
Schon früh hat die Familie Weiß damit begonnen auch hornlose Vererber in ihren Kuhbestand einzusetzen. Gerade am Anfang waren dabei Rückschritte hinsichtlich Leistung und Exterieur in Kauf zu nehmen, kann Manfred Weiß rückblickend berichten. »Dennoch war unsere Familie schon von Anfang an davon überzeugt, dass die Zucht auf Hornlosigkeit Zukunft und Bestand haben würde. Wir hatten schon damals die Sorge, dass das Enthornen eines Tages für uns Landwirte nicht mehr erlaubt sein könnte«, fügt der Senior hinzu.
Zum Glück sei es aber noch nicht ganz so weit gekommen, so Manfred Weiß, der den Betrieb mit rund 50 Kühen 2014 übernahm, nachdem sein Bruder Konrad leider verstorben war. Um den Hof mit der Milchviehhaltung und der erfolgreichen Fleckviehzucht weiterzuführen, gab er seinen Job außerhalb der Landwirtschaft auf und widmete sich vollkommen der Milchviehhaltung.
Rinderzucht muss sich lohnen

Die Leidenschaft für die Rinderzucht ist in der Familie tief verwurzelt und auch Manfred Weiß lebt mit seiner Frau Bianca und den Kindern Melina und Tim diese Tradition weiter. »Mein Vater und Bruder hatten ja eine starke Grundlage geschaffen, mit der ich gut und gerne weitermachen konnte. Die Zucht muss sich, auch wenn ich sie eher als großes Hobby ansehe, schon etwas rentieren, schließlich kosten die Spülungen, Transfers und Typisierungen auch eine ganze Stange Geld. Ein Mastkalb holt diese Ausgaben nicht mehr rein«, fügt Weiß an.
Vor allem der geschickte Zukauf zweier Elitetiere brachte den Betrieb entscheidend weiter. Etwa um die Jahrtausendwende wurde auf der Eliteauktion in Wertingen eine Vollschwester zum Bullen Weinold erstanden. Wilma (V: Weinox) wurde eine siebenfache Bullenmutter und Liniengründerin. Fast die Hälfte der Milchkühe im Bestand Weiß geht aktuell auf diese Kuh zurück.
Zahlreiche Besamungsbullen wurden seitdem an die Besamungsstationen überstellt. Darunter der Rurex-Sohn Rureas aus der Safir Werona, Wolgasand aus der Rurex-Wenus, einer Vollschwester zu Rureas, der Zaspin-Sohn Zacharias oder der Ermut-Tochter Wimmerl oder der Mint-Sohn Mineral Pp* aus der Witam-P*S-Tochter Witami. Der bisher erfolgreichste Bulle war Wolgasand. Rund 3400 Töchter gingen in die Zuchtwertschätzung ein. Derzeit warten noch fünf seiner Söhne auf das Ergebnis der Nachkommenprüfung. Eine Nachzuchtgruppe wurde 2016 im Rahmen der Tierschau zur Einweihung des neuen Vermarktungszentrums in Osterhofen gezeigt.
Mit dem Zepter-Sohn Zebra P*S aus der Rosskur-Tochter Wiarosa steht noch ein genomischer Jungbulle aus dieser Linie in Hohenzell und ein hornloser Weitblick-Sohn mit GZW 136 befindet sich noch in Aufzucht. Auf der weiblichen Seite stechen aktuell die reinerbig hornlose Mupfel-Tochter Wiena PP* (GZW 125, MW 123) und die Zazu-Tochter Winzlin Pp* (GZW 127, MW 119) heraus.
L-Linie auf dem Vormarsch
Mit rund 15 Kühe ist die L-Linie noch etwas kleiner als die W-Linie, züchterisch aber gerade enorm auf der Überholspur. Die Stammkuh, die Winnipeg-Tochter Lipek, wurde im Jahr 2009 als Jungkuh im Rahmen des Herdenverkaufs des bekannten niederbayerischen Zuchtbetriebes Fischer, Pfettrach, erstanden. Lipeks Mutter war eine Schwester zu den Bullen Strellas, Dionysos und Diderot. Der Kauf – ein Volltreffer.
