joule: Herr Wittmann, erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Beitrag über Erneuerbare Energien? Worum drehte es sich damals?
Franz Wittmann: Meine ersten Beiträge zum Thema Energie drehten sich nicht um die Erneuerbaren, sondern eher um das Energiesparen, zum Beispiel um Wärmedämmung bei Wohnhäusern, und um Wärmerückgewinnung. Das war bald nachdem ich 1977 zum Landwirtschaftlichen Wochenblatt gekommen war mein eigentliches Metier.
Sie haben Architektur studiert. Wie sind Sie zum Wochenblatt und zum Journalismus gekommen?
In die Redaktion kam ich direkt nach dem Abschluss meines Architekturstudiums. Das Ressort Planen und Bauen, das mir übertragen wurde, existierte bis dahin nicht. Und unter den Redaktionskolleginnen und kollegen, die überwiegend Ökotrophologinnen und Agraringenieure waren und sind, war ich ein wenig Exot. Ganz ehrlich: Ich wusste zwar Bescheid über Baustoffe und Bauphysik und wie man Wohngebäude plant, aber über Stallbau hatten wir in den Vorlesungen nichts mitbekommen, geschweige denn über Alternativenergien. Immerhin hatte ich von Journalismus ein wenig Ahnung, weil ich in der Studienzeit Lokalberichterstattung für unsere Heimattageszeitungen gemacht hatte.
Hatten Sie denn zunächst überhaupt keinen Bezug zur Landwirtschaft?
Doch. Wir hatten zuhause in Niederbayern eine ganz kleine Nebenerwerbslandwirtschaft mit einer Handvoll Kühen, Schweinen und der ganzen Palette an Feldfrüchten und ein wenig Wald. Die paar Hektar bewirtschaften wir heute noch selbst mit Kartoffeln zur Direktvermarktung, Raps und Getreide. Von diesen Wurzeln konnte ich auch das ganze Berufsleben zehren. Vor allem habe ich versucht, bei den redaktionellen Themen nie die kleineren Betriebe aus dem Auge zu verlieren, weil sie nach wie vor einen guten Teil dazu beitragen, dass die Auflage des
Landwirtschaftlichen Wochenblatts konstant bei 100.000 liegt.
Was war der Anlass für das Bayerische Landwirtschaftliche Wochenblatt, sich auch mit Energiethemen zu beschäftigen?
Die Erneuerbaren Energien sind in der Landwirtschaft ja grundsätzlich nichts Neues. Deswegen waren vor allem das Heizen mit Holz, die Windenergie oder die Wasserkraftnutzung schon immer im Wochenblatt, das es übrigens seit 1810 gibt, präsent, wenn auch nur sporadisch. In einer Ausgabe von 1814 findet sich zum Beispiel die ausführliche Beschreibung einer windgetriebenen Wasserpumpe mitsamt ausfaltbarer Funktionszeichnung. In den 1970er-Jahren gab es dann verstärkt Aktivitäten, um alternative Energiequellen in der Landwirtschaft zu nutzen. Auslöser dafür waren die so genannte Energiekrise Anfang der Siebziger und die Heizölpreise, die sich plötzlich verdoppelt hatten. Mit Biogas, Wärmerückgewinnung aus der Stallluft und aus der Milch, solarer Warmwasser- und Trocknungslufterzeugung und neuen Holzheiztechniken wurde in dieser Zeit nicht nur experimentiert, sondern zumindest ein Teil davon kam auch in die Praxis. Da wollten und mussten wir selbstverständlich dabei sein.
Da wurde also schon das Ressort Energie eingeführt?
Zunächst handelten mein Kollege Karl Bauer und ich die Energiethemen in unseren Ressorts Landtechnik und Planen und Bauen ab. 1979 brachten wir eine umfangreich Sonderbeilage mit dem Titel Energie `80 und ab Anfang der 1980er-Jahre betreute ich dann die neu installierte Rubrik Energie allein. Photovoltaik spielte sich ja damals noch im Weltraum ab. Nach der Ölkrise wurden in erster Linie Solarwärmeanlagen gebaut.
Haben Sie auch vor allem über Biomasse und Solarthermie berichtet?
