Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Kopernikus-Projekt Ariadne legt in seinem umfassenden Modellvergleich Erkenntnisse zu Transformationspfaden, Spielräumen und Engpässen dar. Zehn unterschiedliche Modelle wurden in die Studie integriert und sechs verschiedene Szenarien erarbeitet.
Erneuerbare Energien brauchen massiven Aufschwung
„Klimaneutralität erreicht man nicht von heute auf morgen, deshalb müssen schon zu Beginn der nächsten Legislaturperiode wichtige Entscheidungen getroffen werden. Denn es gibt kaum kurzfristige Spielräume, um auf den Weg zu bringen, was in ein paar Jahren greifen soll – allem voran ein massiv beschleunigter Ausbau von Wind- und Sonnenergie“, erklärt Gunnar Luderer, Vize-Leiter des Ariadneprojekts am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung PIK. Zwar rücken erneuerbarer Strom, grüner Wasserstoff, grüne E-Fuels sowie nachhaltig erzeugte Biomasse immer stärker an die Stelle der fossilen Brennstoffe, demgegenüber stehen jedoch langlebige vorhandene Infrastrukturen. „In der Politik wird oft noch unterschätzt, wie tiefgreifend der notwendige Umbau zur Klimaneutralität 2045 ist“, so Luderer.
Industrie, Wohnen und Verkehr: Überall große Anstrengungen nötig
Die Transformation der Sektoren Industrie, Gebäude und Verkehr ist eine besonders große Herausforderung: Die im Klimaschutzgesetz festgelegten Ziele werden trotz einer deutlichen Beschleunigung der Emissionsminderungen in vielen Szenarien nicht eingehalten. „Stehen heute noch fossile Brenn- und Rohstoffe im Mittelpunkt von zum Beispiel Stahl- oder Chemieproduktion, werden auf einem Kurs zur Klimaneutralität Strom und Wasserstoff künftig die wichtigsten Energieträger für die Industrie sein“, sagt Andrea Herbst, Ko-Leiterin des Ariadne-Arbeitspakets Industriewende am Fraunhofer-Institut für System und Innovationsforschung ISI.
„Der Zeithorizont bis 2030 ist dabei entscheidend, denn in diesem Zeitraum müssen CO2-neutrale Verfahren vom Pilot- und Demonstrations-Maßstab auf industrielles Niveau skaliert und wirtschaftlich betrieben werden.“ Zentrale Herausforderungen seien dabei die höheren laufenden Kosten CO2-neutraler Technologien, der Infrastrukturausbau, die effektive Umsetzung von CO2-Preis-Signalen und die Reduzierung von Unsicherheiten bezüglich großer strategischer Investitionen.
Sorgenkind bleibt die Mobilität
Das größte Potenzial zur Emissionsminderung liegt im Individual- und im straßengebundenen Güterverkehr. „In dieser Dekade müssen wir bedeutende Schritte in der Antriebswende gehen“, sagt Florian Koller, Leiter des Ariadne-Arbeitspakets Verkehrswende am Institut für Verkehrsforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt DLR. Mit mindestens 14 Millionen Elektro-PKWs im Bestand des Jahres 2030 müsste die Elektrifizierung im Personenverkehr rund 40 Prozent höher liegen als für den Kurs Klimaneutralität 2050.
Im Modell liege der CO2-Preis 2025 bei 100 Euro pro Tonne, bisher geplant ist ein Preis von 55 Euro. 2030 liege der CO2-Preis bei 300 Euro, 2045 bei 500 Euro, so Koller, daraus resultiere „eine Erhöhung des Benzinpreises bis auf durchschnittlich 2,50 Euro im Jahr 2030. Die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung können und sollten jedoch an die Menschen zurückverteilt werden, um einkommensschwache Haushalte nicht zu belasten.“
Appell an die neue Bundesregierung
Die neue Studie von mehr als 50 Forschenden aus mehr als 10 Instituten zeigt: Die Stromerzeugung aus Wind und Sonne müsste bis 2030 etwa 50 Prozent größer sein als bislang angestrebt.
Zahlreiche deutsche Unternehmen verlangen ausgehend der Ergebnisse deutlich mehr Tempo beim Klimaschutz. Der Appell kam passend zu Beginn der vertieften Sondierungsgespräche von SPD, Grünen und FDP über eine mögliche Koalition. Die Politik müsse die Ausbaupfade deutlich anheben und Genehmigungsverfahren beschleunigen, sonst bliebe es unwahrscheinlich, die Klimaziele bis 2045 überhaupt erreichen zu können.
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