Die Europäische Kommission wird es nach eigener Einschätzung bis zum Ende des Haushaltsjahres Mitte Oktober voraussichtlich nicht schaffen, über den Buchführungsabschluss genügend Mittel von den Mitgliedstaaten zurückzufordern, um die Vorgaben der EU-Finanzminister und des Europaparlaments einzuhalten. Das geht aus dem jüngsten Frühwarnbericht hervor, der in der vergangenen Woche bekannt wurde.
Defizit: Restmittel könnten Defizit ausgleichen
Die Lücke müsste dann über nicht verwendete Posten beispielsweise aus dem Bereich Marktmaßnahmen gedeckt werden. Aufgrund der stabilen Preissituation bei den wichtigsten Agrarprodukten und den deshalb vorhandenen Restmitteln für Marktmaßnahmen dürfte die Kommission keine Probleme haben, das Defizit auszugleichen.
Agrarhaushalt 2010: Mit weniger Geld gewirtschaftet, als eingeplant
Anders sähe es allerdings aus, wenn beispielsweise die Milchintervention wie im vergangenen Jahr auf vollen Touren liefe: Im vergangenen Jahr hätte eine ähnliche Entwicklung mutmaßlich zu Problemen geführt. Unter dem Strich ergibt sich durch diese Übung, dass im Agrarhaushalt 2010 am Ende mit weniger Geld gewirtschaftet wurde, als auf dem Papier stand.
Im Buchführungsabschluss prüfen EU-Finanzexperten regelmäßig, ob die nationalen Zahlstellen verlässliche, vollständige und korrekte Angaben gemacht haben. Die dabei ermittelten Ergebnisse sind allerdings nicht endgültig: Die Kommission behält sich das Recht vor, Ausgaben zu einem späteren Zeitpunkt zurückzufordern, wenn sich herausstellt, dass Beihilfen nicht in Übereinstimmung mit den EU-Vorschriften gezahlt wurden. Das geschieht dann in einem zweiten Schritt mit dem sogenannten Konformitätsabschluss.
Zielmarke der Finanzminister wird verfehlt
Die Finanzminister hatten bei der Festlegung des Agrarhaushalts 2010 darauf bestanden, dass durch das Auffinden von Unregelmäßigkeiten in der Buchführung 310 Millionen Euro eingetrieben werden sollten. Das sind zwar 180 Millionen Euro weniger als 2009 vorgesehen waren, aber 230 Millionen Euro mehr als die Kommission empfohlen hatte. Bis Ende April wurden auf diese Weise nur 16,8 Millionen Euro herbeigeschafft - ein Vielfaches dessen hätte aufgebracht werden müssen, um im Zeitplan zu bleiben. Auch wenn in den kommenden Monaten weitere Zuflüsse erwartet werden, dürfte es nicht reichen, um die Zielmarke von 310 Millionen Euro einzuhalten.
Zweckgebundene Einnahmen fallen gering aus
Ferner fielen die sogenannten zweckgebundenen Einnahmen mit insgesamt 522,7 Millionen Euro bislang relativ gering aus: Im vergangenen Haushaltsjahr wurde bereits Ende März mehr als das Vierfache dieser Summe verbucht. Diese Mittel wurden 2009 jedoch weitgehend aufgebraucht, so dass lediglich 141,5 Millionen Euro nach 2010 übertragen werden konnten. Hinzu kamen bis Ende April 188,8 Millionen Euro aus dem Konformitätsabschluss, ferner 92,4 Millionen Euro aus Unregelmäßigkeiten sowie 100 Millionen Euro durch die Superabgabe für Milchquotenüberschreitungen.
