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Kommentar

Künasts nutzlose Idee von flächendeckenden Biokantinen

Renate Künast in der Kantine
am Dienstag, 03.09.2019 - 15:28 (7 Kommentare)

Renate Künast will mehr Ökolandwirtschaft. Um die Nachfrage nach diesen Erzeugnissen zu befeuern, fordert sie deshalb, alle Kantinen auf Bio umzustellen. Ein Kommentar.

Renate Künast fordert, öffentliche Kantinen, Schul- und Kitaspeisungen sollten künftig nur noch Bioessen anbieten. So steige endlich der Anreiz für die konventionellen Landwirte hierzulande, ihre Produktion umzustellen.

Schließlich sei, so die Grünen-Politikerin gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung, die gegenwärtige Ernährung „gescheitert“. Die Menschen äßen ungesund, Tiere wie Umwelt litten unter der heutigen Lebensmittelerzeugung. Und auch den Bauern gehe es nicht gut.

In einer Ausweitung der Bioerzeugung bis hin zur Flächendeckung sieht die ehemalige Agrarministerin die Chance, alle diese Probleme auf einen Streich anzupacken. Doch das ist grüne Träumerei.

Wenn die politisch gewollte Produktion die Nachfrage übersteigt

Wohin eine staatlich gewollte Ausdehnung der Bioproduktion ohne entsprechende Nachfrageentwicklung führen kann, zeigt dieser Tage eine Meldung aus Schweden.

Rund 12 Prozent mehr Biomilch haben schwedische Landwirte im vergangenen Jahr erzeugt. Der Anteil an der Gesamtmilchproduktion stieg damit auf 16 Prozent. Der Markt für diese Produkte wuchs aber nicht mit, was zu einem deutlichen Preiseinbruch geführt hat.

Leid- und Risikotragende dieser Entwicklung: die Milcherzeuger im Land.

Unweigerliche Folge: erhebliche Preissteigerungen

Nun möchte Künast zwar, dass die deutschen Essensversorger oder die ausschreibenden Kommunen mit Landwirten feste Verträge schließen, um so die Nachfrage und dauerhaft gute Preise zu sichern, aber wie soll sowas in der Praxis aussehen?

Kantinenessen ist keine Pflichtveranstaltung. Mit einer „Biopflicht“ steigen unweigerlich die Preise für den Nutzer. Und das sind zu einem großen Teil Familien mit Kindern, Arbeitnehmer im niedrigen Lohnbereich und Rentner – also eine Klientel, der eine 20- bis 30-prozentige Kostensteigerung (und mit der müsste man rechnen, wenn die Erzeugerpreise den Mehraufwand der Landwirte decken sollen) tatsächlich weh täte.

Wer zahlt für die höheren Essenspreise?

Wer also soll diese neuen Kantinenkosten tragen, Frau Künast? Die Kommunen? Die Kunden? Die Kantinenbetreiber?

Zugegeben, im Bundestagsbistro wird die Nachfrage wohl kaum einbrechen, aber wie kommen eine Betriebskantine oder eine Schulspeisung über die Runden, wenn die Kunden sich angesichts der schönen, neuen Biowelt lieber Stullen schmieren oder – besonders gesundheitsfördernd – beim nächsten Bäcker eine Streuselschnecke kaufen?

Ganz einfach, um im Preiskampf mithalten zu können, werden Kantinenbetreiber sich das verordnete Biogrundmaterial über kurz oder lang da besorgen, wo es mit hiesigen Discountpreisen konkurrieren kann. Im Ausland, am besten jenseits der EU. Und das wird dann um den halben Erdball gekarrt, um als „ökologisch wertvolles“ Bioschnitzel oder Biogemüse zu gemeinverträglichen Preisen auf Kantinenplastiktellern zu landen.

Und die deutschen Biolandwirte drücken sich die Nasen an den Fenstern der Speisesäle platt, weil sie mit dieser Entwicklung nicht mithalten können.

Freiwillig nachhaltig, statt grün verordnet

Wenn es Renate Künast wirklich um eine gesündere Ernährung, mehr Umweltschutz und Tierwohl und eine bessere Bezahlung deutscher Bauern ginge, müsste sie zugeben, dass staatlich verordnetes öffentliches Bioessen nichts als eine grüne Ideologie ist, von deren Auf-Teufel-komm-raus-Umsetzung sie schon seit ihren Zeiten als Agrarministerin vergeblich träumt. Und sie müsste stattdessen etwas ganz anderes fordern.

Wirtschaftlich tragbar, spürbar nachhaltig und tatsächlich der hiesigen Landwirtschaft nebst Tieren und Umwelt zuträglich wäre nämlich bestenfalls eine allgemeine Umstellung öffentlicher Kantinen auf weitgehend regionale Produkte. Ansätze dafür gibt es schon vielerorts, ganz freiwillig und ohne grüne Verordnung. Und die Nutzer nehmen die Angebote gut an – auch, weil sie eben nicht teurer sind als das gewohnte Essen, dem Verbraucher aber trotzdem die Sicherheit geben, sich frischer und nachhaltiger zu ernähren. Unabhängig davon, ob die Erzeugnisse aus dem konventionellen oder dem Bioanbau kommen.

Aber das passt natürlich nicht zum grünen Traum von einer flächendeckenden Biolandwirtschaft – egal, wer für selbige am Ende bezahlt.

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