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Neue Studie

Feinstaub: gesundheitsschädigend, aber zu wenig erforscht

Smog über Großstadt
am Mittwoch, 13.03.2019 - 09:40 (Jetzt kommentieren)

Eine neue Studie des Max-Planck-Institus für Chemie warnt vor erheblichen Gesundheitsschäden infolge von Feinstaub. Die Pressekonferenz dazu zeigte aber auch: Es besteht noch massiver Forschungsbedarf und plakative Aussagen sind mit Vorsicht zu genießen.

Am gestrigen Dienstag stellte das Max-Planck-Institut (MPI) für Chemie in Mainz eine neue Studie zum Thema Feinstaub vor. Über das Projekt war bereits vor Veröffentlichung heiß diskutiert worden, weil einer der Studienleiter, Prof. Dr. Jos Lelieveld, vor einigen Wochen in der WDR-Sendung "Monitor" aufgetreten war und dort von 50.000 vorzeitigen Todesfällen pro Jahr infolge von Ammoniak-Emissionen vornehmlich aus der Güllewirtschaft gesprochen hatte. Die Landwirtschaft, so hatte "Monitor" berichtet, sei damit der größte Feinstaubverursacher hierzulande.

Die Pressekonferenz zur genannten Studie sollte nun auch Aufklärung hinsichtlich dieses Vorwurfs bringen.

Forderung nach schärferen Feinstaubgrenzen

Auf der Pressekonferenz in der Uniklinik Mainz war zunächst von der Landwirtschaft als Feinstaubverursacher keine Rede. Prof. Lelieveld präsentierte die neuen Schätzwerte: Rund 2,2 Jahre Lebenszeit verliere jeder Deutsche im Schnitt durch die Feinstaubbelastung. Die bisher bestehenden Feinstaubgrenzwerte müssten daher dringend gesenkt werden – von derzeit 25 auf 10 Mikrogramm je Kubikmeter Luft. Letzterer Wert entspricht der Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation WHO.

Vielfältige Schäden durch Feinstaub

Prof. Dr. Thomas Münzel, Direktor der Kardiologie in der Universitätsmedizin Mainz, verschärfte mit seinem Vortrag die Warnungen: Feinstaub dringe über die Atemwege in den Organismus vor und verursache dort Gefäßentzündungen, Herz-Kreislauferkrankungen, Diabetes, Depressionen, Demenz und vieles mehr. Das sei bislang sträflich unterschätzt worden.

Rund 790.000 vorzeitige Todesfälle seien europaweit pro Jahr allein der Belastung durch Feinstaub zuzurechnen.

Zweifel an den Berechnungen

Eine solche Angabe vorzeitiger Todesfälle war allerdings im Vorfeld der Studienveröffentlichung scharf kritisiert worden. Mathematiker und Statistiker bemängelten, dass die angewandte Formel für diese Aussage ungeeignet sei (siehe "Unstatistik des Monats" zum Thema 50.000 vorzeitige Todesfälle durch die Landwirtschaft). Zudem sei für eine belastbare Beurteilung von Feinstaubauswirkungen ein sicherer Ausschluss weiterer Faktoren wie Stress, Lebensweise und berufliche Belastung notwendig.

Auf Nachfragen versicherten die Ansprechpartner auf der Pressekonferenz, der Störfaktorenausschluss sei korrekt erfolgt. Alle ausgewerteten Studien hätten die notwendigen wissenschaftlichen Kontrollinstanzen durchlaufen. Genauere Angaben könne man allerdings nicht machen.

Dennoch gab es zu den umstrittenen Todeszahlen eine wichtige Ergänzung. MPI-Direktor Prof. Dr. Ulrich Pöschl wies auf einen Fakt hin, der in bisherigen Diskussionen vernachlässigt wurde: Alle aufgeführten Zahlen sind mit einer hohen statistischen Fehlerwahrscheinlichkeit von 50 Prozent behaftet. Punktgenaue, plakative Aussagen wie in der erwähnten "Monitor"-Sendung seien deshalb heikel.

Erheblicher Forschungsbedarf zu den Wirkungsweisen

Hinsichtlich der Feinstaubverursacher hielt sich das MPI relativ bedeckt. War bei der "Monitor"-Sendung noch von der Hauptrolle der Landwirtschaft die Rede, ging es diesmal vor allem um die Kombination verschiedener Quellen. Auch die Ammoniakemissionen aus dem Agrarbereich wurden dabei genannt, allerdings in Verbindung mit anderen Ursprüngen wie Verkehr, Industrieabgase und Heizungen.

Der Feinstaub, der auf die Landwirtschaft zurückgeführt wird, entsteht in der Atmosphäre durch die Verbindung aus (landwirtschaftlichem) Ammoniak und Stick- bzw. Schwefeloxiden aus anderen Quellen. Die daraus entstehenden Salzpartikel sind leicht löslich, was im Vorfeld der Studie die Frage aufwarf, inwieweit diese Feinstaubfraktionen überhaupt die oben aufgeführten Auswirkungen im Organismus haben können, müssten sie sich doch im Kontakt mit der feuchten Schleimhaut sofort lösen.

MPI-Direktor Prof. Dr. Ulrich Pöschl führte aus, es sei denkbar, dass die Salze weitere Umweltstoffe transportieren, die dann ihrerseits im Körper Schaden anrichten. Generell sei allerdings bislang noch nicht feststellbar, welche Feinstaubfraktionen genau welche Wirkung hätten. Man könne aber wohl davon ausgehen, dass die Toxizität anderer Feinstäube höher liege. Alle drei Wissenschaftler auf der Pressekonferenz bestätigten, dass es in dieser Hinsicht noch erheblichen Forschungsbedarf gebe.

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