Landwirtin Anne M. traut ihren Augen nicht. Gerade kommt sie aus dem Haus, um zum Einkaufen zu fahren. Mitten im Hof vor den Kälberiglus steht eine Familie, die sie noch nie zuvor gesehen hat. Die drei Kindern sind gerade dabei, die Kälber zu streicheln und mit grünen Pflanzen zu füttern. Anne M. schaut genauer hin. Moment, sind das etwa Narzissen? Aus ihrem Blumenbeet vor dem Haus? Der jungen Landwirtin platzt der Kragen. Lautstark verweist sie die Familie des Hofs. Die Touristen ziehen verwirrt ab und finden, Landwirte sind echt unfreundlich.
Was dürfen Besucher auf dem Hof?
Gerade im Sommer und Herbst kommt es häufig vor, dass sich fremde Personen im Stall oder in Hofgebäuden umsehen. Noch häufiger trifft man am Feld oder im Wald auf Spaziergänger, Sportler, Wandergruppen oder Fahrradfahrer, die auf den Wirtschaftswegen oder auch abseits der Wege unterwegs sind. Müssen sich Landwirte das gefallen lassen? Nein, denn wer welches Grundstück, welches Waldstück und welchen Acker betreten darf, ist rechtlich – meistens – klar geregelt. Diese Regelungen sollten Sie kennen.
So ist die Rechtslage auf Bauernhof, Acker und Feld
- Stall und landwirtschaftliche Gebäude sind tabu: Fremde Menschen dürfen nicht einfach in einen Stall gehen, auch wenn dieser nicht abgeschlossen ist. Wer befriedetes Besitztum eines anderen unbefugt betritt, also etwa einen Stall, begeht Hausfriedensbruch, erklärt Ecovis-Rechtsanwalt Stefan Kröber in Leipzig. Wer jedoch durch ein geöffnetes Tor eintritt, begeht keinen Hausfriedensbruch. Insofern kommt es darauf an, dass der Eindringling eine Barriere überwinden muss, zum Beispiel einen Zaun oder eine verriegelte, nicht abgeschlossene Tür. Der Hausfriedensbruch ist innerhalb von drei Monaten nach dem Vorfall anzuzeigen.
- Weidezaun oder Zaun um Stall und Grundstück schützt: Der Landwirt muss grundsätzlich ein eigenes Interesse daran haben, unabhängig von Einbrüchen und seiner Versicherung, seinen Stall zu sichern, beispielsweise auch Tiere daran zu hindern auszubrechen. Das Betriebsgelände sollte so geschützt sein, dass Fremde nicht eindringen können, ohne Hindernisse zu überwinden, rät Kröber.
- Für Schäden haftet der Eindringling: Wenn der Eindringling nicht dingfest gemacht ist, kann eine Betriebsversicherung dafür einstehen, weiß Stefan Kröber. Allerdings lehnen Versicherer die Schadensregulierung ab, wenn die Türen oder Tore nicht abgeschlossen waren. Daher sollten Betroffene prüfen oder prüfen lassen, was genau in den Versicherungsbedingungen steht. Aus Erfahrung wissen wir, dass meist nur echte Einbrüche versichert sind. Treten Schäden an Gebäuden oder Gerätschaften auf oder sind Tiere verletzt, müssen Landwirte die fremde Person anzeigen und hoffen, dass sie ausfindig gemacht wird.
- Alarmanlagen und Videoüberwachung müssen überlegt eingesetzt werden: Der Einsatz von Alarmanlagen ist unkompliziert, sagt Stefan Kröber. Dafür gibt es keine besonderen rechtlichen Bestimmungen. Anders sieht es bei der Videoüberwachung aus, denn hier sind zahlreiche datenschutzrechtliche Vorschriften zu beachten, sofern das Betriebsgelände (Hof) öffentlich zugänglich ist. In diesem Falle erfordert der Einsatz von Videokameras ein berechtigtes Interesse. Dazu zählt zum Beispiel, Diebstahl, Vandalismus oder das unberechtigte Betreten fremden Eigentums zu vermeiden. Die Videokamera muss so eingestellt sein, dass sie nur das eigene Grundstück überwacht. Zudem ist auf den Einsatz von Videokameras mit einer entsprechenden Beschilderung hinzuweisen.
- Im Wald dürfen Reiter, Wanderer, Jogger und Co. sich frei bewegen: Auch für die freie Natur, den Acker und den Wald gibt es Regeln. Grundsätzlich gilt zunächst: Es können alle den Wald und die offene Landschaft betreten. Die Betretungsrechte sind in den deutschen Wald- und Forstgesetzen und den Naturschutzgesetzen enthalten. Nach dem Bundeswaldgesetz darf in Deutschland jeder den Wald zur Erholung betreten, sofern diese Flächen nicht aus besonderen Gründen gesperrt sind (zum Beispiel Holzeinschlag, Kulturfläche), schreibt der Deutsche Wanderverband.
Das Betreten geschieht auf eigene Gefahr. Waldbesucher müssen nicht einmal auf ausgetretenen Wegen (Trampelpfaden) bleiben, sondern können sich völlig frei bewegen. Je nach Landesrecht können Eigentümer von Flächen (in Abstimmung mit der zuständigen Fachbehörde für Forst oder Naturschutz) diese für den Gemeingebrauch sperren. - Für landwirtschaftliche Flächen gibt es ein Betretungsrecht – mit Ausnahmen: Auf landwirtschaftlich genutzten Flächen kann das Betretungsrecht eingeschränkt werden – was je nach Bundesland aber sehr unterschiedlich ausfällt. Die Naturschutzgesetze von Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen besagen: Land- und forstwirtschaftlich genutzte Flächen dürfen während der Nutzzeit nur auf vorhandenen Wegen betreten werden. Das gilt, so schreibt der Badische Landwirtschaftliche Hauptverband, zwischen Saat oder Bestellung und Ernte, bei Grünland in der Zeit des Aufwuchses, unabhängig davon, ob die Fläche eingezäunt ist oder nicht, in vielen Bundesländern auch für Hunde. In Schleswig-Holstein ist das Betreten von Nutzflächen grundsätzlich verboten.
- Traktoren haben nicht automatisch Vorfahrt auf Wirtschaftswegen: Auf Feld-, Wald-, Wiesen- und Wirtschaftswegen dürfen sich Spaziergänger, Fahrradfahrer oder Reiter frei bewegen, solange die Nutzung nicht explizit verboten ist. Begegnen sich Touristen und Landwirt auf einem Wirtschaftsweg, wird es oft eng. In diesem Fall gilt es, sich zu verständigen, denn keiner von beiden hat automatisch Vorfahrt.
Digitale Ausgabe agrarheute
Der Originalbeitrag ist in agrarheute Ausgabe Mai 2023 erschienen.
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