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Politik national

Agrarpolitiker positionieren sich zur Landtagswahl

am Montag, 24.08.2009 - 14:37 (Jetzt kommentieren)

Berlin - Wenn am 30. August knapp zwei Millionen Thüringer zur Landtagswahl aufgerufen sind, haben die Bauern einen Wahlkampf hinter sich, der schon während der Ernte begann.

Angesichts der schlechten Marktpreise für viele Produkte geht es für die Landwirte vor allem ums Geld. Mit der Wirtschaftskrise rücken dabei auch die von der Landesregierung gesetzten Rahmenbedingungen in den Mittelpunkt.

Wie Landwirtschaftsminister Dr. Volker Sklenar erklärte, ist die Landesregierung bestrebt, in den nächsten beiden Jahren Landesmittel "mindestens in etwa der Höhe des Haushalts 2009" für die Landwirtschaft einzusetzen beziehungsweise ausreichend Landesmittel aufzubringen, um die zur Verfügung stehenden Drittmittel von der Europäischen Union und dem Bund kofinanzieren zu können. Dazu gehörten auch die durch den Health Check und das EU-Konjunkturprogramm zusätzlich bereitgestellten Gelder aus Brüssel.

Die Bestrebungen des Einsatzes von Landesmitteln in den nächsten Jahren stünden allerdings in Abhängigkeit zur Entwicklung der konjunkturellen Lage, erklärte der CDU-Politiker. Zugleich räumte er ein, dass für die Haushaltsjahre 2010 und 2011 noch keine Haushaltsplanung existiere. Daher könnten noch keine verbindlichen Aussagen über den zur Verfügung stehenden Rahmen an Landesmitteln für die Landwirtschaft getroffen werden.

Kritik an Modulations-Aufschlag für Großbetriebe

Zweitstärkste Fraktion im Erfurter Landtag ist Die Linke. Deren Agrarsprecherin Dr. Johanna Scheringer-Wright unterstrich, nach der ungerechten Kürzung der Agrarbeihilfen im Zuge des Health Checks sei es unabdingbar, die Höhe der Landesmittel für den Bereich Landwirtschaft und ländlicher Raum zu halten. Dabei müssten die Maßnahmen im Programm zur Förderung umweltgerechter Landwirtschaft, Naturschutz und Landschaftspflege (KULAP) so gestrickt werden, dass sie auch attraktiv genug seien, um von den Landwirten abgerufen zu werden. Das sei in der Vergangenheit nicht immer so gewesen, erklärte die gebürtige Bayerin, die in Göttingen zu Stickstofffragen in der Pflanzenproduktion promovierte und sich nun um den Wiedereinzug in den Erfurter Landtag bemüht. Aufgrund ihres Listenplatzes muss ihre Partei Die Linke dafür ein ähnliches Ergebnis erreichen wie bei der Wahl 2004, als sie es mit 26 Prozent der Stimmen auf 28 Sitze brachte.

Eigenständiges Agrarressort erhalten

In einer aktuellen infratest dimap-Umfrage von Mitte August kommt Die Linke mit ihrem aus dem Westen Deutschlands stammenden Spitzenkandidaten Bodo Ramelow auf 24 Prozent der Stimmen und rangiert damit vor der von Christoph Matschie geführten SPD mit 20 Prozent, der FDP mit neun Prozent und den Grünen mit sechs Prozent. Stärkste Fraktion bleibt laut Umfrage die CDU unter Ministerpräsident Dieter Althaus mit 34 Prozent; das sind neun Prozentpunkte weniger als vor fünf Jahren. In den Thüringer Landtag werden 88 Abgeordnete gewählt, davon eine Hälfte als Direktkandidaten, die andere über die Landeslisten.

Minister Sklenar wird nicht mehr zu ihnen gehören. Er wollte nach vier Legislaturperioden nicht mehr kandidieren, hat aber angekündigt, das Erfurter Agrarressort noch maximal zwei Jahre zu führen. Dem Diplomlandwirt untersteht auch die Umweltpolitik.

Thüringer Bauernverband: Eigenständiges Ministerium erhalten

Der Thüringer Bauernverband (TBV) fordert vor dem Hintergrund des erwarteten Machtwechsels den Erhalt des eigenständigen Ministeriums einschließlich Umwelt und Naturschutz mit einem ausgewiesenen Fachmann an der Spitze sowie einem Tierarzt als Leiter der obersten Veterinärbehörde. Außerdem verlangt der TBV den Erhalt des Agrarausschusses im Thüringer Landtag.

Akzente in der Zweiten Säule

Einig sind sich CDU, SPD und Die Linke in Thüringen darin, dass der Erhalt einer nachhaltigen flächendeckenden Landbewirtschaftung zur Sicherung der Ertragsfähigkeit und Produktivität in der nächsten Legislaturperiode Priorität haben soll. Dafür werden laut Sklenar wichtige Weichen gestellt, wenn es um die weitere Ausgestaltung der europäischen Agrarpolitik nach 2013 geht. Auf Landesebene sieht der Minister ein wichtiges Ziel in der Stärkung der Tierproduktion, die vielfältigen Möglichkeiten der Diversifizierung in den landwirtschaftlichen Unternehmen zur Erhöhung der Wertschöpfung biete. Hier sollen nach den Vorstellungen des CDU-Politikers auch Gelder aus den Programmen für den ländlichen Raum helfen.

