Cannes - Die Information über Lagerbestände von wichtigen Agrarrohstoffen in der Welt soll besser werden, um Spekulationen mit Nahrungsmitteln zu vermeiden.
Die G20 lobte in ihrer Schlusserklärung ausdrücklich das kürzlich eingerichtete Agrarmarktinformationssystem AMIS bei der FAO in Rom. Weitere Schritte gegen die Spekulation mit Nahrungsmitteln bleiben auf dem Gipfeltreffen in Cannes dagegen umstritten.
Die EU-Kommission schlägt eine Transaktionssteuer für Warentermingeschäfte von 0,1 Prozent vor. Die besonders von Frankreich und Deutschland gewünschte Steuer wird von den USA und von Großbritannien abgelehnt. In den USA werden dagegen die Anlagen an Warenterminbörsen stärker als in der EU kontrolliert und in der Menge begrenzt, was aber bei anderen Teilnehmern des G20-Gipfeltreffens ebenfalls auf Ablehnung stieß.
Agrardatenbank AMIS
Dieses neue System soll angebots- und nachfragerelevante Informationen über Mais, Weizen, Reis und Sojabohnen bündeln und so Preisschwankungen, Versorgungsengpässen und Hungerkrisen entgegenwirken. Die Arbeit an dem Projekt steht noch sehr am Anfang, ein Gründungstreffen fand erst im September statt. Viele Details müssen noch geregelt werden.
Unklar ist Dow Jones News zufolge in welchem Rhythmus AMIS künftig Daten veröffentlichen wird. Zudem wird noch diskutiert, ob die Zahlen dann herausgegeben werden sollen, wenn die globalen Produktionszyklen neue Einblicke in Produktion, Lagerbestände, Nachfrage, Ex- und Importe sinnvoll erscheinen lassen oder schlicht "nach Verfügbarkeit der Daten". Die Auswahl des Zahlenmaterials soll nach Auskunft von FAO-Getreideexperten und AMIS-Sekretär Abdolreza Abbassian den Verantwortlichen in den einzelnen Mitgliedstaaten obliegen. Sie sollen also darüber entscheiden können, ob sie offizielle Daten, Zahlen privatwirtschaftlicher Unternehmen oder eine Kombination aus beidem übermitteln. Das AMIS-Sekretariat werde diese Daten "unabhängig prüfen" und entscheiden, welche es nutzt und veröffentlicht - oder auch nicht.
Dem AMIS-Sekretariat gehören Fachleute aus neun Organisationen an, darunter die Weltbank, die FAO und die UN-Organisation für Zusammenarbeit und Entwicklung OECD.
Zusätzliche Mittel sollen nicht in das Projekt fließen: Alle beteiligten Staaten haben Wert darauf gelegt, dass kein zusätzliches Geld in die Hand genommen wird, berichtet Dow Jones News.
Zahlenübermittlung ist sensibler Bereich
Seit der Gründung des Projekts im September haben nach Aussagen Abbassians alle beteiligten Länder einen Ansprechpartner für das Projekt bestimmt, die zu den zweimal jährlich geplanten Treffen mit den Beteiligten aus den anderen Staaten reisen. Auch Staaten wie China und Russland, die als kritisch dem Projekt gegenüber gelten, hätten "Ansprechpartner bestimmt" und ihre Teilnahme zugesagt, sagt Abbassian. Dennoch bleibe es "eine Herausforderung", dass manche G20-Mitglieder der Übermittlung von strategisch sensiblem Zahlenmaterial zu Angebot und Nachfrage von Agrarrohstoffen kritisch gegenüber stehen, räumt er ein. Unklar ist zudem, ob die G20 es schaffen werden, weitere Länder ins Boot zu holen, die der Gemeinschaft zwar nicht angehören, aber für Angebot und Nachfrage an den internationalen Agrarmärkten so wichtig sind, dass sie dort für Bewegung sorgen können. Derzeit sollen sieben Länder auf der Wunschkandidatenliste stehen, darunter die Ukraine und Thailand. An diese Länder seien Anfragen verschickt worden, zwischen Vertretern der G20 und Offiziellen der Staaten sollen Gespräche stattgefunden haben. Zugesagt, heißt es weiter, habe "nach aktuellem Kenntnisstand" bislang allerdings noch keiner.
Klar ist dagegen inzwischen, dass AMIS eine eigene Webseite als Informationsportal online stellen wird, die voraussichtlich ab Dezember aktiv sein soll. Mit dem US-Agrarministerium USDA, dem Urheber der viel beachteten monatlichen "World Agricultural Supply and Demand Estimates", werde man eng zusammen arbeiten", so Abbassian. Und selbst das USDA habe kürzlich eingeräumt, dass bei seinen Statistiken Verbesserungsbedarf bestehe.
Aus Analystenkreisen wird das Projekt als Ergänzung zum Angebot des USDA begrüßt. Es werde schon länger kritisch betrachtet, dass der Blick auf die weltweiten Agrarmärkte stark vom USDA gelenkt werde, sagte ein Frankfurter Analyst im Gespräch mit Dow Jones News.
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