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Glyphosat: 'Risikobewertung bislang nicht erfolgt'?

am Mittwoch, 30.09.2015 - 15:22 (Jetzt kommentieren)

Ob Glyphosat auch weiterhin eingesetzt werden darf, hängt in Europa stark von der Einschätzung des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) ab. "Die Risikobewertung ist bislang nicht erfolgt", heißt es von Seiten des IARC.

Deutschland ist im Fall Glyphosat Berichterstatter für die EU und trägt damit entscheidend dazu bei, ob der Wirkstoff auch in Zukunft in der EU zugelassen bleibt. Die Überprüfung übernimmt das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Bei einer Expertenanhörung des Agrarausschusses zu dem Thema gab es nun erneut Kritik an der Vorgehensweise des Instituts.
 
"Ich widerspreche [dem BfR] in fast jedem einzelnen Punkt, vor allem weil es [Glyphosat, Anm. der Redaktion] genetisch verändernd ist und Nachweise für Krebs vorliegen. Die Risikobewertung muss anders gemacht werden, als bisher geschehen. Die Risikobewertung ist bislang nicht erfolgt", argumentiert beispielsweise Christopher Portier, Toxikologe der WHO-Agentur IARC in einem Beitrag des ZDF-Magazins "Frontal 21".
 
Die IARC hatte Glyphosat als "wahrscheinlich krebserzeugend für den Menschen" eingestuft. Auch der Epidemiologe Prof. Eberhard Greiser von der Universität Bremen schließt sich der Kritik am BfR an: "Das Verhalten des BfR in Sachen Glyphosat läuft darauf hinaus, dass die Gesundheit der deutschen und europäischen Bervölkerung massiv gefährdet wird." 

BfR: Unterschiedliche Bewertungsansätze

Anschuldigungen, auf die das BfR in einer Mitteilung aus dieser Woche reagiert. "Es erfüllt mich mit Sorge, wenn unabhängige Institutionen wie das BfR bei der Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgabe ohne jedwede sachliche Grundlage öffentlichkeitswirksam verdächtigt werden, von der Wirtschaft oder der Politik beeinflusst zu sein", sagt BfR-Präsident Prof. Andreas Hensel.
 
Um der wissenschaftlichen Sorgfaltspflicht und der Besorgnis in der Öffentlichkeit Rechnung zu tragen, hatte das BfR nach eigenen Angaben in seinem Bericht an die EFSA dringend empfohlen, die Monographie der IARC im EU-Wirkstoffverfahren noch zu berücksichtigen. Die unterschiedlichen Einschätzungen zwischen der IARC, dem BfR und anderen europäischen und außereuropäischen Bewertungsbehörden und Gremien beruhen nach Ansicht des Instituts auf unterschiedlichen Bewertungsansätzen.
 

IARC und BfR mit unterschiedlichen Ansätzen

Wie das BfR schreibt, sei es der Auftrag der IARC, Stoffe mit einem krebserzeugenden Gefahrenpotential zu identifizieren. Im Unterschied zur IARC berücksichtigt die Risikobewertung des BfR sowohl die Gefahrenanalyse als auch die reale Aufnahmemenge bei bestimmungsgemäßer Anwendung. Die IARC gebe auch keine Empfehlungen für Regulation oder Gesetzgebung.
 
Ein weiterer Grund für die unterschiedlichen Bewertungen von IARC und BfR bestehe darin, dass das IARC nicht nur den reinen Wirkstoff Glyphosat bewertet hat, sondern auch glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel. Diese enthalten neben dem Wirkstoff auch Beistoffe, die zum Teil toxischer als der Wirkstoff Glyphosat sind.
 
Diese singuläre Analyse von Glyphosat ohne das Zusammenspiel mit den übrigen Begleistoffen zu betrachten, kritisiert hingegen gerade Prof. Greiser. Christopher Portier von der IARC stellte bei der Anhörung vor dem Agrarausschuss ferner fest, dass Glyphosat "genotoxisch" sei, jedoch das BfR aufgrund der unterschiedlichen Bewertung einzelner Studien zu anderen Schlüssen komme. Auch Prof. Ivan Rusyn von der IARC wollte einzelne Einschätzungen des BfR nicht teilen, weil das Bundesinstitut positive Tierversuche als nicht valide genug negiert habe.

Risikobewertung und -management in Deutschland getrennt

Wie das BfR klarstellt, wird nach der Gesetzgebung im europäischen Wirkstoffverfahren zunächst immer nur der reine Wirkstoff bewertet und genehmigt. Erst anschließend werde in einem nachgeschalteten Verfahren darüber entschieden, ob die beantragten Pflanzenschutzmittel, also die jeweiligen Gemische aus Wirkstoff und Beistoffen, entsprechend den beantragten Anwendungsbedingungen für eine EU-Zone zugelassen werden.
 
Risikobewertung und Risikomanagement seien in Deutschland und der Europäischen Union behördlich streng getrennt. Über die Genehmigung des Pflanzenschutzmittelwirkstoffs Glyphosat entscheidet die EU-Kommission gemeinsam mit allen Mitgliedsstaaten auf Grundlage der Empfehlung der EFSA. 

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