Mit dem Bullen Veltliner wurde die aktuelle Nummer 4 der Reumut-Söhne gezüchtet. Mit der Single-Step-Zuchtwertschätzung im April dieses Jahres konnte er sowohl im Milchwert, als auch im Gesamtzuchtwert 5 Punkte zulegen und steht nun im August 2021 bei GZW 128, MW 120, FW 123 und FIT 101. Acht Söhne von Veltliner stehen bereits als genomische Jungbullen im Besamungseinsatz. »Wir sind darüber sehr froh und auch etwas stolz, denn zunächst sah es so aus, als wollte keine Station den Stier damals nehmen«, erzählt Manfred Weiß.
Durch erfolgreiche Spülungen hat sich die L-Linie schnell ausgebreitet und da sie auch gut typisiert ist, stehen inzwischen einige Jungbullen an den Besamungsstationen (siehe Tabelle). Die fünffache Bullenmutter Laila PP* ist eine Tochter von Lerche (V: Grimm P*S), die wiederum eine Tochter von Lipek ist. Evergreen Lina ist bereits eine Urenkelin von Lipek über Vorwerk Libelle und Ruptal Lotte.
Auch die fotografierte Lisa Pp* ist eine Urenkelin zu Lipek. Sie ist eine Vollschwester zum Bullen Mane PP*. Wie so einige Vertreter und Vertreterinnen aus der L-Linie hat sie von der Umstellung auf das Single-Step-Zuchtwertschätzverfahren profitiert. Nach einem Plus von 16 GZW-Punkten ist die rahmige Erstlingskuh züchterisch in den Fokus geraten und war mit GZW 140 sogar die höchste hornlose Kuh in ganz Niederbayern. Zwei Spülungen, die letzte mit Hamlet Pp*, Heynckes P*S und MyBest Pp* folgten umgehend. Auch ein Zazu-Rind wurde kürzlich mit Vogtland P*S, Herakles Pp* und Sehrgut gespült.
Gesamtbild muss stimmen

Damit kommt die Familie jetzt schon auf so viele Spülungen, wie sie normalerweise in einem ganzen Jahr macht, nämlich 5 bis 6. Die Auswahl der Bullen ist Familiensache. In eine Spülung kommen oftmals drei Bullen, damit jeder seinen Favoriten dabeihat. Den Rest muss dann die Natur machen. Bei der Bullenauswahl werden keine speziellen Grenzen gezogen. Der Bulle muss zur Kuh passen und ein gutes Gesamtbild abliefern, wenn er hornlos ist, umso besser. Bullen, die in der breiten Masse stark laufen, werden oftmals gar nicht oder nur in sehr geringen Umfang eingesetzt.
Die niederbayerische Familie will ihre Linien oder zumindest einen Teil davon frei von ›Mainstream-Bullen‹ halten. Manfred Weiß liefert die Begründung dazu: »Wenn man männliche Nachkommen von solchen Vererbern an die Station bringen will, muss man im extrem hohen Bereich mithalten können, das ist für uns kaum machbar. Aber über die Schiene Linienalternative klappt das bei uns zum Teil ganz gut, wie zum Beispiel die Bullen Zitrus oder Maui aufzeigen.«
Bullen wie Hutera oder Mahango beispielsweise wurden deshalb bewusst nur wenig eingesetzt oder kommen nun über Söhne oder Enkel etwas zum Zug. Die standardmäßige Veröffentlichung eines Verwandtschaftskoeffizienten, der angibt, wie nah ein Bulle mit der Hersbuchpopulation verwandt ist, würde der engagierte Züchter deshalb sehr begrüßen.
Aktuelle Einsatzbullen sind etwa Hamlet Pp*, Macbeth oder Ingmar PP*. »Wir nehmen etwa 70 Prozent genomische Jungbullen, davon überwiegend hornlose Stiere und streuen dafür gut, das heißt etwa fünf Portionen pro Bulle«, erklärt der Eigenbestandsbesamer. Demensprechend viele Namen findet man auch auf der Vaterseite der Kühe, Jungrinder und Kälber.
Zum Verkauf als Deckbulle werden inzwischen nur noch hornlose Bullen aufgestellt, selbst wenn es nach den Zuchtwerten bessere und schönere gehörnte gäbe. Der Markt verlange in diesem Segment fast nur noch hornlose Bullen, meint der Züchter. Wenn Bullen stehen bleiben, dann oftmals, weil sie gehörnt sind. »Die Zukunft ist hornlos«, davon ist Manfred Weiß überzeugt.