"Schön sieht’s ja auch aus ..." Ulrich Benedix schaut über den Acker. Knallroter Klatschmohn, leuchtend blaue Kornblumen und hier und da eine violette Wiesensalbeistaude wachsen durch die Triticale und verpassen dem Feld einen Claude-Monet-Look. Aber so viel Schönheit kann ins Geld gehen. Ein bunter Acker wie dieser lässt normalerweise das Herz eines Landwirts bluten. Immerhin verursachen die farbenfrohen Wildkräuter später erhebliche Getreidereinigungskosten.
Der Ackerrandstreifen bei Saarmund südwestlich von Berlin ist allerdings weder eine ästhetische Spielerei noch durch Schlamperei beim Pflanzenschutz entstanden. Als Teil eines ausgeklügelten Blühflächenkonzepts dient er über die gesamte Vegetationsperiode hinweg als Insektenweide – vor allem dann, wenn Obstblüte und Rapstracht vorbei sind und Nektarsammler oft mühsam auf Futtersuche gehen müssen.
Hier dagegen ist der Tisch immer gedeckt: Auf Klatschmohn und Kornblume folgen später im Jahr Spitzwegerich, Hederich und Kamille.
Räumliche und zeitliche Futterlücken füllen
"Trittsteine"-Biotopsystem nennt sich das Projekt der agro Saarmund. Die Idee dahinter ist einfach, aber effektvoll. Geschäftsführer Benedix erklärt: Durch eine lose Aneinanderreihung von Ökoflächen, Blüh- und Ackerrandstreifen, die an Trittsteine in einem Bachlauf erinnern, soll ein lockeres Band über die gesamte Ausdehnung der Agrargenossenschaft gezogen werden, das Honigbienen und Wildinsekten mit relativ geringen Anflugstrecken zuverlässig Futterquellen bietet.
Vor allem Letztere sind auf nah beieinander liegende Blühflächen angewiesen. Denn im Gegensatz zu Honigbienen, die in einem Radius von mehreren Kilometern auf Nektarsuche gehen können, fliegen viele Wildbienen nur wenige Hundert Meter weit.
Aber auch für Honigbienen ist so ein Nahrungsangebot wichtig. Der Vorsitzende des Landesverbandes Brandenburgischer Imker, Lothar Lucke, wünscht sich für seine Bienen ein kontinuierlicheres Futterangebot. Wenn Apfel- und Kirschbäume blühen oder überall gelbe Rapsfelder leuchten, gibt es keinen Mangel an Futterquellen. Außerhalb dieser Zeiten aber ist es für viele Imker schwer, ausreichende Tracht für ihre Bienen zu finden – vor allem nach der Lindenblüte und in den Monaten Juli, August und September.
In diese Bresche springt das "Trittsteine"-System, indem es nicht nur räumlich, sondern auch zeitlich für ein engmaschiges Blühflächennetz sorgt.
Ganz ohne Spritzen geht es nicht
Dass die agro Saarmund eG ihren Anbau bienenfreundlich plant, hat schon eine gewisse Tradition. Im Frühjahr vergangenen Jahres gab es zum ersten Mal ein Imkerfrühstück auf dem Betrieb. Eingeladen waren die Vorstände der Ortsimkervereine. Ziel der Zusammenkunft: Köpfe zusammenstecken, miteinander reden, Vorstellungen abgleichen, Probleme ansprechen, gemeinsame Lösungen finden.
Ulrich Benedix erzählt: "In meinem ehemaligen Betrieb war der Rinderbesamer gleichzeitig Vorsitzender im örtlichen Imkerverein. Über ihn habe ich Kontakt zu den Bienenhaltern bekommen und dabei festgestellt: Das sind unheimlich engagierte Menschen, die mit Leidenschaft für das Wohlergehen ihrer Bienenvölker sorgen. Und wir brauchen diese Bienen. Beim Raps zum Beispiel hatten wir spürbar bessere Erträge, wenn Bienenstöcke bei den Feldern aufgestellt waren. Deswegen haben wir diese Veranstaltung ins Leben gerufen."
