Es ist die Wahl zwischen Pest und Cholera: Wenn Deutschlands Wälder nicht mit einbezogen werden, wäre die Energiewende nicht zu schaffen. Überhaupt: Windräder täten ohnehin niemandem weh, wenn sie versteckt zwischen Fichten und Buchen ihren Dienst tun. Außerdem ließe sich damit Geld verdienen!
Die Diskussion ist ein schönes Beispiel, wie Klimaschutz gegen Naturschutz ausgespielt werden soll. Wie kurzsichtige Entscheidungen langfristige Folgen nach sich ziehen. Wie nur eine Funktion des Waldes ins Licht gerückt wird und die anderen im Schatten bleiben sollen.
Wald muss Wald bleiben
Dabei ist klar, die Entscheidungsträger bringen nicht den Wald ins Spiel, weil er die beste Wahl für ein Windrad ist, sondern weil hier die Widerstände am geringsten erscheinen. Da zeigt sich, wie Politiker jahrelang den Menschen vorgelogen haben, alles sei ohne Einschränkungen machbar. Jetzt muss es hoppladihopp gehen. Waldbesitzer ködert man, indem man ihnen Gewinne in Aussicht stellt. Viel besser als eine Empfehlung wieder nur auf Fichten zu setzen, ist das auch nicht.
Ich glaube, Wald sollte frei von Windrädern bleiben. Gerade wegen des Klimas, wegen der Natur und wegen der Menschen.
Die Ausgangssituation ist bekannt: Um die Klimakrise in den Griff zu bekommen, müssen CO2-Emissionen runter. Das geht über den Verbrauch und über Erneuerbare Energien. Damit Deutschland die Ziele erreichen kann, geht man das Thema Verbrauch nur zaghaft an. Und setzt voll auf den Ausbau der Windkraft. Bis zum Jahr 2030 liegt das Ziel der Windenergieleistung laut EEG bei 71 GW. Ambitionierter will es das BMWI mit 80 beziehungsweise das UBA mit 105 GW. Dahinter stecken 0,8, 0,9 oder 1,3 Prozent der Landesfläche. Im Koalitionsvertrag der Ampel stehen sogar 2 Prozent. Nicht viel, eigentlich.
Windenergie verschärft den Streit um Flächen
Wieviel das in Windrädern ist, ist schwer zu sagen; alte Anlagen werden ersetzt, neue leisten mehr. Heute sind es rund 30.000 Windräder. 2030 könnten es nur 10.000 mehr sein. Oder auch doppelt so viele. Kommt darauf an, wen man fragt. Jedenfalls ist klar: Auch im Bereich Windenergie wird sich der Streit um die Fläche eher verschärfen. Also weicht man dahin aus, wo politisch am wenigsten Gegenwehr zu erwarten ist. Den Wald.
Die Befürworter von Windmühlen über Kronen verweisen darauf, dass unsere Gesetzgebung einen engen Rahmen für den Ausbau in den Wäldern setzen würde. Nur geringe Flächen seien betroffen, höchsten 0,2 Hektar. Das hört sich an, als wäre es nur ein größeres Wohnzimmer, das da versiegelt wird. Zudem ginge es nur um ökologisch uninteressante Wälder. Das Ökosystem wäre kaum betroffen, die Tiere würden sich schon daran gewöhnen. Der Charakter der Wälder würde sich nicht verändern. Sicher, jedes Atomkraftwerk ist ästhetisch schlimmer, aber zu behaupten, ein Windrad verändere nicht den Charakter? Das geht nur beim Horizont einer Waldameise.
Wo stehen die meisten Windkraftanlagen im Wald?
Zurzeit stehen die meisten Windenergieanlagen im Wald in Rheinland-Pfalz, danach folgen Brandenburg, Bayern, Hessen und Baden-Württemberg. Mecklenburg-Vorpommern. Thüringen und Schleswig-Holstein schließen über Windenergieerlasse Wälder als Standort für Windräder aus. In Niedersachsen ist die Diskussion in vollem Gange.
Aber sieht man sich die Realität an und schließt aus dem Verhalten vergangener Jahrzehnte, sind die Vorgaben und Versprechungen mit Vorsicht zu genießen. Ist einmal eine Schneise im Wald, kommt in zehn Jahren eine neue hinzu. Die Gewöhnung tut ihr Übriges.
Keine Tabus: deswegen Windräder in Wohngebiete
Auch für FFH-Gebiete oder Biosphärenreservate dürfe es keine Tabus geben. Landschaftsschutzgebiete gelten eh als Schutzgebiete dritter Klasse, da wäre ohnehin Platz genug. Ja, wenn Schutzgebiete eh nicht gelten, warum schafft man sie nicht generell ab? Auch der Verweis auf ökologisch uninteressante Gebiete ist aus ökologischer Sicht unpassend. Alle wollen in Deutschland naturnahe Wälder, die den Waldbesitzern ein Auskommen sichern, klimastabil sind und noch dem Wasser-, Arten- und Naturschutz dienen. Und auch noch der Erholung. Diesen Konsens sollte man nicht leichtfertig über Bord werfen. Der Wald soll gerade keine reine Rohstofffabrik mehr sein. Das erklärt man immer wieder den vielen Waldbesitzern, großen wie kleinen. Baut euren Wald zum Wohle aller um.
Den Waldbesitzern mutet die Politik viel zu und lässt sie in weiten Teilen allein. Sie jetzt damit abzuspeisen, dass Windkraft die Wiederbewaldung bezahlen soll, dient weder den Waldbesitzern noch dem Wald.
Windräder dort bauen, wo die Energie gebraucht wird
Wie ließe sich nun das Dilemma lösen? Zunächst gilt es alle anderen Möglichkeiten ausschöpfen. Das heißt entlang von Autobahnen, Gewerbegebieten so viele Anlagen aufstellen wie möglich. Dann – und da stimme ich allen Windkraftbefürwortern zu – die Scheuklappen fallen lassen. Warum sollen Landwirte und Waldbesitzer Windräder und Stromtrassen immer durchwinken?
Baut Windräder endlich dorthin, wo die Energie verbraucht wird. Stellt Windräder in die Nähe der Wohngebiete. Pflastert die Kirchen mit Solaranlagen. Überbaut die Autobahnen mit Photovoltaik. Nutzt zuerst die Flächen, die eh verloren sind für den Wasserhaushalt, den Arten- und Klimaschutz. Dann, ganz am Ende diskutiert über neue Flächen. Den Wildtieren testiert man, dass sie sich schon daran gewöhnen, wenn irgendwo ein Windrad steht. Aber dem Menschen sind Windräder nicht zuzumuten?
Schließlich, ganz am Ende, gibt es noch einen letzten, vielleicht verklärten Blick auf die Wälder, ein romantisches Argument gegen Windräder im Wald: Deutschland ist durch und durch zivilisiert, durchgetaktet und mit Technik vollgestopft. Vielleicht sollte es noch ein Stück geben, wo zumindest die Illusion vorhanden ist, in so etwas wie Natur zu sein. Mit einem sich drehenden Windrad über den Köpfen geht das nicht.
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