Die Vertreter der neuen Mitgliedstaaten wiesen auf die Bedeutung einer faireren Verteilung der Direktbeihilfen hin, und zwar entweder unmittelbar ab 2014 oder nach einer möglichst kurzen Übergangszeit.
EU-15: Von 'historischen Zahlungen' abrücken
Aus den Reihen der EU-15 wurde vielfach die Notwendigkeit der Abkehr von historisch begründeten Zahlungen eingeräumt. "Wir sind zu einer gerechteren Verteilung bereit, selbst wenn das Einschnitte für uns bedeuten würde", erklärte beispielsweise Frankreichs Landwirtschaftsminister Bruno Le Maire. Staatssekretär Dr. Robert Kloos vom Bundeslandwirtschaftsministerium unterstrich, dass Änderungen schrittweise erfolgen müssten. Beide lehnten die Idee einer EU-weiten Flatrate ab.
Konkrete Beträge: Bundesregierung will EU-Gesamthaushalt abwarten
Über konkrete Beträge will die Bundesregierung erst reden, wenn der EU-Gesamthaushalt 2014 bis 2020 bekannt ist. Kloos betonte, dass Berlin sich für eine Begrenzung der Finanzierung auf ein Prozent des Bruttonationaleinkommens ausgesprochen habe. Die polnische Forderung nach einer deutlichen Aufstockung der ländlichen Entwicklung zu Lasten der Direktbeihilfen kommentierte er mit den Worten: "Wenns ums Geld geht, muss die Gesamtschau stimmen". Kloos erinnerte daran, dass Polen einer der größten Nettoempfänger von Agrargeldern sei.
Öffentliche Leistungen ja, ausufernde Bürokratie nein
Während die Pläne für eine stärkere Umweltausrichtung der Agrarförderung mit Blick auf die künftige Legitimierung von Steuergeldern prinzipiell gutgeheißen wurden, fragten sich viele Minister, was dies wohl für praktische Auswirkungen auf die Verwaltungslast der Landwirte haben wird. Als Tenor der Redebeiträge schlug folgende Botschaft durch: eine stärkere Knüpfung der Beihilfen an öffentliche Dienstleistungen ja, aber nicht zum Preis von noch mehr Bürokratie. Österreichs Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich regte an, statt neuer Instrumente lieber die Regelungen zum Erhalt der Flächen in einem guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand (GLÖZ) auszubauen.
EU-Wasserrahmenrichtlinie nicht in Cross-Compliance-Auflagen bringen
Auch Kloos hält die Möglichkeit ausufernder Bürokratie für das Hauptproblem an den Vorschlägen der Kommission zur Zukunft der EU-Agrarpolitik. Vor Journalisten kritisierte er unter anderem die Idee, die EU-Wasserrahmenrichtlinie in Cross-Compliance-Auflagen einzubringen. Der Staatssekretär befürchtet hierdurch eine Benachteiligung gerade auch für Landwirte mit kleinen Flächen. Hier will die Bundesregierung in den anstehenden Verhandlungen gegensteuern.
Berlin sagt Nein zur Obergrenze für Großbetriebe
Eine Obergrenze der Zahlungen für Großbetriebe kommt für Berlin weiterhin nicht in Frage. Die von der EU-Kommission angeregte Bindung an die Arbeitskräftezahl ist dabei für Kloos ebenfalls indiskutabel, weil die Beihilfen auf diese Weise in die Nähe der Sozialpolitik gerückt würden. Ferner widerspräche dies dem Prinzip der Entkopplung und sei mit Blick auf die Welthandelsorganisation (WTO) bedenklich, gab der Staatssekretär zu bedenken.
Neben Deutschland sprachen sich auch
- Tschechien,
- die Slowakei und
- Rumänien gegen eine Kappung der Zahlungen aus,
während Portugal und Griechenland eine solche Deckelung ausdrücklich unterstützten.