Klar, nicht alle Interessen lassen sich unter einen Hut bringen. "Natürlich wäre den Imkern am liebsten, wenn wir ganz auf Pflanzenschutz verzichteten", sagt Benedix. "Das können wir auf unseren Flächen aber nicht. Magere Böden und die Wasserknappheit im Berliner Regenschatten lassen Ökolandbau nur auf ganz wenigen Flächen zu."
Informationen übers Handy
Einen Kompromiss haben sie dennoch gefunden, die Landwirte und die Imker. Per WhatsApp informierte die agro Saarmund in der vergangenen Saison die Bienenhalter der Region über Spritzmaßnahmen. Wer sich eintragen ließ, erfuhr rechtzeitig, welcher Schlag wann angefahren wurde, und konnte seine Beuten verschließen, damit die Bienen die frisch gespritzten Pflanzen für einige Stunden nicht aufsuchen konnten.
"Noch besser wäre es gewesen, gleich nachts zu spritzen. Da fliegen die Bienen ohnehin nicht. Und es ist meist windstill, was die Abdrift minimal hält. Aber das hat sich leider als schwierig erwiesen. Wer nachts spritzt, muss was zu verbergen haben – das denken jedenfalls viele Anwohner. Wir haben versucht, unsere Gründe offenzulegen, hatten aber wenig Erfolg damit. Das Misstrauen ist bei diesem Thema einfach zu groß."
Die WhatsApp-Infos wurden von den Imkern gern angenommen, zumal über diesen Kanal auch Kulturen und aktuelle Blühflächen gemeldet wurden. "Leider hat es in diesem Jahr noch nicht mit einer Fortführung dieser Idee geklappt. Wir haben einen neuen Pflanzenschutzfahrer, der sich da erst reinfuchsen muss. Aber in der nächsten Saison greifen wird das wieder auf", sagt Ulrich Benedix.
Trittsteine statt Rapsflächen
Dann werden die Imker auch genau wissen, wo die Ökoflächen, Blüh- und Ackerrandstreifen sind, aus denen sich der "Trittsteine"-Verbund zusammensetzt. Über insgesamt gut 300 ha (über 3.000 bewirtschaftet das Unternehmen insgesamt) erstrecken sich die blühenden Flächen, vom Seddiner See bis Stahnsdorf-Güterfelde. Neben der Schließung von Trachtlücken sollen sie auch ein Ersatz sein für den inzwischen fehlenden Raps. "Den mussten wir aus der Anbauplanung nehmen. Die Erträge waren durch die Trockenheit der vergangenen Jahre einfach zu schlecht. Mit den Blühflächen hoffen wir, einen adäquaten Ausgleich zu schaffen."
Im Moment sind diese Schläge allerdings ungewollt noch ziemlich geheim. "Wir hatten für Mai unser diesjähriges Imkerfrühstück geplant", sagt Benedix. "Da wollten wir unser neues Konzept vorstellen – als Überraschung sozusagen. Leider ist uns da das Coronavirus reingegrätscht."
Jetzt gibt's die Neuigkeit eben erst mal nur schriftlich. Dieser Tage geht ein Rundschreiben raus, das die Bienenhalter über die Blühflächen informiert. Zeit wird's. So mancher der "Trittsteine" ist von der Straße aus nicht einsehbar und fristet im Moment noch ein weitgehend honigbienenfreies Dasein. Die Wildinsekten profitieren allerdings von der fehlenden Konkurrenz. Noch blüht ja auch nicht allzu viel.
In wenigen Wochen aber wird die Landschaft rund um Saarmund durchzogen sein von bunten Flecken, auf denen es summt und brummt. Und die Landwirte und Imker der Region werden sich wieder ein bisschen näher gekommen sein.
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