenerzeugung mit einer Häckselkette Kosten für die Substratbereitstellung erreichen, die um 2,5 ct/kWhel unter den Bereitstellungskosten von Maissilage liegen, so Prof. Stinner und Kollegen.
Damit liegen sie „unter dem Benchmark Silomais“. Allerdings sind dabei unter Umständen höhere anlagenseitige Kosten anzusetzen, wie Laufzeiten und Verschleiß von Rührwerken.
Sicher steht die Strohvergärung in Deutschland noch ganz am Anfang. Cord-Christian Gaus von der Technischen Uni München und der Bundeslehranstalt Burg Warberg hatte 4.500 bayerische Landwirte befragt. Knapp 60 Prozent der Befragten haben Interesse, vor allem Weizenstroh frei Feld im Schwad oder gepresst zu verkaufen.
Hochgerechnet auf Deutschland ergeben sich je nach Liefermenge, Vertragsgestaltung und Preis von 50 bis 120 Euro/t Preis verschiedene Potenziale an verfügbaren Mengen. Bei 107 Euro/t Markeintrittspreis sind es rund 16 Mio. t Getreidestroh. Der aktuelle Stroh-Preis liegt bei 60 bis 70 Euro/t.
Stroh, Mist, Gras gibt Biogas
Jens Geveke aus Westerstede betreibt eine 500 kWel.-Biogasanlage. Sie hat sich im Laufe der Jahre weiterentwickelt vom Betrieb mit 40 Prozent Mais- und 60 Prozent Grassilage zu einem mit mittlerweile 80 Prozent Festmist sowie 20 Prozent Grassilage und Futterresten.
Er vergärt die Reststoffe aus rund 70 Kuhbetrieben im 15 km-Umkreis. Für ihn scheidet die Vergärung reiner Gülle aus, weil die Transportkosten hoch sind, weil die Rohstoffmengen einen Wärmebedarf haben und weil die Entsorgungskosten für Gärreste zu entrichten sind. Geveke: Mit 25 m3/t Gasertrag gelingt es nicht, einen Wärmeüberschuss zu erzeugen, und der Stromertrag ist im Verhältnis zum Transportaufwand zu gering“.
Das Vergären der Einsatzstoffe mit hohen Faseranteilen und nur geringen, schnell verfügbaren Inhaltsstoffen erfordert weitere biologische Vorgänge im Fermenter. Die Bakterien hungern sonst in deiner sehr dicken Suppe. Erst durch die massive Zugabe von Cellulose spaltenden Enzymen hat er die biologische Aktivität wieder erhöht.
Geveke ist davon überzeugt, dass die Teller- und Tank-Diskussion und die Rohstoffpreise den Einsatz von Energiepflanzen künftig uninteressanter machen. Langfristig könne der eigentliche Wert einer Erneuerbaren Energie nicht ausschließlich aus einem Wert pro kWh bemessen werden. Viel mehr zeige er sich darin, wie hoch die CO2-Einsaprung dieser Energieform sei.
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