Deutschland bei Umwelt- und Naturschutz führend
Insgesamt gab sich Kloos jedoch "entspannt und offen für weitere Beratungen". In der Kommissionsmitteilung gebe es viele Positionen, die Berlin unterstützen könne. Die Brüsseler Behörde weise mit ihrer Schwerpunktverlagerung auf Umwelt und Naturschutz einen Weg, auf dem Deutschland schon weit fortgeschritten sei. Der Staatssekretär stellte fest, dass sich hierzulande die Förderung tendenziell in Richtung extensiv wirtschaftender Betriebe verschiebe. Bis 2013 werde es eine Flächenprämie von durchschnittlich 310 Euro/ha geben, unabhängig ob es sich dabei um Acker- oder Grünland handle. Daneben pochte er auf eine klare Trennung zwischen Direktzahlungen, Marktmaßnahmen und ländlicher Entwicklung.
Benachteiligte Gebiete sollten aus deutscher Sicht grundsätzlich über die Zweite Säule gefördert werden. Wenn die Kommission zusätzliche Zahlungen über die Erste Säule erwäge, müsse sie erklären, wie das gehen solle, forderte Kloos.
Le Maire: Vorsicht vor Südamerika
Le Maire verlangte gemeinsam mit seinen Amtskollegen aus Italien und Irland, Giancarlo Galan und Sean Connick, Konsistenz zwischen der Agrar- und der Handelspolitik der EU. Die drei Minister mahnten zu höchster Vorsicht bei den laufenden Freihandelsgesprächen mit dem südamerikanischen Mercosur-Block. Sie verlangten von der Kommission, die die Verhandlungen führt, hinsichtlich des Verlaufs der Gespräche mehr Transparenz gegenüber den Mitgliedstaaten und eine umfassende Folgenabschätzung bezüglich der Auswirkungen eines möglichen Abkommens. Galan beschwor die Gefahr einer zu weiten Marktöffnung, insbesondere für den EU-Fleischsektor. Agrarkommissar Dr. Dacian Cioloş sicherte dem Rat zu, dass man ihn auf dem Laufenden halten werde und kündigte die Vorlage einer Folgenabschätzung für Anfang 2011 an. Cioloş betrachtet die Mercosur-Verhandlungen selbst skeptisch und warnte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso Ende Oktober in einem Brief vor einem zu schnellen Vorgehen.
Begriff 'aktiver Landwirt' muss definiert werden
Wiederkehrend war der Ruf nach einer hinreichenden Definition des Begriffs "aktiver Landwirt". Nur der soll nämlich nach dem Willen der Kommission künftig unterstützt werden. Vor Journalisten hob Cioloş hervor, dass man mit diesem Konzept auf eine Kritik des Europäischen Rechnungshofs eingehe. Man werde in den kommenden Monaten noch genau herausarbeiten müssen, wer alles unter diese Kategorie falle und vor allem auch, wer nicht. Nach seiner persönlichen Auffassung gefragt, antwortete der Kommissar, ein aktiver Bauer müsse Agrargüter produzieren und das Land bewirtschaften.
Ciolos will Bedenken wegen Bürokratiewachstums zerstreuen
Ferner versuchte der Rumäne, Bedenken hinsichtlich des allgemein befürchteten Bürokratiewachstums zu zerstreuen. Im Rahmen von Cross Compliance habe man vor, genau zu klären, welche Maßnahmen zur Erfüllung der Auflagen notwendig seien. Mit der angedachten Ökologisierungskomponente, dem "Greening" der Direktzahlungen, wolle man gerade keine neuen Vorschriften einführen, sondern zum allgemeinen Aufgreifen landwirtschaftlicher Praktiken ermutigen, die mancherorts bereits durchgeführt würden, erklärte Cioloş. Er erinnerte an die genannten Beispiele Fruchtfolge, Erhalt der Gründecke oder Dauergrünland. (AgE)
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