Konkret ist die Verwendung der Mittel zur Anpassung des Agrarinvestitionsförderungsprogramms für die Milchproduktion durch eine Anhebung des Fördersatzes auf 40 Prozent und des förderfähigen Investitionsvolumens auf fünf Millionen Euro geplant. "Weiter ist mit diesen Mitteln die Anhebung der bestehenden KULAP-Beihilfen vorgesehen, und das KULAP wird um die drei neuen Maßnahmen 'Anwendung von bodenschonenden Produktionsverfahren im Ackerfutterbau', 'Klimaschonender Anbau von Körnerleguminosen' und 'Ausbringung von flüssigen Wirtschaftsdüngern auf Acker- und Grünland mit besonders umweltfreundlichen und bodenschonenden Verfahren' erweitert", erklärte Sklenar zur Verwendung von Geldern aus der Modulation.

Fehlender Akzeptanz für Stallbauten entgegenwirken

Eine wichtige Aufgabe besteht für die Bundesländer in den nächsten Monaten darin, sich für die acht neuen Kriterien der EU-Kommission zur Einteilung der benachteiligten Gebiete zu wappnen. Künftig soll es nur noch um naturbedingte Nachteile gehen, was die Regionen EU-weit spätestens im Herbst durchspielen müssen. "Ergebnisse der Simulation liegen für Thüringen bis zum heutigen Tag noch nicht vor. Probleme bereitet nach wie vor die Beschaffung und Prüfung der Datengrundlagen für die einzelnen Kriterien", sagte Sklenar dazu. So müssten beispielsweise nur großräumig verfügbare Daten zu Witterung oder zum Bodenwasserhaushalt auf Gemeindeebene transferiert werden. Belastbare Ergebnisse der Simulation mit allen acht Kriterien würden nicht vor Oktober vorliegen. Die Vorlage bei der Europäischen Kommission müsse bis zum Januar 2010 erfolgen.

Ein besonderes Anliegen ist Sklenar die Tierproduktion. Hier beklagt er die fehlende Akzeptanz in Teilen der Bevölkerung für Stallneubauten und -erweiterungen. Künftig müssten mehr Anstrengungen unternommen werden, um diesen Trend aufzuhalten. Der CDU-Minister will darauf achten, "dass keine Ungleichbehandlung der Thüringer Landwirte im Zuge der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren erfolgt, da dies zur Destabilisierung der regionalen Produktion führen würde".

Warnung vor Zentralisierung

In der Heimat der Thüringer Bratwurst will auch Linken-Agrarsprecherin Scheringer-Wright eine Stärkung der Tierproduktion. Gegenüber AgE setzt sie aber einen etwas anderen Akzent als Sklenar: Entscheidender als das Genehmigungsrecht sind für sie die verstärkte Anwendung und der Ausbau artgerechter, umweltverträglicher Tierhaltungsanlagen sowie eine öffentliche Debatte in der Gesellschaft, um die Entfremdung zwischen Konsumenten und der Primärproduktion zu überwinden. Zur Stützung des Milchmarkts lehnt die Linken-Politikerin eine Schlachtprämie ab, da es ihrer Ansicht nach dann zu einer Zentralisierung der Milchproduktion in Thüringen und insgesamt zu einem Abbau von Arbeitsplätzen komme.

Eine Risikoausgleichsrücklage - diese fordert seit geraumer Zeit der Deutsche Bauernverband (DBV) - befürwortet Scheringer-Wright. Potential sieht sie für den Ausbau der erneuerbaren Energien. In diesem Bereich will Die Linke eine Energieagentur einrichten, die einen Plan für den weiteren Ausbau der regenerativen Ressourcennutzung entwerfen soll. Bislang sei Thüringen nur bei der Energieerzeugung aus Biomasse führend. Alle anderen erneuerbaren Energiequellen seien bislang vernachlässigt worden. Scheringer-Wright sieht mit den Bündnisgrünen und der SPD gerade bei ökologischen und auch energetischen Fragen "große Schnittmengen". Dissens bestehe hingegen bei der "Marktgläubigkeit der beiden Parteien" und bei der Beurteilung, was die Weiterentwicklung der Agrarsubventionen angehe.

SPD will EU-Mittel voll abrufen

Einer steuerfreien Rückstellung von Gewinnen für die Landwirte steht man auch in der Thüringer SPD positiv gegenüber. Kritisch im Auge behalten wollen die Sozialdemokraten die Auswirkungen der Agrardieselbesteuerung im Freistaat. Mit Blick auf die Landesfinanzen gibt die SPD als Ziel aus, "die für die Landwirtschaft zur Verfügung stehenden Mittel in vollem Umfang kozufinanzieren und abzurufen". Abgelehnt wird eine weitere Benachteiligung von Betrieben aufgrund ihrer Betriebsgröße, Rechtsform oder Produktionsrichtung. Die im Rahmen der Modulation anfallenden Mittel sollten landwirtschaftlichen Betrieben wieder zugute kommen, beispielsweise für Investitionsfördermaßnahmen oder für sinnvolle Maßnahmen des Klima- und Umweltschutzes.

