
Noch einmal den Blinker setzen und in den Hof in Unterschönbach im Landkreis Aichach abbiegen und schon strahlt sie einem entgegen: die amtierende bayerische Milchkönigin Veronika Gschoßmann. Zunächst von einem riesigen Plakat an der Stallwand und kurz darauf auch in Natura. 13 Jahre ist es her, dass Rinderzucht Fleckvieh schon einmal bei Familie Gschoßmann am Betrieb zu Besuch war.
Veronika war erst zehn Jahre alt und beeindruckte schon damals mit ihrem Interesse und Wissen rund um die Milchkühe der Familie. Bei diesem Besuch steht Veronika im Mittelpunkt und die Familie freut sich mit ihr, unsterstützt sie und ist auch etwas stolz darauf, wie Mutter Marlene betont.
Veronika erledigt ihre nun zweijährige Aufgabe mit viel Engagement und freut sich, dass sie die bayerische Milchwirtschaft und damit auch den Milcherzeugern und Tierhaltern eine Stimme verleihen darf. »Ich will zeigen, dass Tiere für uns nicht nur ein Produktionsfaktor sind, sondern dass die Kühe und Tiere unsere Partner sind, mit denen wir zusammenarbeiten und Milch eben kein Produkt ist, das durch Tierleid erzeugt wird. Bei all dem Gegenwind aus der Gesellschaft und Politik, dem Tierhalter ausgesetzt sind, mache ich mir schon Sorgen um den Berufsstand«, sagt die ansonsten fröhliche junge Frau etwas nachdenklich.

Klar, um den sozial-medialen Shitstorm kommt heutzutage selbst eine so sympathische Produktkönigin nicht mehr herum. »Aber da muss man auch ein Stück weit drüberstehen«, betont die gelernte Groß- und Außenhandelskauffrau und aktuelle Studentin. Ich habe nichts gegen Kritik und diskutiere und erkläre gerne, wenn es auf einem sinnvollen und freundlichen Austausch beruht, aber manchmal hat es einfach keinen Sinn und wäre nur verlorene Zeit, ordnet sie die Geschehnisse souverän ein. »Wenn man sich für diese Aufgabe bewirbt, muss man heutzutage auch damit rechnen«, fügt sie an.

Dabei war ihre Bewerbung durchaus auch ein Stück weit spontan. Bei ihrem Berufspraktikum im Haus der Landwirtschaft in Herrsching hingen Plakate, dass eine neue Milchkönigin gesucht wird und Leute aus dem Grundkurs haben die Idee angeschoben. »Ich fand den Gedanken interessant, aber durch die Arbeit bin ich gar nicht so dazugekommen die Gedanken zu vertiefen, bis eine Arbeitskollegin mich nochmal gepackt und angeschubst hat. Wir haben dann das Bewerbungsvideo gedreht, Fotos gemacht und ich habe Lebenslauf und Grußwort geschrieben. Am Sonntagabend gegen 21 Uhr habe ich dann alles eingereicht und um Mitternacht war Einsendeschluss, erzählt Veronika rückblickend.
Eine riesige Überraschung war dann die Einladung nach Triesdorf zur Auswahltagung. Da wurden die Kandidatinnen sozusagen nochmal auf Herz und Nieren geprüft. Gespräche führen, Reden halten und nochmal Videos drehen, der Titel wird einem nicht geschenkt. Bei der Auswahl gingen auch die Ergebnisse aus einem Online-Voting ein und am Ende hat es dann für Veronika geklappt. Dann ging es auch gleich in die Vollen. Dirndl für Termine, ein Auto, ein Rhetorikkurs und erste Vorstellungstermine.
»Im Schnitt habe ich ein bis zwei Termine in der Woche und man trifft viele interessante Leute«, beschreibt die 23-jährige, die ihre Reden auch selbst verfassen muss. Eines der Higlights in den ersten Monaten war für sie aber der Termin bei der Nightshow der bayerischen Jungzüchter, wo sie als Ehrendame die Preise verteilen durfte und den Bambinicup moderierte. Eigentlich war Veronika für diesen Abend mit einer Kuh als Teilnehmerin gemeldet, aber zum Anmeldeschluss im November 2021 wusste sie ja noch nichts von der neuen Aufgabe. Die Kuh hat dann ihr Bruder Matthias übernommen und als die Himmlisch-Tochter Lancia schließlich Reservesiegerin der mittelalten Kühe wurde, gab es für die beiden Geschwister kein Halten mehr, so groß war die Freude.
Neben dem ›Job‹ der bayerischen Milchkönigin geht für Veronika ihr normales Leben ebenfalls weiter. Sie studiert aktuell im 7. Semester an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf in Freising Agrarmarketing und -management. Der Bachelor-Abschluss naht. Außerdem ist sie derzeit stark am elterlichen Betrieb eingebunden, da ihr Bruder Thomas, der den Betrieb einmal übernehmen wird, aktuell an der Technikerschule ist. Es gibt eigentlich nichts, was die junge, zierliche Frau nicht macht. Stallarbeit, Kälbertränken und Füttern sowie bei Bedarf melken, die jungen Zuchtbullen für den Markt herrichten und führig machen, Gras und Mais silieren, ackern, eggen und aussäen und gerne auch Gülle fahren, werden da aufgezählt.

Auch über das, was sich züchterisch am Betrieb aber auch allgemein tut, ist sie gut informiert. Schließlich sind alle drei Geschwister auch im Wertinger-Jungzüchterclub dabei. Die züchterischen Zügel hält aber Vater Martin nach wie vor leidenschaftlich gerne in der Hand und fällt die wichtigen Entscheidungen. Schon von Kindesbeinen an kennt Veronika die Kühe und sagt schmunzelnd: »Unser heiliger Kuhstamm ist die L-Linie, aus der schon so einige Zuchterfolge zu verzeichnen sind.«
Doch dann wird sie auch gleich wieder ernst und sagt: »Gerade was wir Milchviehhalter im Züchterischen machen, ist doch im Interesse von allen. Wenn man nur ein wenig dahinter ist, kann man Vieles erreichen. Gesunde Euter und Fundamente, Leichtkalbigkeit und vieles mehr hat nicht nur mit beruflichen Erfolg sondern auch viel mit Tierwohl zu tun, was so vehement von der Gesellschaft eingefordert wird. Da können wir alle etwas tun.«
Kein Wunder also, dass sie sich künftig nach Ausbildung und dem Engagement als Milchkönigin auch weiterhin in der Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit sieht und gerne engagieren möchte. »Es gibt so viel Unwissen über die Landwirtschaft und mir wäre es ein großes Anliegen, hier wieder mehr Wertschätzung zu generieren.« Ariane Haubner