Ein Ehepaar in Wildenau im Kreis Wunsiedel kommt kurz vor Mitternacht nach Hause, beim Aufsperren der Haustüre hören sie ein Geräusch auf der Wiese hinter dem Haus. Wie ein Augenzeuge im Gespräch mit dem Wochenblatt erzählt, wollen sie nachsehen, ob sich vielleicht jemand verlaufen hat – und irgendwie liegen sie da gar nicht so falsch: Auf der Wiese steht ein Stier, ein richtig großes Tier, und der fühlt sich offensichtlich gestört.
Sofort informieren sie die Polizei, doch es stellt sich heraus: Sie sind nicht die ersten Anrufer, auch andere Bürger in Wildenau hatten wieder ungebetenen Besuch auf eigenem Grund oder haben Rinder grüppchenweise durch das Dorf laufen sehen.
Ortssprecher von Wildau steht unter Druck
Der Vorfall ist schon ein bisschen her - aber nicht der einzige dieser Art in der Gemeinde. Wer nun glaubt, dass jetzt ein großangelegter Einsatz beginnt mit Feuerwehren, Tierärzten und Polizei, der irrt: „Seit Jahren schon geht das jetzt so, eine ganze Herde ist unterwegs auf fremden Wiesen und in fremden Gärten, dem Besitzer der Tiere ist das offensichtlich völlig egal, der lässt die Tiere machen, was sie wollen, den juckt das nicht“, sagt im Gespräch mit dem Wochenblatt der Ortssprecher von Wildenau, Klaus von Stetten. Eigentlich ist er ein sehr besonnener Mann, in der Stadt Bayreuth ist er als Medizinaldirektor tätig. Doch man merkt ihm an: Diese Sache geht ihm an die Nerven, viele Bürgerinnen und Bürger setzen ihre Hoffnung auf ihn.
Tierhaltung auf dem Betrieb soll eingestellt werden
„Ich soll dem Veterinäramt Beine machen“, berichtet er von den am öftesten an ihn herangetragenen Wunsch – aber das ist leichter gesagt als getan. „Ich habe jetzt eine Anfrage gestellt für die nächste Kreistagssitzung, ich will wissen, wann da etwas weitergeht“, sagt Klaus von Stetten, der auch Kreistagsmitglied ist.
Aktuell hätten die Veterinärbehörden einen Bescheid erlassen, dem zufolge die Tierhaltung auf dem Betrieb des betreffenden Landwirts eingestellt werden muss. „Aber bisher war es eigentlich immer so, dass sich der Mann nicht an Vorschriften, Regeln oder Bescheide hält.“ Um das zu untermauern, erzählt der Ortssprecher folgendes: Der Mann sei auch ohne Führerschein mit dem Schlepper durchs Dorf gefahren, da habe dann die Polizei eingegriffen, jetzt habe er meistens einen Fahrer für seine Touren.
Landwirt scheint Hilfe zu brauchen
Was von Stetten auch aufstößt: „Es kam immer wieder vor, dass der Landwirt über Wochen nicht vor Ort war. Dann ist der Landkreis eingesprungen und hat viel Geld aufbringen müssen für die Versorgung der Tiere, das kann es doch nicht sein“, so der Dorfsprecher, der hier von einem „ausgesprochenen Behördenversagen“ spricht und es „frustrierend“ findet, dass sich offenbar niemand dafür zuständig hält, diese Zustände zu beenden.
Doch von Stetten, der im Hauptberuf Arzt ist, vermutet auch eine große Tragik hinter dem Geschehen: „Ich will gar nicht sagen, dass hier jemand auch Böswilligkeit handelt. Es könnte sein, dass der Mann aufgrund einer außergewöhnlichen psychischen Situation nicht in der Lage ist, Tiere zu versorgen – aber dann muss ihm geholfen werden, so wie jetzt kann es nicht weitergehen.“
Rinder gefährden das öffentliche Leben
Und der Dorfsprecher warnt vor weit größeren Gefahren als die Menge an Kuhfladen, die im Ort fast jeden Morgen auf der Straße oder an Hauseingängen zu finden sind: „Die Kühe laufen oft sehr nahe an der Bahnlinie vorbei, es ist gar nicht auszudenken, wenn doch ein Rind plötzliche auf den Gleisen steht, das kann böse enden.“ Wenn nachts ortsunkundige Autofahrer durch den Ort fahren und plötzlich ein großer Stier auf der Straße steht, könne auch das lebensgefährlich werden, für die Autofahrer ebenso wie für das Tier.
Die Rinderherde wächst und die Dorfbewohner haben Angst
Der Ortssprecher ist der Meinung, dass sich jetzt dringend etwas tun muss in dieser Sache: „Die Herde wird immer größer, jetzt sind es ungefähr 80 Tiere, aber die vermehren sich durch die Inzucht massiv, das können in einem Jahr auch deutlich über 100 Rinder sein, da kann man doch nicht tatenlos zuschauen.“
Die Menschen im Ort hätten große Angst, erklärt von Stetten, dass noch mehr passiere als verdreckte Straßen und zerstörte Gärten. „Und wenn sich das Veterinäramt schon nicht darum kümmern will, dann sollte doch zumindest überprüft werden, warum viele der Tiere keine Ohrmarken tragen. Wenn das ein normaler Landwirt so machen würde, dann hätte er sicher längst richtigen Ärger“.
Veterinäre halten Tierhalter für sachkundig
Das Landwirtschaftliche Wochenblatt hat beim zuständigen Landratsamt Wunsiedel nachgefragt, was in der Angelegenheit bereits unternommen wurde. „Unsere Veterinäre waren in der Vergangenheit mehrfach vor Ort, um den Problemen entgegenzuwirken und so ist es auch immer wieder gelungen, diese abzustellen“, erklärte eine Sprecherin des Landratsamtes. Zudem habe die Rinderhaltung auf dem Betrieb des Landwirts jahrelang ohne große Beanstandungen funktioniert, „man konnte also von einer entsprechenden Sachkenntnis des Tierhalters ausgehen“.
Offensichtlich sieht man die jetzigen Entwicklungen aber durchaus kritisch in der Behörde. Es werde, so heißt es, ein Tierhaltungsverbot geprüft, mehr wollte die Landkreissprecherin aber noch nicht sagen, denn: „Wir bitten hier um Verständnis darum, dass wir in einem laufenden Verfahren, auch aus Datenschutzgründen, aktuell keine näheren Auskünfte erteilen können“.
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