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Soziale Medien

Warum Agrarblogger über die Landwirtschaft schreiben

Bloggerin Julia Schmid macht ein Selfie
am Freitag, 20.08.2021 - 05:00 (Jetzt kommentieren)

Aus den sozialen Medien sind Agrarblogger nicht mehr wegzudenken. Doch warum präsentieren Landwirtinnen und Landwirte sich und ihre Anliegen eigentlich im Internet?

Bilder aus dem Melkstand, Videos von der Getreideernte und Texte über alltägliche Sorgen: Agrarblogger sind in der Welt der sozialen Medien mittlerweile fest etabliert. Mit zahlreichen Profilen auf Instagram, Facebook, YouTube und Co. lassen sie ihre User in ihr Leben eintauchen und hinter die Kulissen auf ihren Höfen blicken. Warum sie das tun, das wollten wir von vier Bloggern wissen.

 

“Man ist nicht mehr ‘der Bauer' sondern ‘mein Landwirt aus dem Dorf’.”

Sebastian Horn

Sebastian Horn (24), ist Legehennenhalter aus Lage-Hörste und bloggt auf Instagram und Facebook:

"Unser Betrieb liegt mitten im Dorf. Daher haben wir uns 2017 für eine Facebook-Seite entschieden. Uns ist die Kommunikation mit der Bevölkerung sehr, sehr wichtig. Deshalb nutzen wir Facebook, um auf unsere Arbeit aufmerksam zu machen und zu informieren, was auf den Feldern gerade so ansteht. Posts wie: „Morgen geht die Ernte los, es könnte staubig werden“ oder „Morgen lassen wir Gärreste ausbringen, bitte lasst doch eure Fenster geschlossen“, sorgen für mehr Verständnis in der Bevölkerung. Ich habe gemerkt, dass die Leute dadurch Interesse entwickeln. Auf einmal ist man nicht nur „der Bauer”, sondern „mein Bauer aus dem Dorf”. Die Bürger kommen zu uns, fragen nach und schauen sich unseren Betrieb an. Ein weiterer Punkt ist, dass wir viel für unser Dorf tun und zum Beispiel Wege mulchen, Nistkästen aufhängen oder auch Aktionen mit Grundschulen und Kindergärten veranstalten. Auch das möchte ich über unsere Social-Media-Kanäle – mittlerweile bespielen wir auch Instagram – öffentlich machen.

Ich möchte zeigen, dass wir nicht nur auf dem Acker rumfahren, sondern uns für unseren Ort engagieren. Dass ich damit auf dem richtigen Weg bin, hat unser Stallbau gezeigt. Wir bauen einen Legehennenstall an einem Wanderweg. Das Genehmigungsverfahren hat drei Jahre gedauert und wir wollten das selbst schon an den Nagel hängen. Aber die Leute aus dem Ort haben uns dazu ermutigt, weiterzukämpfen.“

“Ich schreibe nicht nur für Verbraucher, sondern auch für Landwirte.”

Julia Göggelmann

Julia Göggelmann (23) ist Milchviehhalterin aus Kammeltal und auf Instagram aktiv:

"Mit dem Bloggen habe ich angefangen, als ich 2018 auf die Alp gegangen bin. Im Prinzip war das eine spontane Idee, um den Alltag auf einer Alp zu zeigen. Ich finde es wichtig, die Öffentlichkeit in den Alltag von uns Landwirten einzubeziehen. Das haben wir in den letzten Jahren ein bisschen verschlafen. Die Alp hat sich als Thema dann ganz gut geeignet, weil es nicht so ganz alltäglich ist.

