Der Wolf in Oberbayern darf vorerst doch nicht abgeschossen werden. Das Verwaltungsgericht München hat am Freitag, den 21. Januar 2022, so entschieden und damit den Eilanträgen des Bund Naturschutzes sowie der Gesellschaft zum Schutz der Wölfe stattgegeben. Die beiden Organisationen hatten sich mit ihren Anträgen gegen die Allgemeinverfügung der Regierung von Oberbayern vom 17. Januar 2022 gewandt. Damit wird die Allgemeinverfügung außer Kraft gesetzt.
Was sagt die Regierung von Oberbayern zur Gerichtsentscheidung?
Die Regierung von Oberbayern pocht weiter auf die Entnahme des Wolfs. Wie ein Sprecher mitteilte, sei diese erforderlich. Deshalb kündigte die Regierung bereits an, "die Entscheidungsgründe jetzt eingehend prüfen und sehr schnell entscheiden, ob Rechtsmittel eingelegt werden". Das letzte Wort scheint in der Debatte um den Wolf also noch nicht gesprochen zu sein.
Was hat das Verwaltungsgericht München zum Wolf geurteilt?
Die Allgemeinverfügung der Regierung von Oberbayern erlaubte ausnahmsweise die Entnahme des Wolfsrüden mit der Bezeichnung GW2425m in einem definierten Bereich in den Landkreisen Rosenheim, Traunstein und Berchtesgadener Land. Ursprünglich sollte die Allgemeinverfügung bis zum 31. März 2022 gelten. Die Kammer am Verwaltungsgericht München kam allerdings zu dem Ergebnis, dass die mittels Allgemeinverfügung erteilte Ausnahmegenehmigung zur Entnahme beziehungsweise zum Abschuss des Wolfes „voraussichtlich rechtswidrig“ sei. Bis zu einer Entscheidung des Gerichts in der Hauptsache darf deshalb von der erteilten Abschussgenehmigung kein Gebrauch gemacht werden. Das teilte das Verwaltungsgericht mit.
Warum begrüßen Bund Naturschutz und LBV die Entscheidung zum Wolf?
Bund Naturschutz und Landesbund für Vogelschutz in Bayern (LBV) begrüßten den Stopp der Ausnahmegenehmigung. Der BN-Vorsitzende Richard Mergner sagte in einer Pressemitteilung: „Die Begründung für den Abschuss des Wolfes war wirklich an den Haaren herbeigezogen. Der Wolf hat keinerlei Interesse an Menschen gezeigt.“ Die Behauptung der Regierung von Oberbayern und von Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber, dass der Wolf eine Gefahr für die Bevölkerung darstellen würde, sei laut Mergner nicht haltbar gewesen.
Bayerischer Jagdverband: Abschussgenehmigung "weltfremd"
Hingegen erklärte eine Sprecherin des Bayerischen Jagdverbandes, dass der Verband bereits mit dem Stopp der Abschuss-Ausnahmegenehmigung gerechnet habe. Die Allgemeinverfügung bezeichnete die Sprecherin als „weltfremd“ und entspreche nicht der jagdlichen Wirklichkeit. Gemäß der Verfügung würde ein Jäger im fremden Revier mit Nachtsichttechnik aus dem Auto mit kleiner Kugel auf den Wolf schießen dürfen. Das bedeutet Lebensgefahr für Mensch und Tier in fünf Kilometer Umgebung. Es sei zudem unklar, was passiert wäre, wenn ein Jäger ein anderes Tier erlegt hätte, bei dem es sich nicht um den betreffenden Wolf handelt.
Warum kritisiert das bayerische Umweltministerium die Entscheidung zum Wolf?
Sogar das bayerische Umweltministerium übte scharfe Kritik an der Entscheidung des Gerichts. Das verdeutlicht, wie stark die Meinungen beim Thema Wolf auseinandergehen. Ein Sprecher des Ministeriums erklärte gegenüber dem Bayerischen Landwirtschaftlichen Wochenblatt, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts München nicht der Haltung des Umweltministeriums entspreche. Das Umweltministerium teilt demnach die Auffassung der Regierung von Oberbayern, aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und der Gesundheit des Menschen die Entnahme des Wolfes in diesem Fall zuzulassen. „Deshalb ist es richtig, dass die Regierung von Oberbayern Rechtsmittel gegen die Eilentscheidung prüft und zeitnah darüber entscheiden wird.“ Außerdem müsse weiterhin das Wolfsgeschehen im Südosten Oberbayerns genau im Blick behalten werden, um auf mögliche Entwicklungen schnell reagieren zu können, so der Sprecher.
