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Deutschland gehört dabei im Hinblick auf den Aufbau entsprechender Bioraffinerien zusammen mit Frankreich und den Niederlanden zu den europäischen Vorreitern und hat im internationalen Vergleich eine "hervorragende Ausgangsposition für die weiteren Entwicklungen". Das sind die zentralen Ergebnisse der "Roadmap Bioraffinerien", die die Bundesregierung im Rahmen der Ausstellungstagung für chemisches Apparatewesen (Achema) in Frankfurt vorgestellt hat.
Die Roadmap wurde von einer Expertenarbeitsgruppe aus Wissenschaft und Industrie erarbeitet und ist ein gemeinsames Projekt der Bundesministerien für Landwirtschaft, Forschung, Umwelt und Wirtschaft.
Stoffliche Nutzung ausbauen
"Bioraffinerien werden die zentralen Produktionsanlagen einer künftigen Bioökonomie sein", erklärte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesforschungsministerium, Georg Schütte. Diese Raffinerien müssten deshalb heute Multifunktionsanlagen sein, die pflanzliche Biomasse nicht nur in ein, sondern in eine Vielzahl von Produkten verwandelten. "Die Bundesregierung setzt mit ihrer in dieser Legislaturperiode gestarteten Hightech-Strategie nicht auf abstrakte, sondern auf konkrete Zukunftsprojekte", so Schütte auf dem weltgrößten Ausstellungskongress für Chemische Technik, Umweltschutz und Biotechnologie weiter. Die Roadmap Bioraffinerien sei deshalb Teil des Aktionsplans der Bundesregierung zur stofflichen Nutzung nachwachsender Rohstoffe. Laut den beteiligten Bundesministerien ist sie sowohl Bestandsaufnahme als auch Handlungsempfehlung an Politik und Wirtschaft für die kommenden Jahre. Die Roadmap soll somit einen Beitrag zur "Nationalen Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030" leisten.
Anbaufläche steigt an
Bereits heute werden laut Roadmap in Deutschland auf mehr als zwei Millionen Hektar und damit auf rund einem Fünftel der Ackerfläche nachwachsende Rohstoffe angebaut. Ein großer Teil der Biomasse werde dabei für die Energieversorgung genutzt. Die Zuwachsraten bei der stofflichen Nutzung von Biomasse als Ausgangsrohstoff für die weitere Verarbeitung seien hingegen geringer. "Wir erwarten von Bioraffinerien einen Beitrag, um zentrale Herausforderungen der Zukunft zu meistern", erklärte der Leiter der Abteilung Biobasierte Wirtschaft, Nachhaltige Land- und Forstwirtschaft im Bundeslandwirtschaftsministerium, Clemens Neumann. "Wenn der Umstieg von einer fossilen auf eine biobasierte Wirtschaft gelingen soll, müssen wir sowohl auf mehr Effizienz als auch auf mehr Nachhaltigkeit setzen", so Neumann.
Weiteres Potential
Die zentrale Frage für Bioraffineriekonzepte sei, wie weit sich die Produktion nachhaltig erzeugter Biomasse überhaupt ausweiten lasse. "Hier sage ich klar: Es gibt weiteres Potential. Ich gehe davon aus, dass es bei den weltweiten Ackerflächen noch gewisse Reserven gibt, ohne dafür wertvolle Naturflächen unter den Pflug nehmen zu müssen", sagte Neumann. Bei nachhaltiger Produktion und Ressourceneffizienz könne es mit Hilfe der Bioökonomie trotz wachsender Weltbevölkerung gelingen, für ausreichend Nahrung, Rohstoffe und Energie zu sorgen. Sowohl Neumann als auch Schütte sprachen sich jedoch gegen konkrete politische Zielmarken für die Entwicklung der Bioökonomie oder für Bioraffinerien aus. Sowohl das Bundesforschungs- als auch das Bundeslandwirtschaftsministerium setzten auf freiwillige Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, so die Vertreter der beiden Ressorts.
Vielfältige Möglichkeiten
Ministerialdirektor Hubert Steinkemper vom Bundesumweltministerium betonte, die Roadmap könne sich auch aus dem Blickwinkel des Umweltschutzes sehen lassen. "Im Gegensatz zu alternativen Energien sind alternative Rohstoffe noch nicht so vielfältig", so Steinkemper. Die Roadmap sei deshalb der Startpunkt für weitere Entwicklungen in diesem Bereich. "Für das Bundesumweltministerium ist die Entwicklung von Bioraffinerien und die stoffliche Nutzung von Biomasse eine wichtige Angelegenheit", erklärte Steinkemper. Das Ressort habe deshalb zwei Begleitstudien zur Roadmap aus Mitteln der Nationalen Klimaschutzinitiative gefördert. Für das Bundeswirtschaftsministerium erklärte darauf der Leiter der Abteilung Industriepolitik, Werner Ressing: "Wir brauchen die Bioökonomie und ich hoffe, dass sie in Deutschland kein Akzeptanzproblem bekommt." Aufgabe der Politik sei es deshalb, die Rahmenbedingungen für die biobasierte Wirtschaft zu verbessern. Bioraffinerien, die Pflanzen für verschiedene Produktlinien nutzten, hätten das Potential, herkömmliche Produktionsverfahren zu ersetzen und "darüber hinaus neue innovative Produkte hervorzubringen", so Ressing.
Vier wirtschaftliche Raffinerietypen
Beispiele dafür liefern die Ergebnisse der von den vier Ministerien eingesetzten Arbeitsgruppe: Die Roadmap listet neben Bioenergie und Biokraftstoffen diverse chemische Stoffe und Werkstoffe auf, die künftig aus Biomasse produziert werden könnten. Untersucht wurden neun verschiedene Bioraffinerietypen. Kommerziell einsetzbar sind laut Roadmap heute bereits vier Typen: Zuckerbioraffinerien, Stärkebioraffinerien, Pflanzenöl- sowie Zellstoffbioraffinerien. Weitere Forschungen seien hingegen im Bereich der Synthese- und Biogasraffinerien sowie bei Algenlipid-Raffinerien notwendig. Auch "Grüne Bioraffinerien", bei denen beispielsweise ein- oder mehrjährige Gräser und Getreide als feuchte Biomasse verwendet werden, müssten noch weiter entwickelt werden. Alle Raffinerietypen hätten jedoch das Potential, im Sinne einer Kaskadennutzung alle Komponenten der eingesetzten Biomasse in Energie und Rohstoffe sowie in Koppelprodukte wie Nahrungs- oder Futtermittel zu verwandeln.
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