Eine meiner absonderlichsten Fernseherinnerungen stammt aus den Achtzigerjahren. In einem biederen Badezimmer thront neben der Einbauwanne eine schwarz gelockte Dame namens Uriella und rührt Wunderwasser zurecht. Immer linksrum und mit einem Silberlöffel. Beides ist wichtig, sagt sie, damit der Heilige Geist in den 250-Liter-Wanneninhalt fährt.
Der im – unbenutzten, schwört die Wasserfee – Badesud verrührte Geist wird anschließend in Kanister abgefüllt und als Heil- und Gießwasser unters wunderbedürftige Volk gebracht. Anwendungsgebiete: Krebs, Glaubenskrisen und Gemüsebeete. Alles selbstredend „wissenschaftlich bewiesen“ und noch heute auf youtube abrufbar.
Onlineshops statt Sektenstress
Angesichts der quirlenden Fiat-Lux-Sektenchefin Uriella dachte ich damals erleichtert: So, das war’s, ich habe alles gesehen. Bekloppter geht’s jetzt nicht mehr.
Das war falsch.
Denn während Mirakelvermarkter wie Uriella dereinst noch ganze Sekten gründen mussten, um ihren Heiligen Geist in wässriger Lösung an den Jünger oder die Jüngerin zu bringen, übernehmen heutzutage Internetshops die Rolle der predigenden Gurus und ihrer verzückten Gemeinden.
Beispiel gefällig? Dann geben Sie doch mal „Butzwasser“ in die Suchmaschine Ihrer Wahl ein. Richtig gelesen, vorne mit einem „weichen B“ wie Bauernfänger. Und dann lesen Sie sich in Ruhe durch, welch großartiges Allzweckmittel Ihnen da bisher entgangen ist.
Bis der Dreck kapituliert
Butzwasser, erklärt der Anbieter Lichtmatrix Laboratorium München, ist der Ökoreiniger schlechthin und dabei völlig unschädlich für Mensch, Tier und Umwelt. Letzteres ist nicht mal so unwahrscheinlich, denn er enthält – nichts. Also nichts außer Wasser. Nun könnte man frevlerisch meinen, Wasser gäb’s doch auch für wenige Cent pro Kubikmeter aus dem Hahn, da müsse man vielleicht nicht 25 Euro (!) für die 125-ml-Flasche ausgeben.
Falsch! Denn Butzwasser ist schließlich „de-isolysiert“. Was das ist, darüber hüllt Lichtmatrix sich in Schweigen. Nur geschehe es auf jeden Fall ohne biologische, chemische oder physikalische Eingriffe in die Wassernatur. „Gewaltfreie Reinigung“ nennt sich das Ergebnis. Der Dreck ergibt sich sozusagen freiwillig.
Kostengünstige Alternative: dickes Wasser
Sollte Ihnen gerade schwummrig geworden sein bei so viel gequirltem Schwachsinn: Lichtmatrix vertreibt auch „Menschenwasser“. Das kostet nur 43 Euro das 50-ml-Fläschchen und wird als Trinkkur empfohlen, um „enorme Mengen an zellverfügbarem Licht aus der Umgebung in den Körper aufzunehmen“. Es ist ebenfalls absolut wirkstofffrei, sagt der Hersteller. Abgesehen von 20 Prozent Ethanol. Also besser nicht an die lieben Kleinen verfüttern.
Aber falls Ihnen das Ganze zu kostspielig ist: Es geht auch billiger. In „Bild der Frau“ empfahl im Jahr 2017 Ayurveda-Expertin Kerstin Rosenberg ... Achtung! ... eingekochtes Wasser. Einfach einen Liter stinknormales Leitungswasser im Kochtopf auf 875 ml zusammenköcheln lassen – fertig ist der Wundertrunk. Dank „Neuordnung der Wassermoleküle“ und „Verdichtung des Molekularverbundes“ stärkt das eingedickte Wasser das Immunsystem. Sagt Frau Rosenberg. Das ist zwar physikalisch kompletter Unfug, aber wer’s mag ...
Und wenn Sie mal zu viel Wasser gekocht haben, ein Gratistipp von mir: Einfach einfrieren, dann haben sie kochendes Wasser vorrätig, wenn sie mal schnell welches brauchen.
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