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Politik national

Agrarbericht: Viel Kritik, wenig Lob

am Donnerstag, 12.05.2011 - 12:22 (Jetzt kommentieren)

Berlin - Gestern hat Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner den Agrarbericht 2011 präsentiert. Hier lesen Sie Meinungen im Überblick. Vorab: Breite Zustimmung sieht anders aus.

DBV: Stärken und Schwächen im Agrarbericht
 
Positiv bewertet der Bauernverband, dass der Agrarbericht die Bedeutung der Landwirtschaft für die gesamte Wirtschaft zeigt. Auch dass die Regierung die zunehmende Bedeutung der betrieblichen Risikoabsicherung anerkennt wird vom Bauernverband begrüßt. Schließlich hätten in Folge der Reformen der EU-Agrarpolitik die Preisschwankunge auf den Agrarmärkten deutlich zugenommen. Negativ bewertet der Verband jedoch, dass die Einführung von Instrumenten wie einer steuerlichen Risikoausgleichsrücklage nicht erwähnt wird.
 
Die Ankündigung der Bundesregierung, die Ferkelkastration auf EU-Ebene im Rahmen einer "europäischen Partnerschaft" zu unterstützen, wertet der DBV als "Schritt in die richtige Richtung". Kritik gibt es jedoch für den angekündigten Ausstieg aus der Kleingruppenhaltung. Dies sei nicht der richtige Weg.
 
Hinsichtlich der Bioenergie fordert der Bauernverband die Bundesregierung zu einem verantwortungsvollen Ausbau ohne Beeinträchtigung der Nahrungsmittelproduktion auf. "Das EEG darf sich nicht aus der Landwirtschaft verabschieden", fordert der DBV.
 
Was den nach wie vor starken Flächenverbrauch angeht, verlangt der DBV von der Bundesregierung ein schlüssiges Reduzierungskonzept. Da 650.000 Haushalte in ländlichen Gebieten immer noch keinen Anschluss ans Breitbandnetz haben, mahnt der DBV im Zuge der aktuellen Novelle des Telekommunikationsgesetzes einen deutlich ambitionierten Breitbandausbau an.

BDM: Situation einseitig beleuchtet

Nach Ansicht des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter (BDM) stellt die Bundesregierung die wirtschaftliche Entwicklung der Landwirtschaft mit dem Tenor "Deutschlands Bauern können aufatmen" in ein zu positives Licht. "Alleine die Tatsache, dass die Direktzahlungen 52 Prozent des durchschnittlichen bäuerlichen Einkommens ausmachen, belegt jedoch die durch die Agrarpolitik gesteuerte Fehlentwicklung", stellt BDM-Vorsitzender Romuald Schaber fest. Dieser Anteil ist in 2010 durch die Erholung der Preise für landwirtschaftliche Produkte zwar etwas rückläufig, zeigt jedoch nach wie vor die Abhängigkeit der Bauern von der Lage der öffentlichen Haushalte, so Schaber weiter.
 
Die Bundesregierung wäre zudem gut beraten, sich nicht nur im Blickwinkel der gestiegenen Erzeugerpreise zu sonnen, sondern auch die Kostenentwicklung mit zu betrachten. Angesichts exorbitant steigender Produktionskosten sei die Preisanhebungen für die Trinkmilchkontrakte mit vier Cent/Liter doch eher moderat ausgefallen.
 
Kein Ruhmesblatt für die Politik sei auch der weiterhin fortschreitende Abbau von Arbeitsplätzen. Auf 300.700 landwirtschaftlichen Betrieben arbeiten noch 1,1 Millionen Menschen, das bedeutet einen Abbau von jeweils im Schnitt 2,2 Prozent pro Jahr. Mit einem Bruttodurchschnittseinkommen von 2050 Euro brutto im Monat müssen nicht nur der Lebensunterhalt und die Altersvorsorge bestritten werden, sondern auch die Tilgungen und Rücklagen für betriebliche Investitionen, die schnell in die Tausende gehen. Auch dies zeige deutlich, wie groß der Handlungsbedarf für die Agrarpolitik ist.

Bündnis 90/Die Grünen: Falsche Agrarpolitik schöngeredet

"Der Agrarbericht ist Ausdruck der falschen und ziellosen Agrarpolitik der Bundesregierung und strotzt vor Widersprüchen: Die Zustimmung zur Analyse von Agrarkommissar Ciolos, dass in der Landwirtschaft mehr für den Klima-, Umwelt- und Artenschutz getan werden muss, steht im krassen Widerspruch zu der totalen Verweigerungshaltung der Bundesregierung bei den Verhandlungen der von Ciolos vorgeschlagenen Reform der EU-Agrarpolitik", kritisiert Friedrich Ostendorff, Sprecher für Agrarpolitik.
 
Das Eingeständnis, dass die Landwirtschaft weltweit mit 18 Prozent und in Deutschland mit 13 Prozent zum Klimawandel beiträgt, sei richtig. "Es widerspricht aber der bisher von Aigners Parlamentarischem Staatssekretär vertretenen Haltung, es seien weltweit allenfalls sieben Prozent und in Deutschland höchstens elf Prozent", so Ostendorff.
 
