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Fleckviehzucht in Oberbayern

Der ›Superboy‹ vom Brauneck

Hans und Alexandra Müller aus Lenggries.
am Dienstag, 02.08.2022 - 14:13

Hans Müller aus Lenggries ist Ehemann, Familienvater, Maurer, Landwirt, Almwirt, aber vor allem auch ein riesiger Fleckviehfan und leidenschaftlicher Züchter. Unterstützung und Rückhalt findet der umtriebige Allrounder in seiner Familie.

Ein 8er-Side-by-Side-Melkstand.

Ddas Radio ist laut aufgedreht, die Beach Boys singen Bababa-Babara-Ann und im Rhythmus dazu wackeln die acht Melkzeuge des neuen Side-by-Side-Melkstandes an den Eutern der Kühe. Extra fürs Foto und die Berichterstattung in der Zeitschrift Rinderzucht Fleckvieh hat der leidenschaftliche Fleckviehzüchter Hans Müller aus Lenggries mit einem ausgeprägten Faible für schöne Fleckvieh-Kühe mit klasse Euter, acht seiner Schönheiten zusammengesammelt, um sie in einem einmaligen Bild zu präsentieren - ein absoluter Traum.

Hans Müller erfüllt gerne Träume. Dafür arbeiten er und seine Familie viel. Ein großer Traum wurde erst vor Kurzem wahr, nämlich mit dem Bau eines schönen Laufstalles für rund 45 Kühe samt weiblicher Nachzucht, der im Dezember 2021 bezogen werden konnte. Bis dahin standen die 20 Fleckviehkühe in Kombinationshaltung, also in einem Anbindestall mit Weidegang im Sommer, das Jungvieh war ausgelagert.

Doch auch mit dem neuen Laufstall dürfen im Sommer die Kühe auf die angrenzende große Weide und das meiste Jungvieh ist jetzt am Hof. Die Arbeit in dem neuen Stall ist deshalb nicht unbedingt weniger geworden, aber sie ist angenehmer, sind sich die Eheleute Hans und Alexandra einig. Und sogar das Melken macht Alexandra Müller jetzt Spaß. Das Herzstück des neuen Stalles ist der Side-by-Side-Melkstand mit Schnellaustrieb. Der Platz ist so ausgewählt, dass man hier auch einmal einen Melkroboter installieren könnte. Aber im Moment wollen Müllers noch keinen.

Hans Müller mit Kuh Sabrina

Das hat praktische Gründe, denn sowohl Hans als auch Alexandra arbeiten nebenbei noch außerhalb des landwirtschaftlichen Vollerwerb-Betriebes. Hans ist Maurer und hat von etwa April bis November einen Vollzeitjob bei einer Firma, die unter anderem auch Kuhställe baut. Alexandra arbeitet zwei Tage in der Woche in einer Bank. Während der Ski-Saison, je nach Schneelage zwischen Dezember und März, bewirtschaften die beiden außerdem ihre Strasseralm am Brauneck, die auch im August und September für Gäste geöffnet ist. Wenn aus irgendeinem Grund der Roboter blockiert ist, könnten wir nicht einfach schnell zurück zum Hof und es richten, gibt Müller zu bedenken. »So haben wir zwei feste Melkzeiten«, erklärt das Ehepaar.

Der neue Stall für 40 Milchkühe plus weiblicher Nachzucht.

Es muss nicht nur beim Melken flutschen, denn in der Früh müssen auch die Kälber versorgt werden und es wird frisch für die Almwirtschaft eingekauft. Um 8 Uhr fahren sie mit den ersten Gondeln auf den Berg rauf, um vor dem Gästeansturm noch kochen zu können. Eine direkte Zufahrt zur Almhütte ist im Winter nicht möglich. 32 melkende Kühe sind deshalb angestrebt. Das sind genau vier Durchgänge im 8er-Side-by-Side und nach etwa einer Stunde ist das Melken erledigt.

Die Teilmischration, die auf 31 kg ausgelegt ist, wird im Winter zweitägig vorgelegt und im Sommer täglich. Auch hier ist Einfachheit angesagt und Sohn Paul, der den Betrieb mal übernehmen will, sowie Sohn Hans, helfen so gut es geht mit. Enthalten sind Grassilage, Maissilage (etwa 40 % Anteil), Treber, Mineralfutter und Heu. Maximal 6 kg Kraftfutter gibt es an der Station extra. Im Sommer haben die Kühe freien Zugang zur Weide. Jungrinder und Trockensteher bekommen Silage und Heu.

