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Kommentar

‚Böser Landwirt‘ versus ‚Dummer Verbraucher‘ - Dialog sieht anders aus

Facebook
am Mittwoch, 31.05.2017 - 07:00 (Jetzt kommentieren)

Auf Facebook ist eine hitzige Diskussion zwischen ‚Landwirt‘ und ‚Verbraucher‘ über Hundekot auf dem Feld entbrannt. Wie ein konstruktiver Dialog aussehen kann, machen einige wenige vor. Ein Kommentar.

Der Facebook-Post eines Leserbriefs, den vermutlich ein Landwirt verfasst hatte, entfachte in den vergangenen Tagen auf der agrarheute-Facebookseite eine rege Diskussion über Hundekot auf Feldern und Rücksichtnahme auf Wirtschaftswegen. Die Facebook-Debatte ist beispielhaft für viele Diskussionen zwischen den Fronten 'Landwirt' und 'Verbraucher/Nichtlandwirt', in denen gegenseitige Schuldzuweisungen und Beleidigungen an der Tagesordnung sind.

Immer wieder plädieren die Landwirte für mehr Dialog. Doch diese Chance ergreifen die Wenigsten - zumindest bei Facebook-Diskussionen. Erfreulicherweise beteiligen sich aber immer wieder Landwirte und auch Verbraucher, die um einen echten Dialog bemüht sind.

Dialog - zweck- und sinnlos?

Die Diskussion startete mit diesem Kommentar: "Fäkalbelastung der Äcker durch Hundekot? Ob Knußmann (Verfasser des Leserbriefs) schon einmal von Gülle gehört hat?"

Darauf folgte diese Antwort: "Hundekot ist ganz was anderes als Gülle... aber das hier auszuarbeiten und den Ignoranten zu erklären, ist eh zweck- und sinnlos." Damit wäre der "Dialog" eigentlich beendet.

Doch die Community lässt nicht locker. Die Diskutanten wollen Antworten auf die Frage, "warum Keime aus Schweinekot denn jetzt weniger gefährlich sind, als Keime aus Hundekot. Und erklär doch mal, warum die Exkremente von 27,4 Mio. Schweinen jetzt weniger problematisch sind, als von 8,6 Mio. Hunden." Eine geeignete Vorlage für einen aufklärenden Verbraucherdialog. Es folgt aber so manch diskreditierender Kommentar in Richtung "dummer Verbraucher".

So sieht konstruktiver Dialog aus:

Doch einige User nehmen die Frage ernst. So antwortet einer mit den Argumenten:

"Hundekot ist meistens nicht untersucht worden vom Besitzer auf Keime, Bakterien etc. die den Pflanzen schaden könnten. Zudem wird, die jährlich aufs neue berechnete, maximale Ausbringmenge an Dünger überstrapaziert. Wir achten sehr darauf, dass auf unseren Flächen (und da spreche ich für meinen gesamten Berufsstand) nicht "einfach voll geschmissen wird" mit Dünger, sondern nur so viel, wie die Pflanze benötigt und wirtschaftlich, insbesondere für die Umwelt, tragbar ist. […] Und wir wissen nicht wo ihr Hund überall gespielt hat und was für Bakterien hinten alles wieder raus kommen, auf deren möglichen Infektionen wir kein Einfluss drauf haben."

Die Verbraucherin argumentiert zurück:

"Ich finde nur die Prioritätensetzung extrem faszinierend. Gerade Schweine sind uns Menschen extrem ähnlich, sind prima Inkubatoren... aber Hunde, die alle naslang zum Tierarzt geschleppt werden, sind ein Problem. Dabei zitiert Sie einen Artikel des Deutschlandfunks zu multiresistenten Keimen auf Gemüse."

Ein anderer Landwirt geht tiefer in die Materie, um der Verbraucherin Antworten auf ihre - vor dem Hintergrund der aktuellen Berichterstattung nicht unberechtigte - Frage zu liefern:

"Der Erreger 'Neospora caninum' ist Verursacher der Infektionskrankheit bei Haus- und Nutztieren Neosporose. Beim Rind ist Neosporose die weltweit am häufigsten nachgewiesene infektiöse Abortursache. Hunde stellen den Endwirt des Erregers dar. Von infizierten Hunden wird N. caninum massenhaft mit dem Kot ausgeschieden. Infizierte Hunde erkranken in der Regel nicht. […] Wenige Tage nach der Ausscheidung verwandeln sich die Oozysten des Erregers in ihr infektiöses Dauerstadium. Auf Weiden können diese bis zu 2 Jahre lang überleben und infektiös bleiben. Rinder, aber auch Schafe Ziegen, Pferde und Wildtiere infizieren sich durch Aufnahme von erregerhaltigem Material (Futter, Wasser)."

agrarheute-Artikel: Zusammenhang Hundekot und Keime

Respekt für den Anderen

Vor dem Hintergrund einer moralisch und emotional so aufgeladenen gesellschaftlichen Debatte wie sie derzeit um die moderne Tierhaltung und Landwirtschaft geführt wird, ist es nicht immer einfach einen kühlen Kopf zu bewahren. Dazu kommen Stalleinbrüche, Anzeigefluten von Tierrechtsaktivisten und Shitstorms am Feldrand. Um so mehr Respekt verdienen diejenigen Landwirte, die sich unbeirrt um einen konstruktiven Dialog bemühen.

Gerade bei Facebook-Diskussionen mit ihren unverblümten und oft unsachlichen Kommentaren, erfordert es viel Besonnenheit, die Debatte als eine Chance für einen Dialog zu begreifen. Doch es ist möglich - einige machen es vor. Dabei geht es darum, den Verbraucher in seinen Ängsten und mit seiner wie auch immer geformten Meinung ernst zu nehmen - auch wenn die Behauptungen einiger Personen den landwirtschaftlichen Experten noch so hahnebüchen erscheinen. So bleibt die Aufklärung über moderne Landwirtschaft nicht den Publikumsmedien mit ihrem Auflagen- und Quotendruck überlassen.

Warum ist ein Dialog auf Facebook so schwierig?

Auseinandersetzungen auf Facebook unterscheiden sich in ihrer Vehemenz deutlich von einer Face-to-Face-Diskussionen. Die "Höflichkeit" lässt dort oft zu Wünschen übrig. Warum das so ist, erklärt Lutz Staacke, Social-Media-Experte beim Deutschen Landwirtschaftsverlag, so: 

"Das Problem bei Kommentaren im Netz ist oft, dass diese zeitverzögert erscheinen und man die Mimik des Gegenübers nicht sieht. Am Telefon oder in der analogen Welt sehe ich sofort, wie meine Äußerung aufgenommen wird und kann gegebenenfalls berichtigen oder beschwichtigen. Online wird ein Kommentar schnell verfasst und in der Regel nicht gewartet bis der andere antwortet. Da kann man schon mal beleidigend sein, da ich nicht bemerke, wie es den anderen kränkt. Hinzu kommt, dass bei vielen Seiten auf Facebook die beliebtesten Kommentare weiter oben stehen. Dies sind in der Regel solche, die heftig diskutiert werden und viel Zustimmung bekommen. Egal aus welcher Richtung. Ein sachlicheres "Vielen Dank für den Artikel" oder ein "Das ist ein interessanter Aspekt." bekommt somit weniger Aufmerksamkeit und steht dann in der Reihenfolge meist weiter unten."

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