Was die neuen Kriterien der EU-Kommission für die benachteiligten Gebiete angeht, so ist nach dem Dafürhalten der Sozialdemokraten die bisherige Gebietskulisse in Thüringen weitgehend akzeptiert und gerechtfertigt. Die Partei will sich gegenüber Brüssel dafür einsetzen, diese Gebietskulisse im gegenwärtigen Umfang zu erhalten. Mit Blick auf den Milchmarkt wollen die Sozialdemokraten die Landwirte als Gegengewicht zum Einzelhandel stärken. "Eine SPD-geführte Landesregierung wird sich im Bundesrat dafür einsetzen, dass dafür die wettbewerbsrechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden", kündigen die Sozialdemokraten an, die im Übrigen eine Verschärfung der Saldierungspraxis bei der Quotenüberlieferung kritisch sehen. Dieses Instrument sollte allenfalls in Abstimmung mit den Milchproduzenten umgesetzt werden.

Grüne für mehr Ökokooperation mit benachbarten Regionen

Wie die Bündnisgrünen in ihrem Wahlprogramm betonen, zielt ihre Politik für die Landwirtschaft und den ländlichen Raum nicht darauf ab, auf noch mehr finanzielle Unterstützung zu hoffen. Vielmehr wollen die Grünen speziell die Wettbewerbsfähigkeit von benachteiligten Gebieten, Grenzertragsstandorten und arbeitskraftintensiven Unternehmen wie etwa grünlandbetonten Milchviehbetrieben stärken, nicht zuletzt durch mehr Ökolandbauförderung. Den von der Thüringer Landesregierung angestrebten Ausbau des Biolandbaus auf zehn Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche hält die Ökopartei für realistisch. "Auf dem Weg dorthin müssen mindestens zehn Prozent der finanziellen Mittel für betriebliche Unterstützung, Forschung und Öffentlichkeitsarbeit zweckgebunden für die ökologische Landwirtschaft zur Verfügung gestellt werden", verlangen die Grünen, die sich die bisher bescheidene Umstellung auf Ökolandbau in Thüringen mit den "nur gering ausgeprägten Verarbeitungskapazitäten" erklären.

Dringend erforderlich sei deshalb eine Unterstützung bei der Verarbeitung, um die Wertschöpfung in der Region zu steigern. Dazu sollte die Zusammenarbeit mit den benachbarten Bundesländern verstärkt werden. Was die Tierhaltung angeht, so sehen auch die Thüringer Grünen angesichts eines Selbstversorgungsgrades von 70 Prozent Nachholbedarf in der Schweinehaltung. Sie wandten sich aber Mitte August erneut gegen die Pläne der Nordhäuser Schweinemast GmbH & Co. KG, in Immenrode bei Sonderhausen eine Schweinemastanlage mit rund 13.000 Plätzen zu errichten. Das Vorhaben des Unternehmens, einem Ableger der van Asten Tierzucht aus Nordhausen, einem großen Agrarunternehmen aus der Region mit einer Fläche von rund 2.100 Hektar, das auch in der Tier- und Biogasproduktion aktiv ist, stößt auch bei Umweltgruppen auf Widerstand. Das Antragsverfahren nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz ruht derzeit.

TBV-Forderungskatalog

Konkrete Anliegen an die Politik hat der TBV zur Landtagswahl am 30. August. Er verlangt unter anderem, die Zahl der Ausbildungsberater in den Landwirtschaftsämtern nicht weiter zu reduzieren, den landwirtschaftlichen Berufsnachwuchs zu unterstützen und eine Fachhochschulausbildung für den Agrarbereich im Freistaat zu schaffen. Gesichert werden sollen zudem die Forschungs- und Beratungstätigkeit der Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft und der Erhalt der angewandten Agrarforschung. Der Bauernverband plädiert auch für den Verzicht auf Raumordnungsverfahren für landwirtschaftliche Vorhaben. Was die benachteiligten Gebiete angeht, so verlangt der TBV die Beibehaltung der Gebietskulisse auf Basis der landwirtschaftlichen Vergleichszahlen und den Erhalt der Ausgleichszulage mindestens auf der bisherigen Höhe der Fördersätze.

Beim KULAP tritt der Verband für eine Weiterführung des Programms nach 2013 und eine Honorierung zusätzlicher Anforderungen ein. Gewarnt wird vor Einschränkungen für die Landwirtschaft auf den Natura-2000-Flächen. Mit Blick auf die ländliche Infrastruktur will der Bauernverband eine flächendeckende Breitbandversorgung vorangetrieben sehen und fordert unter anderem die Abschaffung der Gebührenpflicht für die Einleitung von Regenwasser in öffentliche Kanäle. (AgE)

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