
Darauf deuten jedenfalls Handelsdaten der Leipziger Strombörse EEX hin, die in Deutschland der zentrale Umschlagplatz für Terminkontrakte rund um die Energiemärkte ist. Anfang vergangener Woche wurde dort der langfristige Strom-Future Phelix, der im Jahr 2016 fällig wird, zu einem Preis von 59,40 Euro pro Megawattstunde (MW) gehandelt. Zum Vergleich: Der Future mit Fälligkeit im kommenden Jahr wurde zu 57,75 Euro/MW abgerechnet, also nur knapp drei Prozent unter dem langfristig von den Börsianern erwarteten Preis. Zwar ist der Handel mit langfristigen Futures dünner als für Termine mit überschaubareren Fälligkeiten. Trotzdem haben die Kurse an der EEX Aussagekraft.
Wie Daniel Wragge, Leiter für politische Kommunikation an der EEX, in einem von der Agentur für Erneuerbare Energien organisierten Pressegespräch erläuterte, werden an der Börse in Leipzig etwa 20 bis 30 Prozent des tatsächlichen Stromverbrauchs gehandelt. Auch Banken und Broker, die kein Interesse an physischer Ware haben, sind am Terminmarkt aktiv, betont Wragge. Nach seiner Einschätzung sind wir auf dem Weg zu einem europäischen Preis für Strom. Ein solcher gesamteuropäischer Preis könnte günstiger für alle sein. Mehr Gebote könnten auf diese Weise erfüllt werden, erläutert der Börsenexperte.
Termin- und Spotmarktgeschäft in Leipzig
Der massive Aufschwung der erneuerbaren Energien in Deutschland betrifft auch die Leipziger Strombörse. Stromhändler decken dort am Terminmarkt lang- und am Spotmarkt kurzfristig ihren Bedarf. Jeden Tag um 12 Uhr mittags wird dort auf Stundenbasis der Preis für die Strommengen des nächsten Tages per Auktion festgelegt. Im Intraday-Geschäft können Stromkontrakte sogar bis zu 45 Minuten vor Lieferung gehandelt werden. Kann ein Stromversorger dann seinen Fahrplan nicht mehr ausgleichen, muss der Netzbetreiber einspringen über die Bereitstellung der sogenannten Regelenergie, mit der ein Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage geschaffen wird.
Anbieter positionieren sich
Solche Regelenergie könnten nach den Erwartungen von Daniel Hölder aus dem Vorstand des Bundesverbandes BioEnergie (BBE) künftig Biogasanlagen verstärkt bereitstellen. Bereits heute werden erhebliche Strommengen aus fluktuierenden und steuerbaren Erneuerbare-Energien-Quellen gemeinsam in den Markt integriert, betont Hölder, der sein Geld bei der Clean Energy Sourcing verdient, einem der führenden Anbieter von grünem Strom in Deutschland. Nach seiner Darstellung bewerben sich derzeit mehrere Anbieter als Partner bei Anlagenbetreibern für die Umsetzung der Direktvermarktung im novellierten Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das im kommenden Jahr in Kraft tritt. Eine der Neuerungen im Gesetz: Neue Biogasanlagen ab einer Größe von 750 kW müssen ab 2014 in die Marktprämie und damit in die Direktvermarktung wechseln.
Hölder geht davon aus, dass der Absatz über die Direktvermarktung auch für kleinere Biogasanlagen interessant wird und diese die Marktprämie mitnehmen, wenn sie Regelenergie anbieten. Gleichzeitig weist er darauf hin, dass dieser Umstieg auch mit Aufwand verbunden ist. So müssen Biogasanlagenbetreiber mit Regelenergie beispielsweise dazu bereit sein, ihre Anlagen abschalten zu lassen, wenn dies wegen der Nachfragelage notwendig ist. Dem stehen Mehreinnahmen gegenüber. Bei Marktbeobachtern ist von Zusatzerlösen in einer Größenordnung von etwa 10.000 Euro pro Jahr für 500-kW-Biogasanlagen für den Einstieg in den Regelenergiemarkt die Rede.
Sinnlose Mehrkosten der Marktprämie kritisiert
Trotz dieser Entwicklungen hält Hölder die Instrumente der Direktvermarktung im novellierten EEG für unbefriedigend. Die Marktprämie sei auf große Akteure zugeschnitten und verursache sinnlose Mehrkosten bei den fluktuierenden erneuerbaren Energien. Für zu niedrig bemessen hält der BBE-Vorstand die neu geschaffene Flexibilitätsprämie. Hingegen führen die neu verankerten Einschränkungen beim Grünstromprivileg nach seiner Einschätzung dazu, dass dieser Vorteil bei der Vermarktung regenerativer Energie faktisch abgeschafft wird.
Das Grünstromprivileg gewährt bislang eine Befreiung von der EEG-Umlage, wenn ein Anbieter einen Großteil seines Stroms aus regenerativen Quellen bereitstellt. Hölder bedauert daher, dass künftig wegen der neuen Spielregeln Endkunden nur noch im Ausnahmefall mit Ökostrom aus EEG-Anlagen versorgt werden können. Der Einstieg in die neue Rolle der Bioenergie im Strommarkt bleibt auf Biogas begrenzt, konstatiert der Manager von Clean Energy Sourcing.
Grauer statt grüner Strom an der Börse
Während das Grünstromprivileg bislang zur Profilierung von Ökoenergieanbieter genutzt werden konnte, fehlt es an der Börse bislang an einem Segment für EEG-Strom. An der Leipziger EEX wird grüner Strom nicht gehandelt; dort decken Termin- und Spotmarkt nur sogenannten grauen Strom ab, also Strom, dessen Ursprung nicht vermarktbar ist. Trotzdem hat Ökostrom dort fühlbare Auswirkungen auf das Angebot - indem Sonnen- und Windkraft mit ihren gegen null tendierenden variablen Kosten nämlich Preisspitzen kappen. Das gilt beispielsweise für die Mittagszeit an sonnigen Tagen, wenn Photovoltaikanlagen viel Strom ins Netz geben können.
Ein hohes Angebot an erneuerbaren Energien führt dann an der Börse wegen der großen insgesamt verfügbaren Strommengen in Extremzeiten sogar zu negativen Preisen - für den Bezug von Elektrizität aus regenerativen Quellen erhalten die Abnehmer also noch Geld obendrauf, statt dafür zahlen zu müssen. Gleichzeitig treibt dies die EEG-Umlage, die sich aus der Differenz von Marktpreis und Einspeisevergütung ergibt, in die Höhe. Mit wachsenden Ökoenergiemengen könnte es künftig verstärkt zu solchen Preisausschlägen an der Börse kommen. EEX-Manager Wragge verschließt sich vor diesem Hintergrund Überlegungen nicht, grünen Strom handelbar zu machen. Hierfür könnte es laut seiner Einschätzung durchaus Marktmodelle geben.
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