Mittlerweile bin ich zwar nicht mehr auf der Alp, blogge aber trotzdem weiter. Am liebsten schreibe ich über Tiere, hauptsächlich über unsere Milchkühe und in dem Zusammenhang über die täglichen Arbeiten, aber auch besondere Sachen. Im letzten Jahr haben wir zum Beispiel einen neuen Trockensteherstall gebaut, aktuell schreibe ich gerade etwas über den neuen Gummiboden im Stall. Das interessiert dann nicht nur Verbraucher, sondern auch andere Landwirte. Darauf lege ich auch Wert, denn ich finde es sehr wichtig, dass wir Junglandwirte uns untereinander austauschen. Das war während Corona zwar teilweise etwas schwierig, dennoch sind Onlinevorträge und -meetings eine gute Möglichkeit, einen virtuellen Blick über den Tellerrand zu wagen.“

“Nur, weil man vom Dorf kommt, heißt das nicht, das man sich in Landwirtschaft und Jagd auskennt.”

Fritz Dikhoff

Fritz Dikhoff (22) aus Eixen berichtet auf Instagram über die Sicht des Jägers und Landwirts:

"Mir fehlte bei den Agrarprofilen auf Instagram und Co. die Verknüpfung von Jagd und Landwirtschaft. Also habe ich mir gedacht: Machste das eben selbst. Seit 2019 zeige ich auf meinem Instagram-Profil, wie Jagd und Landwirtschaft Hand in Hand gehen. Einerseits will ich das stumpfe Bild vom dummen Bauern, der nur geradeaus Trecker fährt, aus den Köpfen der Bevölkerung vertreiben.

Andererseits will ich zeigen, dass der Jäger den Finger öfter gerade lässt, als dass er ihn krumm macht. So poste ich nicht nur Bilder von erlegten Riesenkeilern, sondern auch Videos von Bachen mit ihren Frischlingen, die direkt an meinem Hochstand vorbeilaufen.

Außerdem ist mir auch der Austausch untereinander wichtig, zwischen jungen Leuten vom Land. Denn nur weil man vom Dorf kommt, heißt das ja zum Beispiel nicht, dass man sich im Jagdbereich gut auskennt. Generell ist der Wissensaspekt in den sozialen Medien sehr wichtig für mich. Ich selbst nutze Instagram und Facebook nicht nur zur Unterhaltung, sondern hauptsächlich als wichtige Informationsquelle. Und in dieselbe Kerbe will ich mit meinem Kanal auch schlagen.“

“Nach dem Shitstorm dachte ich mir: jetzt erst recht.”

Landwirtin und Bloggerin  Julia Schmid aka Fräulein Deere

Julia Schmid (31) ist Milchviehhalterin aus Neufraunhofen und auf Instagram und Facebook als Fräulein Deere bekannt:

"Fräulein Deere gibt’s seit 2012 auf Facebook. Ich habe damit angefangen, weil mich die Vorurteile über Frauen in der Landwirtschaft aufgeregt haben. Ich wollte den Leuten einfach zeigen, was ich den ganzen Tag wirklich mache. Dabei ist mir wichtig, dass ich mir selbst treu bleibe. Ich zeige meinen Alltag und meine Methoden. Das ist für den Leser am besten verständlich. Gleichzeitig macht man sich am wenigsten angreifbar, wenn man nur für sich selbst spricht.

Wie wichtig das ist, musste ich auch schon erleben, als ein ganz unscheinbarer Post einen Shitstorm verursacht hat. Ich war beim Frisör und habe eine Klatschzeitung gelesen. Auf dem Titel ging es irgendwie um Kinder des englischen Königshauses. Das hat eine Veganerin aus der Gegend aufgegriffen und mir vorgeworfen, ich würde mich für diese Kinder interessieren, für die Kinder meiner Kühe aber nicht.

Das wurde dann ganz übel, mit Morddrohung und allem Drum und Dran. Danach habe ich eine Zeit lang ein bisschen weniger gebloggt und nichts mehr mit Tieren. Aber dann habe ich irgendwann beschlossen, dass ich mir von solchen Menschen meinen Job nicht verderben lasse. Außerdem überwiegen die positiven Erlebnisse und Reaktionen und mir macht das Bloggen einfach Spaß.“

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