
Sie ist die Grande Dame der deutschen Fleckviehzucht und inzwischen zu einer Art Ikone geworden, denn sie steht wie keine andere ihrer Rassevertreter für Langlebigkeit, beste Doppelnutzung sowie eine Ausnahmeleistung in der Milchproduktion. Und sie macht vielen Züchtern ganz viel Freude, denn sie ist das lebende Sinnbild für Nachhaltigkeit in der Rinderzucht, sehr zum Stolz ihrer Besitzer, der Familie Merkle in Krumbach-Attenhausen. Die Rede ist von Radon-Tochter Liebe, die mit ihren inzwischen 25 Jahren die älteste Milchkuh Bayerns und wahrscheinlich auch darüber hinaus ist.
Dabei war die am 31. Juli 1995 geborene Ausnahmekuh von Anfang an eher unauffällig und unproblematisch. »Beim Zuchtviehmarkt in Weilheim habe ich mich damals sofort in diese Jungkuh verliebt und wollte sie unbedingt haben«, erzählt Edgar Merkle rückblickend und scherzt. Gezüchtet wurde das Tier auf dem Betrieb Kappelmeier in Maisach. Der Versteigerungspreis für Liebe lag damals bei gut 2500 DM. Den Namen suchte schließlich Merkles Tochter Nadja aus.
22 gesunde Kälber auf die Welt gebracht

Inzwischen ist Liebe eine von 160 Fleckvieh-Damen im herkömmlichen Liegeboxenlaufstall, den man 1994 errichtet hat. Doch eine Lebensleistung von aktuell 160 891 kg Milch mit 6308 kg Fett und 5748 kg Eiweiß – das müssen ihr ihre Kolleginnen erst einmal nachmachen. Auch die Umstellung auf den Melkroboter packte Liebe ohne Probleme. Am 14. Februar 2020 hat die Ur-Ur-Oma in der Herde zum 22. Mal gekalbt und ein Stierkalb zur Welt gebracht. Insgesamt 13 ihrer Nachkommen waren weiblich, neun männlich, wobei noch ein Herdbuchbulle am Betrieb zum Deckeinsatz steht. Mit zwei Töchtern, zwei Enkelinnen, drei Urenkelinnen und einer Ururenkelin gibt es derzeit Nachkommen aus fünf Generationen von Liebe am schwäbischen Fleckviehzuchtbetrieb. Außerdem ist Liebe die Urgroßmutter des Besamungsbullen Rijeka von der Bayern-Genetik.
Große Auftritte gab es für Liebe schon viele. Der Medienrummel um sie war zwischenzeitlich enorm. »Dabei ist sie alles andere als eine Kuh mit Starallüren. Eher mit einem gewissen Dickschädel und Altersstarrsinn, aber sehr liebenswert«, erklärt Merkle, der neben der Milchviehhaltung auch noch auf die regenerative Energieerzeugung sowie auf Acker- und Waldbau auf dem Familienbetrieb setzt.
Auch Liebes Zwischenkalbezeit von 378 Tagen weist auf ihre außerordentliche Fruchtbarkeit und Fitness hin. »Sie rindert nach wie vor einwandfrei und wir denken, dass wir sie wieder besamen – einfach damit sie wieder ruhiger ist«, erzählt der Landwirt.
Viele Lebensleistungskühe kommen aus Merkles Stall

»Gute Kühe brauchen Zeit sich zu entwickeln«, philosophiert der 58-Jährige. Und etwas muss dran sein an seiner Theorie, denn immerhin stammen schon viele Kühe mit hoher Lebensleistung aus seinem Stall. Auch wenn Liebe alle anderen in ihren Schatten stellt. »Aber auch sie hatte schon Laktationen, in denen es nicht so lief«, räumt Merkle ein.
»Eines ist klar: Die Liebe bekommt bei uns auch das Gnadenbrot und darf bis an ihr Lebensende am Hof bleiben, auch wenn wir sie mal nicht mehr melken können«, betont der Betriebsleiter. Ihre Lebenstagsleistung von knapp 18 Litern spricht ebenfalls Bände für die Wirtschaftlichkeit dieser lebenden Fleckvieh-Legende. Wenn es mit der Liebe nur immer so einfach wäre, wie in diesem Fall.