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Psychologie

Wie Corona die Seele belastet

Ein Mann steht vor einem Fenster, Schwarz-Weiß-Bild
am Freitag, 25.09.2020 - 09:50 (Jetzt kommentieren)

Dass Corona viele Wirtschaftszweige schwer beeinträchtigt, ist kein Geheimnis. Umfragen zeigen aber auch, wie sehr die Einschränkungen durch Covid-19 die Seele des Einzelnen und das gesellschaftliche Miteinander belasten.

Die Corona-Krise belastet viele Wirtschaftszweige schwer. Die Sorge um die pure Existenz raubt deshalb zahlreichen Menschen den Schlaf.

Doch ein anderes Problem wird oft noch unterschätzt: Die immer länger anhaltenden Covid-19-Maßnahmen beeinträchtigen massiv das gesellschaftliche Miteinander und den ganz alltäglichen Umgang mit anderen Menschen. Wir leiden unter fehlender Nähe.

Kinder sind oft stark verunsichert

Balkendiagramm  zur Umfrage über die Sorge, dass Kinder durch das eingeschränkte Betreuungsangebot während Corona beeinträchtigt werden

Vor allem Kinder sind davon oft betroffen. Nach den langen Homeschooling-Phasen sind sich viele fremd geworden. Eine Landwirtin aus der agrarfrauen-Facebookgruppe von agrarheute berichtete von einem Kindergeburtstag, bei dem die vormalig dicken Freunde beim ersten Treffen nach langer Zeit ganz befangen und unbehaglich miteinander umgingen. Jede Berührung wurde vermieden, wer husten musste, entschuldigte sich erschrocken.

Gerade jüngeren Schulkindern ist die Verunsicherung durch die äußeren Umstände sehr anzumerken. Kein Wunder, können ihnen doch auch erwachsene Vertrauenspersonen kaum verlässlich Auskunft geben, wie groß die Gefahr tatsächlich ist und wie lange die Corona-Restriktionen noch anhalten.

Laut einer Umfrage von ARD-DeutschlandTREND machen sich 63 Prozent der Deutschen große bis sehr große Sorgen um die Corona-bedingte Entwicklung ihrer Kinder (siehe Grafik).

Sorge um Senioren

In der Märzausgabe von "The Lancet" verwies ein Wissenschaftlerteam darauf, dass bei Personen, die bei früheren Infektionskrankheiten unter Quarantäne standen, teils langjährige Spätfolgen zu beobachten waren, und dass vor allem Kinder durch soziale Isolation und die Trennung von Gleichaltrigen ein viermal höheres Risiko für psychischen Erkrankungen aufwiesen als Altersgenossen ohne diese Einschränkungen.

In der agrarfrauen-Community äußerten sich zudem viele darüber, wie sehr die Sorge um Eltern und Großeltern sie umtreibt. Die empfohlene räumliche Distanz zwischen Kindern und Jugendlichen, die nach einer Ansteckung oft symptomlos bleiben, aber trotzdem andere infizieren können, und alten Menschen, die durch das Virus besonders gefährdet sind, ist gerade in Landwirtefamilien sehr schwierig. Die hier dominierenden Mehrgenerationenhaushalte werden in ihren täglichen Abläufen enorm beeinträchtigt. Das belastet Alt und Jung – auch dadurch, dass eine Kinderbetreuung durch die Großeltern entfällt und so die Eltern noch stärker in Anspruch genommen werden.

Streit und Gewalt können zunehmen

Im April dieses Jahres stimmten in einer agrarheute-Umfrage Landwirte ab, was sie in Corona-Zeiten am meisten belastet. Nach der Sorge um die wirtschaftliche Zukunft (38 Prozent der Umfrageteilnehmer) bedrückte 20 Prozent der fehlende Kontakt zu Freunden und Familie außerhalb des eigenen Haushalts.

11 Prozent sorgten sich um die Gesundheit ihrer Lieben im Allgemeinen, 8 Prozent ganz speziell um Senioren im eigenen Haushalt. Und 5 Prozent vermerkten eine aggressivere Grundstimmung mit Neigung zu heftigeren Streitigkeit bis hin zur Gewalt innerhalb der Familie.

Gefahr für psychisch vorbelastete Personen

Vor allem Menschen mit seelischen Vorbelastungen leiden oft noch stärker unter der Corona-Krise und ihren Restriktionen. Zukunftsängste – vor allem, wenn sie mit Schlaflosigkeit und Überarbeitung verbunden sind – verstärken die Neigung zum Burn-Out-Syndrom. Und Menschen mit Depressionen machen zudem die fehlenden sozialen Kontakte zu schaffen.

Die "Stiftung Deutsche Depressionshilfe" verweist auf die erhöhte Gefahr depressiver Schübe unter den anhaltenden Corona-Bedingungen und bietet auf ihrer Webseite Rat und Hilfe an.

Auch agrarheute befasst sich intensiver mit dem Thema Depressionen. Wenn Sie sich für diese Thematik interessieren, schauen Sie in unsere Novemberausgabe, die am 30. Oktober erscheint.

Und wenn Sie selbst von Depressionen betroffen sind oder in Ihrem Umfeld Menschen haben, die unter der gegenwärtigen Situation psychisch stark leiden, finden Sie hier einige Anlaufpunkte für Beratung und Hilfe:

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