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Reportage

Fleckvieh-Betrieb Daberger: Standbein statt Hobby

Familie Daberger
am Dienstag, 25.01.2022 - 16:27

Die Einführung der genomischen Selektion ermöglicht Fleckviehzüchter Martin Daberger, aus einem Hobby mehr zu machen. Mit dem Bereitstellen von Bullen für die künstliche Besamung möchte der Landwirt einen Einkommenszweig erschließen, um seinen Familienbetrieb gut aufzustellen.

Kälber-anbau-iglu

»Ohne die Einführung der genomischen Selektion und das anhaltende, aktive Engagement meines Zuchtverbandes wäre ich heute züchterisch sicherlich nicht da, wo ich gerade bin«, erzählt Martin Daberger, 34-jähriger Milchviehhalter und Fleckviehzüchter aus Haging in Oberbayern im Rückblick. »Außerdem bin ich auch schnell für etwas zu begeistern und lasse mich auch mal leicht überreden«, fügt er lachend an. Und so nahmen die Dinge ihren Lauf. Als 2008 der neue Kuhstall für 65 laktierende Kühe sowie Jungvieh gebaut und 2009 schließlich bezogen wurde, war er ein ganz ›normaler‹, züchterisch interessierter Milchviehhalter, der darauf schaute, eine ordentliche Herde zu haben und in diesem Rahmen sich auch als Optibull-Pilot-Betrieb engagierte. Die gezielte Zucht von Besamungsbullen hatte er damals noch nicht im Sinn.

2009 war auch das Jahr, in dem er den Betrieb von seinem Vater übernahm, der 2010 leider verstarb. Doch für den jungen Landwirt gab es keinen Stillstand. 2010 wurde an den Kuhstall, der etwa 200 m von der alten Hofstelle entfernt, aber von da gut zu sehen ist, eine Erweiterung für Kälber angebaut, die hier auf Tiefstreu bequem untergebracht sind. 2014 konnte im Rahmen einer weiteren AFP-Maßnahme der Stall nochmal erweitert werden. Weitere Liegeboxen und ein Laufhof wurden an der Süd- und Ostseite des Stalles angelegt. Gegenüber vom Kälberanbau aus dem Jahr 2010 entstanden je eine Transit- und eine Abkalbebox mit Stroh.

Stalltechnik nimmt Arbeit ab

Aussenliegeboxen für Mlchkühe

Als weiterer Schritt wurde ein geschützter Bereich für Kälber geschaffen. Unter dem Dachvorsprung nahe der Milchkammer steht ein Großteil der Einzel- und Gruppeniglus. Mit einem Milchtaxi können hier die Jungtiere leicht und schnell mit ad-libitum-Tränke versorgt werden.

Nach einer Herdenaufstockung auf 115 laktierende Kühe wurde ein zweiter Melkroboter installiert. Dagegen sollte der Jungvieh-Bestand reduziert werden: »Unsere Remontierungsrate liegt bei 27 Prozent, da brauchen wir nicht die gesamte Nachzucht«, betont Daberger. Seit Kurzem werden 24 trächtige Rinder auf einen Betrieb ausgelagert, der die Milchviehhaltung aufgegeben hat.

Die Kühe werden einmal täglich gefüttert, das Jungvieh alle zwei Tage (Ration siehe Betriebsspiegel). Da die Familie mit aktuell fünf Kindern im Alter zwischen 0,5 und 8 Jahren arbeitstechnisch mehr als gut ausgelastet ist, kommen ihr die kurzen Wege im Stall natürlich zugute. Aber auch über technische Hilfsmittel, wie die Melkroboter, den Futterschieber oder seit einiger Zeit eine Einstreuschaufel für die Liegeboxen, wird die Arbeit zumindest körperlich einfacher und flexibler gestaltet. Schließlich soll für den 1860-Fan, der gerne auch mal ein Spiel live besucht, auch noch genug Zeit für ein noch relativ neues und durchaus aufwendiges ›Hobby‹ bleiben: Die züchterische Weiterentwicklung der Kuhherde und infolgedessen auch die Bereitstellung von Fleckvieh-Besamungsbullen für die künstliche Besamung.

»Ich bin da etwas zufällig reingerutscht, konnte und habe mich begeistern lassen und versuche nun aus dem inzwischen großen Hobby ein solides Standbein für unseren Betrieb zu machen, um ihn nach den ganzen Investitionen auf ein breites Fundament zu stellen«, erklärt er entschlossen. 2013 begann Daberger nach einem Kurs, selbst zu besamen und damit nahm auch das züchterische Interesse weiter Fahrt auf. Erste Bullenkälber wurden genotypisiert und schon das 3. oder 4. war ein Treffer. Der Wildstern-Sohn WilderKerl ging in die Besamung und ist heute noch der beste Sohn seines Vaters. Schließlich folgte der erste ET mit der Mutter von WilderKerl, einer Ilion-Tochter aus Ruap mit Hubraum und Iserschee.

