
Zuletzt sind die Strompreise deutlich gefallen. Nach den Daten des Vergleichsportals Verivox kostet Strom für Neukunden derzeit nur noch 29 Cent je kWh. Zeitweise waren die Strompreise im vorigen Dezember schon einmal auf 55 Cent und höher gestiegen. Danach ging es jedoch wieder nach unten. Das die Strompreise weiter zurückgehen, ist nach Einschätzung von Energieexperten nicht sehr wahrscheinlich.
Denn mit der Energiewende der Bundesregierung, wird die Nachfrage nach Strom künftig durch deutlich mehr Wärmepumpen und E-Autos erheblich schneller wachsen. Wahrscheinlich schneller als das Angebot. Diesen schnell wachsenden Strombedarf hält Jürgen Karl von der Friedrich-Alexander-Universität Nürnberg-Erlangen für das Nadelöhr der Energiewende. „Wenn der Ausbau der Erneuerbaren Energien nicht schnell genug gelingt, werde eine Stromlücke entstehen, sagt Karl auf tageschau.de.
Der Energieexperte glaubt deshalb, „dass Gaskraftwerke auch in Zukunft immer häufiger eingesetzt werden müssen“. Große Stromversorger haben dies auch schon angekündigt und bauen zudem neue Gaskraftwerke um die Versorgungssicherheit zu gewährleichten. Bei steigenden Gaspreisen würde sich das Hochfahren der Gaskraftwerke wiederum preisbildend auf den Strompreis auswirken. Karl hält vor diesem Hintergrund „einen Strompreis von 60 bis 80 Cent pro Kilowattstunde durchaus bis 2030 für realistisch“.
Schuld daran ist die immer größer werdende Stromlücke: Detlef Stolten, Leiter des Instituts für Energie- und Klimaforschung am Forschungszentrum Jülich, hat für das ARD-Wirtschaftsmagazin Plusminus berechnet, wie groß eine Stromlücke werden kann. Das Ergebnis sei eine Stromlücke von 104 Gigawatt. „Auf einen ganz simplen Nenner gebracht, fehlt 2030 ungefähr ein Drittel Kapazität, wenn weiterhin so ausgebaut würde wie die letzten zwei Jahre.“
Stromlücke wird immer größer – keine Sicherheit mehr
Zu ähnlichen Ergebnissen kommt die Unternehmens- und Strategieberatung McKinsey in einer Studie. Dort heißt es: Lange Zeit war Deutschland Spitzenreiter, wenn es um sichere Stromversorgung ging. 2020 mussten hiesige Verbraucher im Schnitt nur etwa 15 Minuten mit Stromausfällen rechnen. Frankreich kam im gleichen Zeitraum auf 21 Minuten, Österreich auf 38 und Bulgarien gar auf 370 Minuten.
„Von der grundsätzlich hohen Versorgungssicherheit profitieren nicht nur die Privathaushalte, sondern auch die Industrie, die auf ein stabiles Stromnetz essenziell angewiesen ist“, sagt Thomas Vahlenkamp, Senior Partner von McKinsey. Doch die gesicherte Leistung nimmt ab: Standen im Jahr 2010 noch 105 GW zur Verfügung, waren es Ende 2022 noch 90 GW. Bleibt es bei den Ausstiegsplänen aus Kohle und Kernkraft, könnten es bis 2025 nur noch 80 GW und bis zum Ende des Jahrzehnts 70 GW sein.
Addiert man zusätzlich die Kapazität aus erneuerbaren Energien (EE), die statistisch im Bedarfsfall zur Verfügung steht, beträgt die verfügbare Leistung zu Spitzenlastzeiten 99 GW (2022), 92 GW (2025) und 90 GW (2030) – vorausgesetzt, die Ausbauziele der Bundesregierung für die Erneuerbaren Energien werden erreicht.
Vahlenkamp sagt dazu: „Spitzenreiter war gestern – die Kombination aus sinkender gesicherter Kapazität und durch die Elektrifizierung steigender Spitzenlast kann zu Versorgungslücken führen. Selbst bei einem flächendeckenden Umstieg auf Erneuerbare sind weitere Maßnahmen nötig, um das System zu stabilisieren.“
Reichen die angebotsseitigen Hebel nicht aus, kann auch Nachfragesteuerung zur Schließung von Versorgungslücken beitragen (Abschaltung von E-Autos und Wärmepumpen).
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