
Das fragt die Land & Forst
- Nicht nur Landwirte, noch mehr die Repräsentanten des ländlichen Raumes und auch einige Politiker werben für Niedersachsen mit dem Etikett "Agrarland Nr. 1". Empfinden Sie diese Aussage eher als Bürde oder als Ansporn?
- Ein Erfolgsfaktor für die niedersächsischen Landwirte mit geringer Flächenausstattung ist die starke Veredlung. Was will Ihre Partei tun, um die moderne landwirtschaftliche Tierhaltung zukunftsfähig zu gestalten?
David McAllister (CDU)
- Die CDU in Niedersachsen freut sich über die besondere Bedeutung Niedersachsens als Agrarland Nr. 1 und sieht den Titel als Ansporn, die starke Rolle der Landwirtschaft im ländlichen Raum, ihren bedeutenden Anteil an der Wertschöpfung Niedersachsens sowie die Qualität ihrer Erzeugnisse auch künftig auf höchstem Niveau zu erhalten. Wir setzen uns gemeinsam mit den Landwirten dafür ein, die Lebensmittelsicherheit zu stärken, das Vertrauen der Verbraucher in die niedersächsische Landwirtschaft und ihre Produkte noch weiter zu erhöhen und die Wettbewerbsfähigkeit der landwirtschaftlichen Familienbetriebe zu stärken.
- Die Nutztierhaltung hat für Niedersachsen eine herausragende Bedeutung. Sie sichert in erheblichem Maße Beschäftigung und Wertschöpfung im ländlichen Raum und hat dazu beigetragen, dass Niedersachsen gut durch die Wirtschaftskrise gekommen ist. Wir stehen zur intensiven und international wettbewerbsfähigen Landwirtschaft und wollen diese gemeinsam mit den Landwirten und ihren Familien weiterentwickeln. Der landwirtschaftliche Familienbetrieb, der die dominierende Betriebsform in Niedersachsen darstellt, liegt weiterhin im Fokus unserer politischen Arbeit. Der Tierschutz in der Landwirtschaft muss allerdings weiterentwickelt werden, damit die Nutztierhaltung ihren hohen Stellenwert behält. Alle Maßnahmen müssen allerdings ergebnisoffen, ökonomisch vertretbar und auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse erfolgen. Um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, sollten alle Maßnahmen nach Möglichkeit EU-weit umgesetzt werden. Die Nutztierhaltung darf nicht ins Ausland verlagert werden.
Stephan Weil (SPD)
- Die Ernährungs- und Agrarwirtschaft bilden zusammen die zweitstärkste Wirtschaftsbranche Niedersachsens. Die SPD wird Niedersachsens Spitzenplatz als Agrarland Nr. 1 im Bund sichern. Wir wollen die niedersächsische Ernährungs- und Agrarwirtschaft zukunftssicher aufstellen und wettbewerbsfähig gestalten. Wir wollen, dass unsere Unternehmen auf den nationalen und internationalen Märkten weiterhin erfolgreich agieren können. Wir wollen dabei zugleich die Wertschöpfung in den ländlichen Regionen steigern und damit gute Arbeitsplätze vor Ort sichern und ausbauen. Qualitativ hochwertige und innovative Produkte sind der Schlüssel für den Wohlstand in Europa. Das gilt auch für unsere Ernährungs- und Agrarwirtschaft und unsere Lebensmittel. Nicht die Ernährung der ganzen Welt mit kostengünstigsten Agrarrohstoffen ist das Ziel sozialdemokratischer Agrarpolitik. Die SPD unterstützt die Landwirte darin, qualitativ hochwertige Agrarprodukte herzustellen. Wir wollen, dass unsere Landwirte die steigende Nachfrage der Verbraucherinnen und Verbraucher nach regionalen und ökologischen Produkten bedienen können.
- Schwarz-Gelb hat für unsere ländlichen Regionen bisher keine landespolitische Zukunftsstrategie entwickelt. Die SPD wird innerhalb eines neu zugeschnittenen Ministeriums für Europa, Regionale Entwicklung und Landwirtschaft die Verantwortung für die EU-Förderfonds zentral bündeln. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass wir zukünftig im engen Austausch mit den Kommunen und der Bürgergesellschaft passgenaue Fördermaßnahmen für den ländlichen Raum entwickeln können. Wir werden die Wirtschaftsförderung effektiver gestalten und Regionen gezielter unterstützen, um Wertschöpfung und Innovation zu stärken. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels ist dies notwendiger denn je, um dem Anspruch der gleichwerten Lebensbedingungen in ganz Niedersachsen gewährleisten zu können.
Stefan Birkner (FDP)
- Für uns ist das ein Ansporn und auch eine Auszeichnung für unsere Arbeit. Wir wollen die Wettbewerbsfähigkeit der Land- und Ernährungswirtschaft auch in Zukunft sicherstellen. Sie ist das Rückgrat unserer ländlichen Räume und unsere wirtschaftlichen Stärke. Dafür muss die Politik die Rahmenbedingungen schaffen. Das heißt für uns, dass wir europäische Regelungen nur 1:1 umsetzen wollen, damit unsere Betriebe nicht im Wettbewerb benachteiligt sind. Außerdem wollen wir in Fragen von Umwelt- und Naturschutz kooperativ mit den Landwirten vorangehen und nicht im Konflikt. Wir sehen Landwirte als Partner und nicht als Gegner. Wir sind im Übrigen auch Energieland Nr. 1. Denn die Energiewende findet auf dem Land statt.