Die Bundesregierung bestätigt den besonderen Beitrag des Ökologischen Landbaus zum Ressourcenschutz. "Verschwiegen wird, dass Schwarz-Gelb das Bundesprogramm Ökologischer Landbau faktisch abgeschafft hat und nichts unternimmt, um die stark ansteigende Nachfrage nach Bioprodukten durch heimisches Angebot zu befriedigen."
 
"Die aggressive Exportstrategie der Bundesregierung wird verteidigt, obwohl diese die negative Klimabilanz der Landwirtschaft und die Massentierhaltung in Deutschland weiter verschärft. Tierschutzmaßnahmen wie das Verbot von Neuzulassungen von Käfigen für Legehennen oder der betäubungslosen Ferkelkastration werden erneut angekündigt, während die Koalition im Bundestag alles tut, um diese zu verhindern", schreibt der Agrarpolitiker in einer Stellungnahme.

SPD: Bericht offenbart Schwächen

Agrarpolitischer Bericht der Bundesregierung 2011 offenbart Schwächen Wilhelm Priesmeier fordert eine klare politische Linie Berlin, 11.05.2011:
 
Die SPD fordert von Ministerin Aigner "endlich eine klare Linie in der Agrarpolitik". "Forderungen nach höheren Tierschutzstandards, die Auswirkungen des Klimawandels und eine exzessive Spekulation mit agrarischen Rohstoffen sind reale Herausforderungen für die Unternehmen der Land- und Ernährungswirtschaft. Diese Themen sollten endlich auf die politische Agenda des Ministeriums gesetzt werden, statt sie weiterhin in theorielastigen Workshops zu diskutieren", kritisiert der agrarpolitische Sprecher der SPD, Wilhelm Priesmeier in seinem Statement zum Agrarbericht.
 
Priesmeier fordert Mindestlöhne für die in der Forst- und Landwirtschaft Beschäftigten. Außerdem sollten Wertschöpfungsketten und die Lebensqualität im ländlichen Raum gestärkt werden. "Die Auswirkungen des Klimawandels und die Forderung nach mehr Ressourceneffizienz erfordern Antworten auch von der deutschen Landwirtschaft. Deshalb fordern wir, stärkere politische und finanzielle Anreize zur Bewältigung der Herausforderungen zu setzen", so Priesmeier weiter.

Die Linke: Agrarpolitik muss mehr sein als Wirtschaftspolitik für Agrarunternehmen

"Frau Aigners Ausrichtung der Agrarpolitik auf die Förderung der unternehmerischen Landwirtschaft wird den Problemen im Agrarsektor nicht gerecht", sagt Alexander Süßmair, Sprecher für den ländlichen Raum der Partei Die Linke. Während der fünf Berichtsjahre sei es nicht einmal gelungen, den Landwirten ein Einkommen zu ermöglichen, das annähernd mit dem deutschen Durchschnitt mithalten kann.
 
Zudem habe sich bis heute nichts getan in Sachen Mindestlohn für die in der Landwirtschaft Beschäftigten und für die vielen Saisonarbeitskräfte. Gerade diese Entwicklung schwäche die ländlichen Räume drastisch und verschlechtere deren Situation und Perspektiven.
 
"Leider wird auch deutlich, dass der Agrarbericht der Bundesregierung immer mehr an Aussagekraft verliert", kritisiert Süßmair. Der Wachstumsbereich der Bioenergie werde heute schon weitgehend aus der Berichterstattung ausgeklammert, "weil viele Betriebe diesen Sektor als eigenes Gewerbe betreiben und zum Beispiel die Stromerzeugung über Biogas gar keine landwirtschaftliche Tätigkeit mehr bedeutet und nicht im Bericht erfasst wird."
 
Süßmair vermisst eine Aussage zur sozialen Lage der Rentner. Im Blick auf die im Durchschnitt zu niedrigen Einkommen in den Betrieben, baue sich für viele ein Risiko in der Alterssicherung auf, da in vielen Betrieben, insbesondere Familienbetrieben, die Reserven für eine angemessene private Altersvorsorge nicht erwirtschaftet werden können.
 
Süßmairs Fazit: "Die anzugehenden Aufgaben in der Agrarpolitik sind vielfältig, sie dürfen sich nicht mit der Fokussierung auf das Unternehmertum und den Export reduzieren."

Aigner: Erzeugerpreise steigen - Produktionskosten auch

Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner hatten den Bericht am gestrigen Mittwoch dem Kabinett vorgelegt. Die Ministerin warnte vor überhöhten Erwartungen. Zwar gebe es bei vielen Erzeugerpreisen "einen stabilen Trend nach oben", andererseits seien "an den Agrarmärkten starke Preisschwankungen zu verzeichnen". Es sei zudem damit zu rechnen, dass die Produktionskosten aufgrund der höheren Futtermittelkosten und des hohen Ölpreises stiegen.

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