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Politik national

Bodenrecht rückt in den Fokus

am Montag, 18.11.2013 - 09:23 (Jetzt kommentieren)

Göttingen - Die Entwicklung auf dem Bodenmarkt ruft zunehmend die Politik auf den Plan. Nach Sachsen-Anhalt erwägt auch die niedersächsische Landesregierung Änderungen im Bodenrecht.

Landwirtschaftsminister Christian Meyer kündigte auf der Herbsttagung der Agrarsozialen Gesellschaft (ASG) vergangene Woche in Göttingen für Anfang nächsten Jahres ein Symposium zu dem Themenbereich "Entwicklungen auf dem Bodenmarkt" an.
 
Dann werde man prüfen, ob und, wenn ja, welche Änderungen insbesondere im Grundstückverkehrsgesetz notwendig sind, um den Einfluss von nicht-landwirtschaftlichen Investoren zu begrenzen. Auch die Erfahrungen anderer Länder würden dabei berücksichtigt.

Genaue rechtliche Prüfung wichtig

Unterdessen hat Sachsen-Anhalts Landwirtschaftsminister Hermann Onko Aeikens seine Absicht bekräftigt, in den kommenden Monaten konkrete Vorschläge zur Änderung des Gesetzesrahmens vorzulegen. Der CDU-Politiker nannte neben einer Anzeigepflicht im Landpachtverkehrsgesetz eine striktere Kaufpreiskontrolle im Grundstückverkehrsgesetz, mehr Spielraum für die Landgesellschaften beim Vorkaufsrecht sowie eine Kontrolle des Kaufs von Geschäftsanteilen landwirtschaftlicher Unternehmen.
 
Aeikens betonte, dass die Maßnahmen einer sorgfältigen Vorbereitung bedürften, um eine rechtlich einwandfreie Umsetzung zu gewährleisten. Als wesentlichen Preistreiber auf dem Bodenmarkt bezeichnete er die Biogasförderung. Unterabteilungsleiter Rainer Gießübel vom Bundeslandwirtschaftsministerium sieht noch erheblichen Klärungsbedarf. In der neuen Legislaturperiode müsse sorgfältig geprüft werden, "welche Maßnahmen wirklich weiterhelfen, um eine unerwünschte Konzentration der Verfügung über landwirtschaftlichen Boden zu vermeiden". Dabei werde man auch um eine neue Leitbilddiskussion für die Agrarstruktur nicht herumkommen.
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Anonymisierter Landwirtschaft fehlt die gesellschaftliche Akzeptanz
 
Aeikens verwies auf die Gefahren, die nach seiner Beobachtung mit dem Auftreten von nicht-landwirtschaftlichen Investoren für die Agrarstruktur sowie ländliche Regionen verbunden seien. Kaufkräftige Investoren machten es auch wirtschaftlich gesunden Unternehmen zunehmend schwerer, auf den Boden- und Pachtmärkten Schritt zu halten.
 
Der Minister sprach zudem von einem "fragwürdigen Umgang" mit landwirtschaftlichen Flächen, "wenn die Bewirtschaftung mit der Hilfe von Tiefladern erfolgt, die die Technik von einem Standort zum andern transportiert". Einer solchen anonymisierten Landwirtschaft drohe der Verlust der gesellschaftlichen Akzeptanz, auf die der Sektor jedoch auch in Zukunft dringend angewiesen sein werde, warnte Aeikens.
 
Amtskollege Meyer legt hingegen den Fokus auf den bäuerlichen Familienbetrieb. Dessen Interessen gelte es auch auf dem Boden- und Pachtmarkt zu schützen.

Landwirte müssen Vorrang vor Investoren haben

"Der Vorrang der aktiven Landwirte vor Investoren, die lediglich den Erwerb land- und forstwirtschaftlicher Flächen als ein Ziel der Vermögensanlage betrachten, muss gewährleistet werden", forderte der stellvertretende Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Udo Hemmerling . Die landwirtschaftliche Fläche bleibe zentrale Existenzgrundlage für die Bauern und sei anders als andere Produktionsfaktoren nicht vermehrbar. Der DBV-Vizegeneralsekretär sprach sich für Korrekturen des Grundstückverkehrsgesetzes aus, um Gefahren für die bäuerliche Landwirtschaft abzuwenden. Allerdings seien gesetzliche Eingriffe immer auch eine Gratwanderung im Hinblick auf den Schutz des Eigentums.

Schwarz-Weiß-Betrachtungen nicht hilfreich

Mit Nachdruck warnte Gießübel vor Pauschalurteilen in der aktuellen Diskussion um Entwicklungen auf dem landwirtschaftlichen Bodenmarkt. "Schwarz-Weiß-Betrachtungen sind in der schwierigen Materie ‚Bodenpolitik’ nicht hilfreich", sagte der Ministerialbeamte. Er räumte ein, dass es in bestimmten Regionen vor allem Ostdeutschlands zu einer verstärkten Konzentration von Bodeneigentum und Bodenbewirtschaftung komme, die das bisher bekannte Betriebsgrößenmuster deutlich übertreffe.
 
