Das hat der Chefunterhändler der USA für Landwirtschaft bei der Welthandelsorganisation in Genf, Islam Siddiqui bei einem agrarpolitischen Kongress der EU-Ausschüsse der Bauernverbände und ländlichen Genossenschaften (COPA-COGECA) deutlich gemacht. Dieser Aufstieg habe die Welt fundamental verändert. Die Doha-Runde müsse so verhandelt werden, dass sie der Welt von heute gerecht werde, betonte Siddiqui. Er forderte seinerseits besseren Zugang der Vereinigten Staaten auf Märkte der Schwellenländer wie China, Indien und Brasilien.
Ein solcher Zugang dürfe sich nicht auf den Agrarsektor beschränken, sondern müsse den Industriebereich (NAMA) ebenso erfassen wie den Dienstleistungssektor, verlangte Siddiqui. Eine Absage erteilte er daher einem "Doha light"-Abschluss.
USA mit offensiven Interessen im Agrarbereich
Die USA verfolgen, anders als die Europäische Union, für zahlreiche Agrarprodukte offensive Interessen, befürworten also eine weitreichende Marktöffnung. Ähnlich wie in der Europäischen Union herrscht in den USA allerdings hoher Außenschutz für bestimmte Agrarerzeugnisse, beispielsweise für Milchprodukte und Zucker. Vor dem Hintergrund dieser offensiven Interessen der USA im Agrarbereich verteidigte Siddiqui die abwehrende Haltung seines Landes gegenüber Ausnahmen von der Handelsliberalisierung über die sogenannte spezielle Schutzklausel (SSM) für Entwicklungsländer. Unter anderem am Streit um diesen Schutz, den Indien für seine Kleinbauern einsetzen will, war 2008 eine Doha-Einigung gescheitert. Die USA seien nicht gegen die SSM, jedoch sollten Regeln für diese gelten, so Siddiqui.
Handelspolitische Spannungen
Andernfalls könnte China sich auf einen Außenschutz zurückziehen, der noch über dem Niveau vor dem WTO-Beitritt liege. China ist ein wichtiger Abnehmer von amerikanischen Rohstoffen, vor allem von Sojabohnen. Im vergangenen Jahr exportierten die USA insgesamt 39,3 Millionen Tonnen Sojabohnen, womit sie es auf einen Weltmarktanteil von knapp 48 Prozent brachten. Der Wert der US-Sojabohnenproduktion wird von der WTO auf 31,76 Milliarden US-Dollar (23,13 Mrd Euro) beziffert. Gleichzeitig bestehen handelspolitische Spannungen im Verhältnis Chinas zur USA, nicht zuletzt aufgrund des von den Amerikanern als zu niedrig eingestuften Außenwertes der chinesischen Währung.
"Irritierendes" mit der EU lösen
Der US-Chef-Agrarunterhändler bekannte sich beim COPA-COGECA-Kongress in Brüssel zu den Handelsverflechtungen zwischen seinem Land und der Europäischen Union und zeigte sich optimistisch, "Irritierendes" wie die Konflikte um gentechnisch veränderte Organismen (GVO) und Geflügelfleisch aus den USA, das mit Chlor desinfiziert wird, zu lösen. Angesichts eines bilateralen Agrarhandelsvolumens von rund 20 Milliarden US-Dollar (14,57 Milliarden Euro) pro Jahr sprach Siddiqui von "starken und wachsenden Handelsbeziehungen". Allerdings ist auch bekannt, dass sich im Bereich der Biotechnologie für die transatlantischen Beziehungen weitere Konfliktlinien auftun. So hat zwar die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) gegen Klonfleisch keine Bedenken erhoben, das Parlament sich aber gegen die Importe solcher Ware ausgesprochen.
Farm Bill und Handelspolitik hängen zusammen
Wechselwirkungen gibt es zwischen der Handelspolitik und der Gestaltung der US-Agrarprogramme, deren Einkommensstützung für die wichtigsten Ackerkulturen wie Weizen, Mais und Sojabohnen, aber auch Baumwolle und Reis, seit 2002 wieder stark von den Preisen an den internationalen Agrarmärkten abhängig ist. Wie Siddiqui in Brüssel klar machte, werden die Vorgaben für die nächste Farm Bill, die im Herbst 2012 in Kraft treten muss, an den handelspolitischen Vorgaben der Uruguay-Runde festgemacht, wenn bis dahin kein Doha-Abschluss erzielt worden ist.
Arbeiten an neuer Farm Bill sollen 2011 vorangehen
Erste Gespräche zur neuen Farm Bill hätten bereits stattgefunden, Entwürfe würden im nächsten Jahr erwartet. Wie der Agrarunterhändler weiter erläuterte, hat der Abgeordnete Collin Peterson von den Demokraten im Kongress bereits zahlreiche Anhörungen zur neuen Farm Bill veranstaltet. Vor diesem Hintergrund rechnen politische Beobachter in Brüssel mit einem Zeitfenster für zählbare Fortschritte in der seit 2008 stagnierenden Doha-Runde ab Anfang nächsten Jahres. (AgE)
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