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Strom direkt vermarkten: Ja, aber ...

am Mittwoch, 04.06.2014 - 09:29 (Jetzt kommentieren)

Berlin - Experten sind sich offenbar nicht einig, wie sich die im EEG geplante Direktvermarktung von Strom aus Erneuerbaren auswirkt. Einige plädieren dafür, Kleinerzeuger von der Vermarktungspflicht zu befreien.

Freiflächen-Photovoltaikanlage
Bis 2017 soll dem Reformvorschlag für das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) zufolge der komplette Ökostrom direkt vermarktet werden. Heute geschieht das bereits mit rund der Hälfe des Stroms aus erneuerbaren Quellen, wie mehrere Experten bei einer öffentlichen Anhörung des Wirtschafts- und Energieausschusses im Bundestag gesagt haben. Debattiert wurde dort am Montag über den EEG-Entwurf.

Doch ob die Umstellung auf Direktvermarktung bis 2017 tatsächlich Sinn macht und ob es gut ist, die Förderhöhe über Ausschreibungen zu ermitteln - darüber wurde heftig diskutiert. Denn auch die Experten sind sich nicht einig, wie sich diese Maßnahmen tatsächlich auswirken werden.

Bislang kann, wer Strom aus erneuerbaren Energiequellen wie Sonne und Wind erzeugt, diesen zu einem staatlich festgelegten Preis an die Netzbetreiber liefern. Die Differenz zum Marktpreis wird aus der EEG-Umlage beglichen. Die EEG-Novelle 2012 schuf zudem die Möglichkeit, Ökostrom am Strommarkt zu Marktpreisen zu verkaufen. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) fördert diese Direktvermarktung mit einer Marktprämie.

Strombörse und kommunale Unternehmen befürworten Ausschreibungen

Die Leipziger Strombörse (EEX) begrüßt die geplante Direktvermarktung ausdrücklich. Auch die Ermittlung der Förderhöhe mittels Ausschreibungen befürwortet die Strombörse. EEX-Vorstandschef Peter Reitz plädierte allerdings für eine leistungsbasierte Marktprämie, die sich danach richtet, wie viel Strom der Erzeuger liefern kann und nicht (arbeitsbasiert) danach, wie viel tatsächlich abgenommen wird.  
 
Auch der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) begrüßt den Umstieg auf eine verpflichtende Direktvermarktung von Strom aus erneuerbaren Energien. Sie müsse aber so ausgestaltet werden, dass man aus einer regionalen EEG-Anlage direkt mit EEG-Strom beliefert werden kann. Bei einer Direktvermarktung ließen sich Mehrerlöse erzielen, was zur Senkung der EEG-Umlage beitragen könne. Außerdem fordern die kommunalen Unternehmen eine "zügige Einführung des Ausschreibungsmodells". 

Ausnahmen für Kleinerzeuger

Für Kleinerzeuger sei der aktuelle Gesetzentwurf allerdings keine praktikable Lösung, kritisierte Michael Wübbels, Leiter der Abteilung Energiewirtschaft beim VKU. Er schlägt vor, bei Ausschreibungen "eine Größen-Untergrenze zu setzen und Kleinerzeugern den letzten bei einer Auktion ermittelten Preis, eventuell mit einem kleinen Zuschlag, zu zahlen". Außerdem empfahl er, verschiedene Ausschreibungsmodelle zu testen.

Anlagen unter 100 KW 'kritischer Faktor für die Energieversorgung'

Das in Norwegen ansässige Energieunternehmen Statkraft hält die Einführung einer verpflichtenden Direktvermarktung für sinnvoll. Wichtig sei es aber, auch Anlagen unter 100 Kilowatt Leistung mit einzuschließen. Schließlich handele es sich um 1,5 Millionen Anlagen, die einen kritischen Faktor für die Energieversorgung darstellen.
 
Die Erzeugung auch aus kleinen Anlagen müsse optimal prognostiziert und eingesetzt werden können. Deshalb sollten alle Anlagengrößen so schnell wie möglich direkt vermarktet werden. Allerdings hielt auch Statkraft-Repräsentant Stefan-Jörg Göbel Details des Gesetzentwurfs für änderungsbedürftig.

Ausschreibung und Direktvermarktung als Kostentreiber?

Während viele Sachverständige davon ausgehen, dass Ausschreibungen und Direktvermarktung helfen die Kosten der Energiewende zu senken, rechnet Professor Uwe Leprich (Institut für ZukunftsEnergieSysteme) mit dem Gegenteil.
 
Bisherige europäische Erfahrungen mit Ausschreibungen, ergänzte Jörg Müller vom Windanlagenbetreiber Enertrag AG, würden keinen einheitlichen Vorteil dieses Instruments zeigen. Vielmehr sei es zu steigenden Risikoprämien, Projektausfällen und einer Begünstigung großer Unternehmen gekommen. Auch eine wirtschaftlich sinnvolle Vermarktung fluktuierender Energie ohne Speichermöglichkeit sei praktisch nicht möglich.
 
Thomas E. Banning (Naturstrom AG) fürchtet, dass durch die verpflichtende Direktvermarktung kein Markt entstehe, sondern eine Marktkonzentration auf wenige Akteure. Professor Dietmar Lindenberger vom Energiewirtschaftlichen Institut den der Universität Köln folgte ihm dabei insoweit, als lokale Direktvermarktung eine sinnvolle Option sei, die stärker berücksichtigt werden müsse. Allerdings seien auch lokale Verbraucher zur Versorgungssicherheit fast immer auf das Netz als Back-Up angewiesen.
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Das sagt der Gesetzentwurf

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass "spätestens 2017 die finanzielle Förderung und ihre Höhe für die erneuerbaren Energien wettbewerblich über technologiespezifische Ausschreibungen ermittelt werden. Um Erfahrungen mit Ausschreibungen zu sammeln, wird die Förderung von Photovoltaik-Freiflächenanlagen als Pilotmodell auf ein Ausschreibungssystem umgestellt". Auf Grundlage dieser Erfahrungen ist vorgesehen, spätestens 2017 die Förderhöhe für erneuerbare Energien generell im Rahmen von Ausschreibungen wettbewerblich zu ermitteln.
 
Außerdem soll die Direktvermarktung von aus erneuerbaren Energien erzeugtem Strom verpflichtend werden. Die Direktvermarktung ist zunächst für Neuanlagen und ab einer Leistung von 500 Kilowatt ab 1. August 2014 vorgesehen. Ab 1. Januar 2016 sinkt die Grenze auf 250 Kilowatt und ab 1. Januar 2017 auf 100 Kilowatt. 
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