- Wir wollen den Tierschutzplan im Dialog mit den Landwirten ergebnisoffen umsetzen, um möglichst viel Tierschutz, der auch praktisch umsetzbar ist, zu erreichen. Wir dürfen aber unsere Betriebe nicht kaputtmachen! Außerdem wollen wir das privilegierte Bauen im Außenbereich auch weiterhin erhalten und mit einer verstärkten Forschung im Bereich der Filter- und Ablufttechnik Veredelung auch noch in Zukunft ermöglichen.
Stefan Wenzel (Bündnis 90/Die Grünen)
- Niedersachsen ist nur beim Umsatz Agrarland Nr. 1, bei den Arbeitsplätzen und der Zahl der Betriebe liegen wir leider hinter Bayern, weil wir sehr viele "Vorleistungen" beispielsweise in Form von Soja für die niedersächsische Schweine- und Geflügelhaltung importieren. Außerdem sind von 2003 bis 2010 unter der CDU/FDP-Landesregierung über 30.000 bäuerliche Arbeitsplätze abgebaut worden, 10.000 auch im nachgelagerten Bereich. Das halten wir für eine schlechte Entwicklung gegen die Bauern. Wir sehen eine Herausforderung darin, Niedersachsen zum tatsächlichen Agrarland Nr. 1 mit gut bezahlten Arbeitsplätzen und Einkommen zu machen. Das geht nur mit einer verbraucherfreundlichen Qualitätslandwirtschaft mit höheren Preisen und guten Umwelt-, Sozial- und Tierschutzstandards. Und auch in Schlachthöfen muss es einen Mindestlohn geben! Mit einer Beteiligung Niedersachsens am EU-Schulobstprogramm wollen wir - wie von den Landfrauen gefordert - zur gesunden Ernährung beitragen und vielen Obstbauern helfen. Milchviehhalter brauchen darüber hinaus endlich faire, das heißt deutlich höhere Preise von mindestens 45 Cent pro Liter.
- Die starke Fokussierung insbesondere in der Region Weser-Ems auf eine weitere Erhöhung der Tierbestände ist dauerhaft kein Erfolgsmodell. Das zeigen die bereits heute hohen Pachtpreise und die steigenden Probleme mit Gülle und Ammoniak. Aufgrund der hohen Tierbestände in Niedersachsen drohen Vertragsstrafen der EU wegen der Nichteinhaltung der Wasserrahmenrichtlinie und der Ammoniak-Richtlinie, die einen maximalen Ausstoß von 550.000 Tonnen Ammoniak vorschreiben. Landwirte werden in der Massentierhaltung zu faktischen Lohnmästern oligopolartig strukturierter Schlacht- und Verarbeitungsbetriebe, die von der Einstallung, über Fütterung und Abnahme der Tiere bis hin zum Abnahmepreis alles diktieren. Außerdem schwindet die gesellschaftliche Akzeptanz der Massentierhaltung dramatisch, weshalb Agrarkonzerne dem Verbraucher ein unrealistisches Bild der Landwirtschaft vorspiegeln (Hühner auf der Wiese), damit er diese Produkte noch kauft. Wir wollen eine ehrliche Kennzeichnung von Agrarprodukten, damit die Landwirte, die höhere Umwelt- und Tierschutzstandards einhalten, dafür auch einen besseren Preis erzielen können.
Manfred Sohn (Die Linke)
- Wenn Sie unter "Agrarland Nr. 1" Massentierhaltungen, eine zunehmende "Vermaisung" oder eine Überdüngung der Ackerflächen verstehen, dann ist dieser Zustand für Die Linke eindeutig eine Bürde. Wenn es allerdings in Niedersachsen gelingt, dass die Landwirtschaft so praktiziert wird, dass der Boden und die Natur möglichst wenig geschädigt werden, die dort Tätigen ein ausreichendes wirtschaftliches Einkommen haben und Tiere so gehalten werden, dass sie Platz haben, nicht verstümmelt werden und möglichst wenig Arzneimittel bekommen, dann ist "Agrarland Nr. 1" ein Ansporn.
- Auch hier gibt es unterschiedliche Interpretationen. Wenn Sie von "Veredlung" auf landwirtschaftlichen Flächen geringer Größe sprechen, und dabei verstärkten Düngereinsatz und ein Zusammenpferchen der Tiere verstehen, dann ist dies nicht die Position der Linken. Wir wollen dagegen erreichen, dass für die Menschen in der Landwirtschaft ein auskömmliches Einkommen ermöglicht wird. Das geht über zunehmende Regionalvermarktung, einer Neuregelung der landwirtschaftlichen Sozialgesetzgebung mit einer Beitragshöhe nach dem Einkommen und nicht nach der Fläche, sowie Erzeugerpreisen, die ein Mindesteinkommen sichern.
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