Einsparungen bei Milch erwartet
Die Töpfe für Marktmaßnahmen waren Ende April noch gut gefüllt. Insgesamt stehen 2010 für die diversen Bereiche 4 395,3 Millionen Euro zur Verfügung. Davon waren bis zum Stichtag 30. April 1 264,7 Millionen Euro ausgegeben - 241,4 Millionen Euro weniger, als machbar gewesen wären, um den Haushaltsplan einzuhalten. Besondern deutlich fiel diese sogenannte "Unterimplementierung" in den Bereichen Milch und Nahrungsmittelprogramme aus. Für Milch und Milchprodukte wurden bis Ende April lediglich 265,2 Millionen Euro aufgewendet; das waren rund 155 Millionen Euro weniger als möglich, um im grünen Bereich zu bleiben. Insgesamt stehen für den Milchsektor in diesem Jahr 943,1 Millionen Euro auf Abruf, davon 300 Millionen Euro im Rahmen des Ende 2009 kurzfristig eingerichteten Milchfonds.
Nahrungsmittelhilfe verzögert
Für Nahrungsmittelprogramme - darunter insbesondere die umstrittene Finanzierung der Lebensmittelverteilung an arme EU-Bürger - wurden während der ersten sechs Monate des Haushaltsjahrs nicht einmal 52 Millionen Euro ausgegeben, obwohl gut 161 Millionen Euro veranschlagt waren. Grund sind Verzögerungen beim Anlauf der Bedürftigenhilfe. Milchprodukte aus der Intervention werden beispielsweise erst seit Mai an innereuropäisch arbeitende Hilfsprogramme abgegeben. Bis zum Ende des Haushaltsjahrs sollen sich die Ausgaben jedoch beschleunigen.
Weitere Mittel im ein- oder zweistelligen Millionenbereich stauten sich in den Töpfen für
- Getreide,
- Verarbeitungsprodukte,
- Olivenöl,
- Textilpflanzen,
- Absatzförderung sowie
- Rind- und Kalbfleisch auf.
Schneller als gedacht flossen dagegen Gelder für
- Obst- und Gemüse sowie
- Weinbauprodukte.
Zucker: Ausgaben deutlich höher als veranschlagt
Für Zucker wurde sogar deutlich mehr ausgegeben als insgesamt veranschlagt, auch wenn sich der Posten mit 9,7 Millionen Euro vergleichsweise gering ausnimmt. Die Kommission geht davon aus, dass die vorgesehene Abgabe von Zucker unter der Bedürftigenhilfe elf Millionen Euro einbringen und damit die Bilanz wieder gerade rücken dürfte.
Restrukturierungsfonds gefüllt
Eine annähernde Punktlandung wurde mit den Ausgaben für
- Schweine- und Geflügelfleisch,
- Eier,
- Imkerei und
- sonstige tierische Produkte erzielt.
Dort waren am 30. April mit 62,2 Millionen Euro lediglich 0,4 Millionen Euro mehr verbraucht als zu diesem Zeitpunkt vorgesehen. Insgesamt stehen für diese Warengruppe 136,1 Millionen Euro zur Verfügung - hauptsächlich für Exporterstattungen.
Direktzahlungen: Größter Anteil am Agrarbudget
Den größten Anteil des Agrarbudgets machen erwartungsgemäß die Direktzahlungen aus: Insgesamt sind für die Landwirte 2010 Beihilfen in Höhe von 39 273,0 Millionen Euro vorgesehen. Der Großteil davon wurde bis Ende April bereits ausgeschüttet.
In den Restrukturierungsfonds für den Zuckersektor zahlten die Mitgliedstaaten im November 2009 die zweite Tranche in Höhe von 606,8 Millionen Euro für die Saison 2008/09. Ferner konnten mit 768,3 Millionen Euro an zweckgebundenen Einnahmen rund 50 Millionen Euro mehr als ursprünglich geplant von 2009 nach 2010 übertragen werden. Deshalb stehen für 2010 insgesamt 1.375,1 Millionen Euro zur Verfügung. Abzüglich bereits erfolgter Beihilfen zur Umstrukturierung beziehungsweise Diversifizierung in Höhe von 91,1 Millionen Euro verblieben Ende April 1.283,9 Millionen Euro im Fonds. (AgE)
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