Stefan Köhler vom Bayerischen Bauernverband zweifelt an Expertenkommission
Der Umweltpräsident des Bayerischen Bauernverbandes (BBV), Stefan Köhler, zeigte sich in einer ersten Stellungnahme gegenüber dem Bayerischen Landwirtschaftlichen Wochenblatt ebenfalls irritiert. Das Gericht ignoriere mit seiner Entscheidung auch die fachliche Expertise der neutralen Expertenkommission. Er bedauere, dass der Klage stattgegeben worden ist, sagte Köhler. „Hoffentlich gibt es keine weiteren Übergriffe durch das Problemtier.“ Das Vorgehen zeige allerdings seiner Meinung nach „wie im Lehrbuch“, wie wenig handlungsfähig die Verwaltung sei: Jede Expertenentscheidung könne durch andere Gruppen infrage gestellt werden. „Was zählt die Meinung der Experten dann noch? Dann brauchen wir keine Expertenkommissionen mehr“, so der unterfränkische BBV-Bezirkspräsident Köhler.
Florian Streibl (Freie Wähler) übt Kritik an Gerichtsentscheidung
Kritik an der Entscheidung des Gerichts übte auch der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler, Florian Streibl. Gegenüber dem Bayerischen Landwirtschaftlichen Wochenblatt sagte er: „Wir werden künftig nicht umhinkommen, den Wolfsbestand zu regulieren". Streibl verwies zudem auf die steigende Zahl an Wolfsangriffen auf Nutztiere im Freistaat. Es sei traurig, dass offensichtlich zuerst Menschen zu Schaden kommen müssten, ehe gehandelt werden dürfe.
Verwaltungsgericht München sieht keine Gefahr für den Menschen durch GW 2425m
Die zuständige Kammer am Verwaltungsgericht München sieht die Lage anders. Eine Gefährdungssituation für die Gesundheit von Menschen oder die öffentliche Sicherheit im Sinne von § 45 Abs. 7 Nr. 4 Bundesnaturschutzgesetz, welche eine sofortige Entnahme des Wolfes erfordere, sei derzeit nicht vorhanden. Das heißt es in einer Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts in München. Die aktuell feststellbare Gefährdungslage gebiete in erster Linie weitere Aufklärungsmaßnahmen und gegebenenfalls Besenderungs- und Vergrämungsmaßnahmen, rechtfertige aber nicht die sofortige Entnahme des Wolfes.
Der Wolf habe sich Menschen nicht "atypisch genähert"
Das Gericht führt weiter aus, dass aus keinem der bisher dokumentierten Vorfälle ersichtlich sei, dass sich der Wolf GW 2425m Menschen in einer nicht arttypischen Weise genähert hätte. Das gelte insbesondere nicht in einer Art und Weise, die die Annahme einer Gefährdungslage nach der „4. Stufe“ des „Bayerischen Aktionsplan Wolf“ des Bayerischen Landesamtes für Umwelt rechtfertigen würde. Zudem sei zu berücksichtigen, dass es seit dem 19. Dezember 2021 keine Erkenntnisse mehr über den Verbleib des Wolfes gebe. Es sei insbesondere nicht geklärt, ob sich der Wolf GW2425m oder andere Wölfe noch in dem maßgeblichen Gebiet aufhielten.
Ist Beschwerde gegen die Gerichtsentscheidung möglich?
Gegen die Entscheidungen vom 21. Januar 2022 (M 19 S 22.295, M 19 S 22.306) kann Beschwerde beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingelegt werden. Dafür ist eine Frist von zwei Wochen einzuhalten. Die Diskussion um die Entnahme des Wolfs GW 2425m in Oberbayern dürfte damit noch nicht beendet sein.
Dieser Beitrag erschien zuerst in der Online-Ausgabe des Bayerischen Landwirtschaftlichen Wochenblatts.
Hier ist Ihre Meinung gefragt
Werden Sie Teil unserer Community und diskutieren Sie mit! Dazu benötigen Sie ein myDLV-Nutzerkonto.