Das mit der Photovoltaik stimmt nicht ganz. In der besagten Beilage von 1979 hieß ein Beitrag Mit Sonnenstrom ins neue Jahrzehnt. Verschiedene Anwendungsfälle für Solarzellen deuteten sich nämlich an, in erster Linie als Insellösungen für die Eigenstromversorgung. Aber trotzdem war Photovoltaik vor allem etwas für begeisterungsfähige Individualisten. Denn, so war in dem Beitrag vermerkt, die Siliziumzellen kosteten zu der Zeit noch zwischen 18 und 25 Mark je Watt Leistung.
Ein alltagstauglicher Anwendungsfall waren Solar-Weidezaungeräte.
Und wie war es mit den anderen Erneuerbaren?
Auf dem Biogassektor herrschte Ende der 1970er-Jahre viel Optimismus. Besonders bei der Landtechnik Weihenstephan wurde da geforscht und experimentiert. Treibende Kraft dort war Dr. Heinz Schulz, ein absoluter Praktiker einerseits und andererseits bei den Erneuerbaren Energien ein Visionär. Er hatte zunächst Selbstbausystem für landwirtschaftliche Gebäude entwickelt, verschrieb sich aber dann ganz den Erneuerbaren Energien. Die Selbstbausysteme für Warmwasserkollektoren hatten in Weihenstephan ihren Anfang, ebenso gab es Selbstbaukurse und Bauanleitungen für verschiedene Kleinwindkraftanlagen und für Warmluftkollektoren zu Trocknungszwecken. Schulz experimentierte darüber hinaus mit Erdwärmenutzung, mit der Wärmenutzung aus der Festmistrotte und vielem mehr. Das Wochenblatt gab ihm ein Forum, um seine Ideen zu multiplizieren. Parallel zu Schulz arbeitete in Freising-Weihenstephan Dr. Arno Strehler an der Weiterentwicklung von Holzheizungssystemen. Er verhalf der Zentralheizungstechnik auf Holzbasis zum Durchbruch. Scheitholzkessel wurden durch neue Abbrandprinzipien effizienter und umweltfreundlicher. Eine Erfolgsgeschichte wurden vor allem die Hackschnitzelheizungen mit automatischer Beschickung. Beim Biogas war übrigens die große Euphorie Mitte der 1980er-Jahre wieder verpufft.
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Wie ging es weiter mit Ihrem Energie-Ressort?
1983 hatte ich ein vierwöchiges Energieberaterseminar mitgemacht, um mir weiteres Basiswissen über Biogas, Wasser- und Windkraft, Wärmepumpen und Solarenergie anzueignen. Es gab auch genügend veröffentlichungswürdige Themen. Aber es brauchte manchmal ein wenig redaktionsinternen Kampf, um für sie Platz im Wochenblatt zu finden. Denn erstens hatten die Bioenergien in der breiten Öffentlichkeit vor 30 Jahren noch erhebliche Akzeptanzprobleme und stießen auch in der Landwirtschaft nicht auf ungeteiltes Interesse. Zweitens lebt eine Zeitschrift nicht nur von den Abonnementeinnahmen, sondern genauso von den Anzeigen. Und die waren zu den Erneuerbaren Energien anfangs dünn gesät, mit Ausnahme der Holzheiztechnik. Keine Inserate, keine redaktionellen Seiten ganz so drastisch ist es zwar nicht, doch ein gewisser Zusammenhang besteht.
Wann sind denn die Anzeigen mehr geworden?
Erst vor etwa 15 Jahren sind die Anzeigen zu den Erneuerbaren Energien kontinuierlich mehr geworden, zunächst zur Biogastechnik, schließlich zur Photovoltaik und jetzt auch zur Windenergie. Das redaktionelle Umfeld mit regelmäßig mehreren Energieseiten in jedem Heft hatten wir längst geschaffen. Allerdings glaube ich, dass manche Werbeetatveranwortlichen, speziell in der PV-Branche, bis heute nicht so ganz realisiert haben, welche große Bedeutung der Absatzmarkt Landwirtschaft für ihre Produkte hat.
Interview-Teil 2: "Mich wundert der sorglose Umgang mit der Energie"
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