Eines ist klar: An die europarechtlichen Regelungen ist auch die aktuelle Bundesregierung gebunden. Neu ist aber, dass es eine gemeinsame Linie zwischen den beiden Ministerien gibt. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Bundesumweltministerin Steffi Lemke haben dazu heute ein gemeinsames Eckpunkte-Papier vorgestellt.
Demnach gelten in Deutschland zukünftig verbindliche Regeln für den Artenschutz beim Windausbau. Das soll den Weg frei machen für mehr Windenergie-Flächen an Land. „Auf diese Einigung haben viele zu lange warten müssen: Windmühlenbauer, Energieunternehmen, Länder und Kommunen“, sagte Habeck bei der Vorstellung der Eckpunkte. Laut dem Minister wird der Suchraum für geeignete Standorte nun erheblich vergrößert. Für die Länder gebe es nun mehr Rechtssicherheit bei Entscheidungen und die Genehmigungsverfahren seien zügiger durchführbar. Abweichende Regelungen der Länder sind bis auf wenige Ausnahmen nicht mehr möglich.
Windanlagen an Land: Schnellerer Ausbau durch bundeseinheitliche Standards
Als nächsten Schritt steht nun an, den im Koalitionsvertrag vereinbarten Pakt mit den Ländern umsetzen, um die Behörden vor Ort besser mit Personal und technischer Infrastruktur auszustatten.
Durch das Eckpunkte-Papier werden erstmals bundeseinheitliche, gesetzliche Standards für die Prüfung und Bewertung geregelt, inwieweit eine Windenergieanlage das Kollisionsrisiko für gefährdete Vogelarten signifikant erhöht (sogenannte Signifikanzprüfung). Diese Standards sollen im Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) festgelegt werden. Unter anderem ist vorgesehen, dass die Bewertung des Kollisionsrisikos für gefährdete Vogelarten mit Windenergieanlagen anhand einer abschließenden bundeseinheitlichen Liste kollisionsgefährdeter Brutvogelarten erfolgt.
Darüber hinaus sollen zukünftig artspezifische Tabubereiche in genau definiertem Abstand zum Brutplatz sowie ein zusätzlicher Prüfbereich berücksichtigt werden müssen. Die Anforderungen an die Nachweise im Prüfbereich werden vereinfacht. Außerhalb des Prüfbereichs ist keine weitere Prüfung mehr erforderlich. Mit Blick auf Vermeidungsmaßnahmen wird eine Zumutbarkeitsschwelle für die Vorhabenträger festgelegt. Außerdem sollen artenschutzrechtliche Ausnahmen für die Genehmigung von Windenergieanlagen an Land zukünftig einfacher und rechtssicher erwirkt werden können. Liegen die dafür festgelegten Anforderungen vor, ist dann eine Ausnahme ohne behördliches Ermessen zu erteilen.
(A)= sehr hohe Mortalitätsgefährdung1 (B) = hohe Mortalitätsgefährdung (C) = mittlere Mortalitätsgefährdung | Nahbereich/ Innerer Schutzbereich | Zentraler Prüfbereich | Erweiterter Prüfbereich | |
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Prüfbereich | ||||
1 | Seeadler (A) | 500 | 2.000 | 5.000 |
2 | Fischadler (A) | 500 | 1.000 | 3.000 |
3 | Schreiadler (A) 2 | 1.500 | 3.000 | 5.000 |
4 | Steinadler (A) 2 | 1.000 | 3.000 | 5.000 |
5 | Wiesenweihe (A) 3 | 400 | 1.500* | |
6 | Kornweihe (A) 2 | 400 | 1.500* | |
7 | Rohrweihe (B) 3 | 400 | 1.500* | |
8 | Rotmilan (B) | 500 | 2.000* | |
9 | Schwarzmilan (B) | 500 | 1.500* | |
10 | Wanderfalke (B) | 500 | 1.000* | |
11 | Baumfalke (B) | 350 | 500* | |
12 | Wespenbussard (B) | 500 | 1.000 | 2.000 |
13 | Schwarzstorch (B) 4 | 500 | 3.000 | 5.000 |
14 | Weißstorch (B) | 500 | 1.500* | |
15 | Sumpfohreule (B) 2 | 500 | 1.000 | 2.500 |
16 | Uhu (C) 3 | 500 | 1.000 | 2.500 |
*hier keine Unterscheidung zwischen zentralem Prüfbereich und erweitertem Prüfbereich
Erläuterungen:
1 Die Einstufung der artspezifischen Mortalitätsgefährdung an WEA erfolgt nach Bernotat & Dierschke (2021).
2 Sehr seltene Arten mit nur regionaler Verbreitung und wenigen Brutpaaren in Deutschland. Der Schutz ihrer Vorkommen ist für den Naturschutz prioritär und für den Windausbau (2%) wenig relevant.
3 Nur dann kollisionsgefährdet, wenn die Höhe der Rotorunterkante weniger als 30 bis 50 m bzw. in hügeligem Gelände weniger als 80 m beträgt.
4 Nur Jungtiere gelten als kollisionsgefährdet.
Ersatz alter Windräder soll erleichtert werden
Das Repowering von Windenergieanlagen an Land, das heißt der Ersatz alter durch neue und leistungsstärkere Anlagen, soll erleichtert werden, indem bestehende Vereinfachungen aus dem Immissionsschutzrecht ins Naturschutzrecht überführt und konkretisiert werden. Damit werden beim Repowering Erleichterungen geschaffen, indem für viele dieser Projekte die zeitaufwendige Alternativenprüfung entfallen wird.
Abschließend macht das Papier wichtige Vorgaben zur Nutzung von Landschaftsschutzgebieten (LSGs) für die Windenergie an Land. Bis das im Koalitionsvertrag vorgesehene Flächenziel für Windenergie an Land in Höhe von zwei Prozent der Bundesfläche erfüllt ist, sollen Windenergieanlagen demnach grundsätzlich innerhalb von Landschaftsschutzgebieten (LSG) zulässig sein. Die konkrete Flächenausweisung obliegt dabei nach wie vor den zuständigen Planungsbehörden.
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