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Jagdausübung: Ethik versus Hege

knieender Jäger mit Gewehr
am Dienstag, 11.05.2021 - 12:37 (1 Kommentar)

Zwei Vegetarier haben erreicht, dass auf ihren Flächen nicht mehr gejagt werden darf. Ein Aufschrei ging durch die Jäger- und Landwirt-Szene. Doch wenn man sich den Fall genauer anschaut, ist das Vegetarierbashing fehl am Platz.

Ein Ehepaar aus Rheinland-Pfalz hat mehrere Grundstücke, die Rede ist von zwei Hektar. Sie ernähren sich vegetarisch und setzen sich für Natur und Umwelt ein. Zu ihrer ethischen Überzeugung passt die Jagd nicht, sagen sie. Und so wollen sie auch keine Jagd mehr auf ihrem Land.

Das Verwaltungsgericht Koblenz hat nun bestätigt, dass ihre Flächen fortan als befriedet gelten.

Befriedung entspricht geltendem Recht

Jäger und Landwirte, die Teil von Jagdgenossenschaften sind, sehen das als weiteren Eingriff in eine ordnungsgemäße Jagd. In sozialen Medien wird das Urteil aus dieser Ecke arg kritisiert, vorsichtig formuliert. Jagdgegner hingegen feiern das als Sieg. Doch unterm Strich ist jede Häme fehl am Platz. Das Gericht hat lediglich geltendes Recht auf diesen Einzelfall hin geprüft. Weder ist die Jagd grundsätzlich gefährdet, noch haben sich Städter gegen die Landbevölkerung durchgesetzt.

Bundesjagdgesetz wurde 2013 angepasst

Für den Hintergrund sind zwei Dinge wichtig:

  1. Zum einen ist das Jagdrecht in Deutschland an Grundbesitz gekoppelt. Wer Land besitzt, hat entweder selbst das Jagdrecht oder ist Mitglied einer Jagdgenossenschaft, die regelt, wer jagen darf.
  2. Im Jahr 2012 hat die Europäische Gerichtshof für Menschenrechte jedoch entschieden, dass die Zwangsmitgliedschaft in einer Jagdgenossenschaft gegen die Menschenrechte verstößt. Zumindest dann, wenn der Grundeigentümer die Jagd aus ethischen Gründen ablehnt. Gerade Besitzer kleiner Flächen wollte das Gericht in ihren Rechten stärken.

Deutschland hat reagiert und das Bundesjagdgesetz 2013 dementsprechend angepasst. Grundbesitzer können nun bei der unteren Jagdbehörde einen Antrag stellen, dass Ihr Grundstück jagdrechtlich befriedet wird. Heißt: Hier darf nicht mehr geschossen werden.

Gericht muss Glaubhaftigkeit der ethischen Gründe prüfen

Seitdem haben sich überall in der Republik Menschen auf ethische Gründe berufen, ihr Land jagdfrei zu halten. Interessant ist dabei immer die Frage, mit der sich die Richter auseinandersetzen mussten: Sind die ethischen Gründe glaubhaft?

Im Urteil zugunsten des Ehepaars haben die Richter das durchaus diskutiert. Die Kläger sind zwar ökologisch unterwegs, aber im Hintergrund schwelte ein Streit, ob die Jagd nicht an Jagdtouristen aus Holland unterverpachtet wurde. Also, ob nicht dieser Zwist der eigentliche Grund war, die Flächen zu befrieden. Doch das Ehepaar konnte ihre ethischen Bedenken offenbar ausreichend belegen.

Ethische Gründe auch beim Landwirt akzeptiert

Auch ein Landwirt und Winzer aus Hackenheim in Rheinland-Pfalz hat ethische Gründe vorgebracht und seine Flächen jagdfrei haben wollen. Er hat ebenso Recht bekommen und seine Flächen galten fortan als befriedet.

Aber es geht auch anders. Im Jahr 2014 hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf zu Gunsten der Jagd entschieden. Der Grundstückseigentümer in diesem Fall konnte nicht wegen ethischer Bedenken die jagdrechtliche Befriedung seines Grundstücks verlangen. Er hatte sich vorher zur Jägerprüfung angemeldet.

Ausgleich auf Wildschaden entfällt

Letztendlich bleiben drei Dinge festzuhalten:

  • Zum einen geht es um wenige Flächen. Von zwei Hektar ist beim kürzlich ergangenen Urteil die Rede. Noch dazu sind diese Flächen nicht einmal zusammenhängend. Auch in anderen Urteilen geht es um kleine und Kleinstparzellen.
  • Zum anderen schneiden sich die Befrieder mitunter ins eigene Fleisch, denn damit verzichten sie auf Jagdpacht und den Ausgleich bei Wildschaden.
  • Und schließlich schauen Richter schon sehr genau hin, ob ein Grundstücksbesitzer seine Ethik gerade erst entdeckt hat.

Kommentar

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