Differenziert beurteilt Gießübel die Auswirkungen von Holdingstrukturen auf die Entwicklung ländlicher Räume. So drohe ein Abfluss von Wertschöpfung und Erträgen aus der Region, weil Anteilseigner von Holdings ihre Gewinnanteile einforderten und das abgeflossene Kapital nicht mehr für Investitionen vor Ort zur Verfügung stehe. Während damit negative Effekte auf die regionale Wirtschaftskraft möglich seien, könnten andererseits Investitionen von Großunternehmen etwa in die Tierhaltung, die Energiegewinnung oder die Vermarktung zur Wertschöpfung in der Region beitragen.
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Keine Beschleunigung

Andreas Tietz , einer der Autoren der beiden Thünen-Studien zur Relevanz nicht-landwirtschaftlicher und überregional aktiver Investoren auf den landwirtschaftlichen Bodenmärkten und in der Landwirtschaft insgesamt, nannte das Thema "Investoren" vor allem ein ostdeutsches Phänomen.
 
Dies liege vor allem am Angebot großer Bewirtschaftungseinheiten, vergleichsweise niedrigen Bodenpreisen und an dem anhaltenden Generationswechsel in den dortigen Agrargesellschaften. In den ostdeutschen Fallregionen befänden sich inzwischen 38 Prozent der GmbH im Allein- oder Mehrheitseigentum eines Investors mit nicht-landwirtschaftlichen Kapitalverflechtungen. Minderheitsbeteiligungen durch solche Investoren spielten dagegen kaum eine Rolle.
 
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M-V: Bis zu 25 größere externe Investoren aktiv

Nach Recherchen von Prof. Theodor Fock und Dr. Joachim Kasten vom Fachbereich Agrarwirtschaft und Lebensmittelwissenschaften der Hochschule Neubrandenburg sind derzeit 20 bis 25 größere, externe Investoren in der Landwirtschaft von Mecklenburg-Vorpommern engagiert. Sie führten 25 bis 35 Landwirtschaftsbetriebe und bewirtschafteten rund 60.000 Hektar bis 70 000 ha landwirtschaftlich genutzte Fläche (LF). Das entspreche einem Anteil von fünf Prozent der LF in Mecklenburg-Vorpommern.
 
Fock schätzt das Engagement größerer Investoren im benachbarten Brandenburg als noch ausgeprägter ein. Der Wissenschaftler geht anders als seine Braunschweiger Kollegen nicht von einer kontinuierlichen Entwicklung aus.
 
Nach einer ersten Welle in den ersten Jahren nach der Wende, als vor allem Betriebe mit wirtschaftlichen Problemen gekauft worden seien, gebe es jetzt eine zweite Welle, die auf die gestiegene Attraktivität von Investitionen in den Agrarsektor zurückzuführen sei.
 
Differenziert fällt die Wertung des Wissenschaftlers im Hinblick auf die Rolle externer Faktoren aus. Fock: "Während das einzelne Engagement durch Sicherung von Arbeitsplätzen und neue Investitionen durchaus positiv wirken kann, würde eine Agrarstruktur, die stark durch ortsfremde Eigentümer geprägt wird, die Akzeptanz in der Gesellschaft voraussichtlich verlieren."

Spielraum für strengere Regulierung

Der Vorsitzende vom Bundesverband der gemeinnützigen Landgesellschaften (BLG) und Geschäftsführer der Landgesellschaft Sachsen-Anhalt, Dr. Willy Boß , verwies auf das Ergebnis einer vom BLG in Auftrag gegebenen Studie, nach der sowohl das Grundgesetz als auch das EU-Recht Spielraum für eine stringentere Regulierung des Grundstückverkehrs in Deutschland zuließen.
 
Die Zuständigkeit für das landwirtschaftliche Bodenrecht liege nach der Föderalismusreform bei den Ländern. Sie hätten jedoch keinen direkten Zugriff auf das Zivil-, Gesellschafts- und Steuerrecht, wo ebenfalls über Anpassungen nachgedacht werden könne.
 
Als ein Manko sieht Boß, dass die Übertragung von Geschäftsanteilen landwirtschaftlicher Unternehmen derzeit nicht von der Genehmigungspflicht nach dem Grundstücksverkehrsgesetz erfasst werde. Dies sei möglich, gestalte sich aber in der praktischen Umsetzung schwierig.

Komplexer Prozess

Für Prof. Silke Hüttel vom Department für Agrarökonomie der Humboldt-Universität Berlin gibt es keine einfachen Erklärungen für den landwirtschaftlichen Strukturwandel. Er sei vielmehr das Resultat komplexer und verlinkter Entscheidungsprozesse. Maßgeblich würden betriebliche Entscheidungen dabei von politischen Rahmenbedingungen beeinflusst. Eine zentrale Rolle im Strukturwandel misst die Wissenschaftlerin dem Bodenmarkt bei.
 
Nur ein funktionierender Bodenmarkt gewährleiste betriebliche Entwicklungsmöglichkeiten. Für bedeutsam hält Hüttel im Hinblick auf den Strukturwandel zudem Fragen der gesellschaftlichen Akzeptanz. Veränderte gesellschaftliche Ansprüche im Umwelt- und Tierschutz seien dabei treibende Kräfte in der strukturellen Entwicklung, und zwar neben dem technischen Fortschritt, der steigenden Nachfrage nach Nahrungsmitteln oder auch der Förderung erneuerbarer Energien.
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