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Interview

Frauenquote im Bauernverband: "Frauen sichtbarer machen“

Juliane Vees
am Sonntag, 26.06.2022 - 06:00 (Jetzt kommentieren)

Frauen sind nicht nur als Landfrauen aktiv, auch im Bauernverband übernehmen sie immer mehr Ämter. Gerade hat der dbv mit Susanne Schulze Bockeloh seine erste Vizepräsidentin bekommen. Wir haben mit Juliane Vees, die sich seit vielen Jahren ehrenamtlich engagiert, gefragt, wie sie die Rolle der Frauen in der Landwirtschaft und in der Verbandslandschaft sieht.

Frau Vees, wie hat sich die Rolle der Frauen in der Landwirtschaft verändert?

Die Rolle hat sich stark verändert. Die Frau wird immer mehr als Mitunternehmerin, als Unternehmerin, als Betriebsleiterin wahrgenommen. Ich treffe tolle junge Frauen, die ganz selbstverständlich die Betriebe ihrer Familien oder auch von außerhalb übernehmen. Nichtsdestotrotz haben wir noch einiges zu tun in der Agrarbranche. Gerade bei der Hofübergabe gibt es nach wie vor Probleme mit der Rollenverteilung. Junge Frauen kommen bei der Hofübergabe immer wieder in den klassischen Konflikt: Sie müssen sich erst einmal die Rolle der Übernehmerin erkämpfen. Genau für diese Frauen wurde in Baden-Württemberg das sozioökonomische Programm „Starke Frauen, starkes Land“ ins Leben gerufen. Es soll die Frauen in ihrem Selbstbild auf den Betrieb stärken. Wir wollen alte Zöpfe abschneiden und Frauen Mut machen, ihren Platz auf dem Hof zu behaupten.

Wie sehen Sie das Thema Frauenquote in Wirtschaft und Verbänden?

Lange Jahre habe ich mich schwergetan mit dem Thema Frauenquote. Ich habe immer gedacht, wenn Frau gut ist, wird sie ihren Weg gehen. Im Laufe der Zeit habe ich dann aber gemerkt, dass es so einfach nicht ist. Ich würde es mittlerweile begrüßen, wenn wir eine Quote bekämen, zumindest für den Anfang. Eine Quote ist sinnvoll, um Frauen sichtbarer zu machen, bis ihre Teilhabe irgendwann zur Normalität wird.

Die Entwicklung im Deutschen Bauernverband, die von Präsident Rukwied angeschoben wurde, ist begrüßenswert. Wir haben die Chance bekommen, den Unternehmerinnen-Ausschuss zu gründen, und werden aus diesem Ausschuss eine Vertreterin ins Präsidium schicken. Das ist zunächst ein Sonderweg, aber ohne solche Sonderwege kommen wir nicht schnell genug voran. Vielleicht liegt der geringe Frauenanteil auch daran, dass die Frauen sich bisher nicht ganz so willkommen gefühlt haben. Der Ausschuss dagegen zeigt: „Wir freuen uns über eure Mitwirkung. Ihr spielt eine zentrale Rolle für die Zukunft.“ Das fühlt sich super an und ich freue mich riesig darauf. Ich spüre einen richtigen Aufbruch innerhalb der Agrarbranche. Es gibt viele Frauen, die sich jetzt melden und mitarbeiten wollen. Es ist ein toller Weg in die Zukunft.

Wurden Sie schon öfter gefragt, wie Sie den Spagat zwischen Familie, Betrieb und Ehrenamt schaffen? Und Ihr Mann?

Ich werde das regelmäßig gefragt. Und mein Mann wird regelmäßig gefragt, ob er schon verhungert ist, weil ich mal wieder unterwegs bin. Bei Männern wird nicht nach der Familie gefragt. Männer untereinander reden nicht so offen über private Dinge. Frauen werden jedoch ohne Hemmungen zu allen möglichen privaten Dingen gefragt. Manchmal denke ich mir: Mein Gott, muss ich mich schon wieder rechtfertigen? Dabei engagiere ich mich doch für die Landwirtschaft. Aber ich weiß: Den Kopf rauszustrecken heißt immer sichtbar zu werden und vielleicht auch mal in die Schusslinie zu geraten. Da braucht man ein dickes Fell.

Warum würden mehr Frauen dem Bauernverband guttun?

Weil sie einen anderen Blickwinkel auf die Themen haben, den weiblicheren Blick. Sie haben auch soziale Themen im Fokus, wie Versicherung, Absicherung, Testament. Das sind Themen, die auch die Männer interessieren sollten. Auch in der Öffentlichkeitsarbeit sind die Frauen oft stärker, auf die Verbraucher zuzugehen, fällt den Frauen leichter, sowohl in Social Media wie auch bei Veranstaltungen. Das ist auch wichtig für die Außenwirkung: Frauen sind gut in der Gesellschaft verankert und können dort die Landwirtschaft besser präsentieren.

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