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Reportage

Altes Handwerk ganz modern

Dieser Artikel ist zuerst in der Fleckvieh erschienen.

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am Dienstag, 02.10.2018 - 15:20

Jeder hat sie schon mal gesehen, die wunderschönen Glocken mit aufwändig bestickten Lederriemen und Wollfransen, die vor allem die Siegertiere auf Tierschauen erhalten. Wir waren zu Besuch bei der Sattlerei und Stickerei Trocker in Klausen, die diese begehrten Schmuckstücke seit drei Generationen herstellt.

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Sie sind der Stolz eines jedes Rinderhalters, Glocken oder Schellen mit schönen, oft aufwändig bestickten, ledernen Halsriemen. Vor allem im alpenländischen Raum werden sie häufig als Preise für die Siegertiere der Tierschauen vergeben. So auch in Südtirol, wo vor allem im Frühjahr zahlreiche größere und kleinere Schauen stattfinden. Hochsaison für Cristian Trocker, der die Sattlerei und Stickerei Trocker nun schon in dritter Generation fortführt und dessen Hauptgeschäft die Anfertigung eben dieser Halsriemen ist.

Doch während sein Großvater das Sattlerhandwerk in Kastelruth noch beim Sattlermeister von der Pike auf lernte, wurde es für Cristian Trocker eng. Die Sattlerei ist ein aussterbendes Handwerk und sein wichtigster Lehrmeister war und ist sein Vater. Nur über Umwege konnte er seine Lehre letztlich zum Abschluss bringen. Seit inzwischen acht Jahren führt der junge Geschäftsmann die Sattlerei, die sein Großvater 1946 in Klausen gründete. Drei Angestellte arbeiten bei ihm, unterstützt wird er außerdem von seinen Eltern und seiner Freundin. Seit der Gründung der Sattlerei hat sich so manches verändert. Komplette Pferdegeschirre beispielsweise werden heutzutage kaum noch nachgefragt.

Traditionelles Handwerk trotz moderner Technik

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Das Zuschneiden der Riemen oder der anderen Lederprodukte und das Abnähen der Ziernähte an Pferde- oder Kuhhalftern ist aber nach wie vor traditionelles Sattlerhandwerk. Auch die Wollfransen, die an besonders edle Glockenriemen angebracht werden, sind noch reine Handarbeit. »Meine Mutter ist die Einzige bei uns, die so etwas noch macht«, erzählt Trocker. Das Besticken der Riemen wird heutzutage von Maschinen erledigt. Es gibt zwar noch Handwerksbetriebe, die Federkielstickereien anfertigen, aber der Betrieb Trocker ist aus Kostengründen bereits vor etwa 15 Jahren auf Stickmaschinen umgestiegen. »Handbestickte Riemen könnte sich sonst heute kaum noch jemand leisten«, räumt Cristian Trocker ein. Eine Vierkopf- und sechs Einzelkopfstickmaschinen sorgen bei Trockers heute für eine flexible und schnelle Auftragserledigung.

Die Anschaffung der Maschinen erschloss dem Handwerksbetrieb auch neue Geschäftsfelder: »Wir können sämtliche Stoffe besticken und sind dadurch auch in der Lage Jacken, T-Shirts, Pullover oder Schürzen nach Kundenwünschen zu besticken.« Für Cristian Trocker ist es heute essentiell, breit aufgestellt zu sein. Deshalb gehören zu seinem Portfolio nicht nur Glockenriemen oder Kuhhalfter,  sondern auch Geldbörsen, Schlüsselanhänger, Trachtengurten, Gürtel, Hosenträger oder auch Handtaschen. Darüber hinaus können auch Schleifen und Schärpen für die Tierschauen bestickt oder Messingschilder jeglicher Art graviert werden.

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Auch wenn die Verwendung der Stickmaschinen eine große handwerkliche Erleichterung darstellt, so ist das Übertragen der Muster, das ›punshen‹, wie die Digitalisierung am Computer auch genannt wird, schon eine Kunst für sich. »Zwar geben die Hersteller der Stickmaschinen einen dreitägigen Crashkurs, aber man muss sich letztendlich viel selber erarbeiten«, berichtet Trocker vom Entwicklungsprozess. Das Erstellen einer digitalen Vorlage kann durchaus, je nach Größe und Muster, ein bis eineinhalb Tage dauern. Bei so vielen unterschiedlichen Materialien muss man außerdem genau aufpassen, mit welchen Nadeln oder Materialen man arbeitet. Deshalb, und um noch wettbewerbsfähiger zu werden, plant der junge Unternehmer auch in Lasertechnik zu investieren.

Fehlt nur noch die passende Glocke oder Schelle. Die kauft Cristian Trocker in Deutschland, Österreich oder der Schweiz zu. »Es gibt besondere Schellen, die kosten alleine schon 1000 Euro«, erzählt der junge Sattler und zeigt dabei auf besondere Exemplare in seinem Lager. Doch das Angebot ist auch hier breit, und dank großzügiger Sponsoren erhalten meist alle Teilnehmer eine Glocke als Andenken an einen ganz besonderen Tag.