Wieder voll im Geschehen

Laufstall-Daberger

»Ich habe erkannt, dass man nur durch Typisieren die interessanten Tiere findet und habe Gas gegeben«, erzählt der Züchter. Dann ein Bruch: 2016 wurde Martin Daberger krank und musste für fast zwei Jahre sein Engagement stark zurückfahren. »Das war ein Rückschritt, aber seit Herbst 2018 bin ich wieder voll im Geschehen«, so der Familienvater erleichtert. Ihm wurde klar, dass seine Herde längst nicht so durchgezüchtet ist, wie die von Top-Züchter-Kollegen.
Durch zahlreiche ETs – etwa 15 Stück im Jahr – auch mit weiblich gesextem Samen und konsequentes Typisieren sowie der Teilnahme am Herdentypisierungsprogramm FleQS versucht er deshalb, die weibliche Seite zu konsolidieren und schrittweise aufzubauen. »Nur wer eine solide und starke weibliche Basis hat, kann heutzutage noch gute Bullen verkaufen«, betont Daberger.

Sein Ziel ist eine exterieur- und fitnessstarke Herde und setzt hier züchterisch vor allem an. Um die Leistung macht er sich keine allzu großen Gedanken. Die sei beim Fleckvieh genetisch inzwischen gut abgesichert und habe auch viel mit der Futtergrundlage zu tun, ist er überzeugt. Um die vielen Embryonen unterzubekommen, sind aktuell 65 % der Trächtigkeiten mit Embryonen. Auch Kühe mit denen er nicht weiterzüchten möchte, bekommen einen Embryo. Oft seien Kälber aus einer Kuh schöner und besser entwickelt als aus einem Rind, so die Erfahrung des Züchters.

Darüber hinaus wurden auch Embryonen und Tiere zugekauft. Über einen Vertragszukauf von fünf Embryonen mit der Abstammung Maestro Pp* × Wendlinger kam zum Beispiel der spätere Jungvererber Meter Pp* am Betrieb Daberger zur Welt. Er wurde im Juli 2020 am Zuchtviehmarkt in Mühldorf für sagenhafte 153 000 € verkauft. Auch ein interessantes Sido-Bullenkalb aus der Mutter vom Stier Meersalz Pp* steht noch auf dem Betrieb. Sie wurde als Kalbin zugekauft. 

Sehr junge Fleckvieh-Bullen im Einsatz

Meerhof-erbhof-zauber-fleckvieh-rind

Zum Einsatz kommen fast ausschließlich sehr junge genomische Bullen, aktuell z.B. Delux, Wundawuzi, Habanero, oder Webex. Gespült wurde zuletzt mit Deluxe, Hellstorm, McFly, Wind Pp* oder Monopoly P*S, der durch Single-Step im Zuchtwert anstieg. »Dieses Vorgehen ist in meiner noch nicht ganz so durchgezüchteten Herde ein gewisses Risiko. Aber das muss ich eingehen, wenn ich oben mithalten will«, ist sich der Züchter bewusst. Deshalb wurde zu Beginn nur wenig mit genetisch hornlosen Bullen gearbeitet, um nicht noch mehr Risiko zu gehen. Jetzt, da einige der Linien schon recht stabil sind und auch die hornlose Genetik stärker wird, kommt auch diese zum Einsatz. Mit Erfolg: Der Meerhof Pp*-Sohn Meersalz steht bei Bauer in Wasserburg und auch der aktuell beste hornlose Meter Pp*-Sohn aus einer Woiwode-Tochter steht bei ihm im Aufzuchtstall.

Auch Kuhfamilien bauen sich langsam auf. Besonders stolz ist Daberger auf seine R-Linie, die auf einen Zukauf aus einer Betriebsauflösung vor einigen Jahren zurück geht. Aktuell stehen hier vier Generationen in direkter Linie am Betrieb. Eine frischmelkende Vanadin im 7. Kalb, eine Reumut, die auf das 6. Kalb trägt, eine Westkreuz mit drei Laktationen und ihre Epson-Tochter, die auf das zweite Kalb trägt. Ihr Wilmut-Sohn ist nun die 5. Generation am Betrieb und die erste, die eine Chance hat an Station zu gehen.