Das Jungvieh geht im Sommer auf die beiden Almen. Die eigene Strasseralm ist eine Hälfte einer Gemeinschaftssalm. Außerdem konnte erst vor Kurzem eine weitere Alm gepachtet werden, die im Sommer ebenfalls mit Jungvieh bestoßen wird. Insgesamt Platz für 45 Stück Jungvieh ist auf den Bergweiden. Durch seine Arbeit als Maurer hat Hans Müller so einige Ställe entstehen sehen und sich dabei auch Anregungen holen können. Beispielsweise haben wir die Betonabtrennungen und die Abtrennwände der Liegeboxen nicht so hoch gemacht, oder keine Säulen im Fressbereich eingezogen, damit wir die Kühe besser im Blick haben. In der Zeit, in der sie im Stall sind, müssen Müllers möglichst viel sehen, denn auch die Besamungen macht Hans Müller selbst. Auch Spalten wollten sie lieber als planbefestigte Böden, um die Klauen möglichst trocken zu halten. Ein automatischer Spaltenreiniger unterstützt dabei. Der Tiefstreu Abkalbebereich ist kameraüberwacht. In einer kleinen Separation können Kühe z.B. besamt oder behandelt werden. Dass das Konzept aufgeht und es im Stall flutscht, zeigen unter anderem die Leistungsdaten der Herde. Über 10 000 kg im Schnitt seit 2018 stehen zu Buche.

Kuh Edelweiß

Dass neben alledem auch noch genügend Zeit bleibt, um sich der Zuchtplanung zu verschreiben, ist bemerkenswert. Die Zucht nennt Müller sein großes Hobby. »Mit dem Laufstall habe ich jetzt noch bessere Möglichkeiten, meine perfekte Fleckviehkuh zu züchten, sagt Hans Müller strahlend.

Doch wie schaut sie aus, seine perfekte Kuh? Die mittelrahmigen Kühe sollten harmonisch und nicht zu schwer sein, damit sie auf der Weide gut zu Fuß sind. Dementsprechend brauchen sie auch ein gutes Fundament und müssen bei guter Leistungsveranlagung auch gesund und fit – einfach unkompliziert sein. Denn viel Zeit für Sonderbehandlungen gibt es nicht. Das Glanzstück sollten die Euter sein, hoch angehängt mit optimal platzierten Zitzen.

Kein Wunder, dass Müller bei der Bullenauswahl hohe Maßstäbe an die Eutervererbung anlegt. Auch die Melkbarkeit ist wichtig, damit die Gruppen zügig und möglichst gleichmäßig melken. Um über die Veranlagung der Kühe Bescheid zu wissen, nehmen Müllers bei FleQS teil. Alle weiblichen Tiere werden typisiert, aber auch fast alle männlichen Kälber. Inzwischen besamt er nahezu ausschließlich mit genomischen Jungbullen. Zunehmend kommen auch natürlich hornlose Bullen zum Einsatz und es wird gut gestreut.

Um sich zu informieren, liest Hans Müller sämtliche Marktberichte und Zeitschriften und besucht gerne Tierschauen als Zuschauer aber auch als Aussteller. Seine Frau fasst die Leidenschaft so schmunzelnd zusammen: »Selbst als wir mal im Urlaub auf Sri Lanka waren, hatte er die Rinderzucht Zeitschriften dabei und hat sie am Strand gelesen. Und auch auf der Almhütte quatscht er mit unseren Stammgästen, die keine Ahnung von Tierhaltung oder Zucht haben, über seine Lieblingsbullen.« Aktuell ist sein Traumstier der Spartacus-Sohn Superboy in den er große Hoffnungen setzt. Nach den vielen Informationen über den ›Allrounder Superboy‹ taten sich schließlich einige Stammgäste zusammen und entwarfen ein T-Shirt mit einem Foto von Superboy und dem Spruch: ›Superboy, unser neuer Alleskönner!‹ und schenkten es Müller, der sich riesig freute.

Hans Müller mit Liebslings-T-Shirt

Natürlich gibt es noch jede Menge andere Bullen in seinem Spermakübel, denn in der Regel kauft er nur zwei oder drei Portionen pro Stier. Nur ganz hoffnungsvolle Bullen kriegen die Chance auf mehr. »Das höchste der Gefühle sind sechs Portionen«, betont Müller. Superboy ist so ein Sechser. Weiterhin sind Mr Max Pp*, Hells Bells PP*, Weihnacht P*S, Senator, Wirbelwind P*S, Wundawuzi, Man Pp*, Rose PP*, aber auch Wannabe PP* (trotz Fu-ZW) und Merkel 1 PP* (trotz Mbk-ZW) im Kübel zu finden.

Kälber fallen demnächst oder gibt es gerade von Zitrus Pp*, Honza PP*, Wilko, Defacto, IQ P*S, Wintertraum oder Mercury Pp*. Die Jungkühe stammen von What Else, Wodonga, Hutubi, Vigor, Weisensee, Hero, Weitblick und Hesse.

Auch die Kuhfamilien will Hans Müller noch breiter aufstellen. Spülungen brachten aber nicht den gewünschten Erfolg. »Ich habe da im Moment etwas die Lust verloren«, sagt er enttäuscht. Besonders ärgerte ihn die Nullrunde bei einem hoffnungsvollen Sparatcus-Rind, einer Tochter aus Hetwin Sabrina (siehe Foto).

Hans Müller und seine Familie haben sich schon einige Träume verwirklicht. Ein großer fehlt noch – der Besamungsbulle aus eigener Zucht an einer Besamungsstation. Wenn das eintrifft, wird Hans Müller bestimmt noch fröhlicher durch den Stall gehen und sich an seinen wunderbaren Kühen erfreuen. AH