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Interview

Landwirte zwischen Dürre und Flut: So sieht ein Journalist die Zukunft

Niedrigwasser-Rhein-Duesseldorf
Portrait Carsten Matthäus, Leiter Verlagsbereich Argrar und Forst im dlv
Carsten Matthäus, agrarheute
am Samstag, 05.08.2023 - 05:30 (5 Kommentare)

Der Journalist Uwe Ritzer appelliert in seinem Bestseller „Zwischen Dürre und Flut – Deutschland vor dem Wassernotstand“, jetzt die Grundlagen für einen besseren Umgang mit der knapper werdenden Ressource Wasser zu schaffen. Landwirte sind für ihn dabei von entscheidender Bedeutung.

Herr Ritzer, was ist Ihnen bei Ihren Recherchen zum Buch in Bezug auf die Landwirtschaft aufgefallen?

Die Landwirte sind eine sehr interessante Gruppe. Sie sind Verursacher, Experten und Leidtragende zugleich. Schon seit der 80er/90er Jahre musste wegen Nitrat- und Pestizid-Einträgen immer tiefer gebohrt werden, um unbelastetes Trinkwasser zu gewinnen. Die meisten oberflächen-nahen Grundwasser-Schichten sind heute schlicht unbrauchbar. Die Landwirtschaft ist auch Teil des Problems, wenn es um Bewässerung geht. Ich habe beispielsweise im Raum Ludwigshafen gesehen, dass dort noch nach alter Väter Sitte bewässert wird und – wenn es dann so heiß ist wie jetzt – nur ein Bruchteil des Wassers bei den Pflanzen ankommt. Das mag gehen, solange man über unbegrenzte Wasserreserven verfügt. Aber das wird sich nicht mehr lange so machen lassen. Auf der anderen Seite sind Landwirte die Leidtragenden, wenn ihnen ihnen die Pflanzen auf dem Feld verdorren, die Wälder vertrocknen oder gar verbrennen, die Brunnen versiegen. Oder wenn lukrative Gemüse- oder Obstsorten nicht mehr anbaubar sind.

Wo ist Ihnen das konkret aufgefallen?
Es gibt Ecken in Deutschland, wo es schon etwas skurril ist. Wenn man beispielsweise die Bergtheimer Mulde anschaut (sie liegt grob gesagt zwischen Würzburg und Schweinfurt), eine extrem trockene Gegend mit vielen Gemüsebauern, die mit wachsendem Aufwand um ihr Wasser kämpfen müssen. Da gibt es auch eine Initiative, die vom Freistaat Bayern unterstützt wird. Es soll im Rahmen einer Machbarkeitsstudie herausgefunden werden, ob man Wasser aus dem Main mit vertretbarem Aufwand dort hinleiten könnte. Aber was tun, wenn der Main ebenfalls im Sommer zu wenig Wasser hat? Da wird deutlich, wie schwierig die Situation sehr schnell werden kann.
Wie verhält sich die Politik?
Ich habe schon den Eindruck, dass das Thema in der Politik angekommen ist. Die Bundesregierung hat im März eine nationale Wasserstrategie eingesetzt und auch auf Länderebene gibt es Gremien und Konzepte, wie die Wasserversorgung in Zukunft aussehen kann. Alle diese Konzepte gehen in die richtige Richtung: ökologische Aspekte wie Wasserschutzgebiete, Moorschutz und vieles mehr sind da berücksichtigt. Der Teufel steckt aber leider in den Details der Umsetzung.
Wie meinen Sie das?
Die nationale Wasserstrategie und die meisten Konzepte lesen sich wie ein Wunschkatalog. Da es in Sachen Wasserversorgung noch nicht brennt, ist es erst einmal eine gute Nachricht, dass zumindest die richtigen Dinge angegangen werden. Aber es müssen sich eben auch viele Akteure auf ein gemeinsames Vorgehen einigen. Um das an einem Beispiel zu erklären. Wenn im Rahmen eines Neubaugebiets von der Kommune angeordnet wird, dass in jedem Haus eine Regenwasserzisterne und ein Brauchwasserkreislauf eingebaut werden. Das ist technisch kein Problem und auch nicht furchtbar teuer, aber eben auch nicht kostenlos. Die Häuslebauer werden sich über die Auflage beschweren und mit Baupreisen, Grundstückspreisen, Inflation, gestiegenen Zinsen argumentieren. Wenn dann ein Gemeinderat zurückzuckt, war es das schon mit dem wasserschonenden Zukunftsmodell. Und das wird überall die Frage sein: Leisten wir uns einen schonenden Umgang mit einer knapper werdenden Ressource?
Auf der anderen Seite: Wie sollen Landwirte überleben, wenn die Wasserschutzgebiete ausgeweitet werden?
Wenn die Gesellschaft Landwirtschaft oder Siedlungsentwicklung einschränkt, dann hätte ich persönlich überhaupt kein Problem, wenn dies auch von der Allgemeinheit vergütet wird.
Gibt es positive Beispiele?
Da hilft vielleicht zunächst der Blick ins Ausland: Im Süden gibt es Länder, die gelernt haben, mit Wasserknappheit umzugehen. Da wäre Israel zu nennen, wo moderne Bewässerungstechnologien schon seit Jahrzehnten eingesetzt werden. Dort wurde aus der Not heraus die Tröpfchenbewässerung perfektioniert und es wurden Brauchwasser-Pipelines eingerichtet, was auch für die hiesige Landwirtschaft bespielgebend sein könnte.
Wie ist Ihre Prognose für den Umgang der Deutschen mit den kommenden Wasser-Problemen?
Die nächsten fünf bis sieben Jahre werden entscheidend sein. In dieser Zeit sollten wir das Thema in den Griff bekommen, sonst gehen wir auf schwere Zeiten zu. Leider gilt hier der Satz „the trend is not our friend“. Der Klimawandel wird die Wassernot Stück für Stück verschärfen. Es muss etwas passieren und das Thema taugt nicht für Populismus. Hier müssen alle zusammenhelfen. Das fängt schon bei den ganz grundlegenden Daten an. Niemand weiß zum Beispiel, wie viel Wasser die Landwirtschaft wirklich verbraucht. Die Schätzungen liegen zwischen 2,2 und drei Prozent des gesamten Wasserverbrauchs in Deutschland. Das ist aber meines Erachtens eine aus der Luft gegriffene Zahl, weil weder belastbare Daten vorliegen noch irgendwer die Verbräuche kontrolliert. Den zuständigen Behörden fehlen dazu auch die Leute. Auch die Daten der Grundwassermessstellen sind weder differenziert genug noch länderübergreifend abrufbar. Wenn hier in den nächsten fünf Jahren keine bessere Entscheidungs- und Steuerungsgrundlage geschaffen wird, wird es eng werden. Simpel deshalb, weil trotz der drohenden Verknappung der Verbrauch weiter steigt.
Was passiert, wenn die Daten nicht da sind?
In Lüneburg, beim Streit zwischen Bürger und Coca-Cola hatte man zum Beispiel nur völlig veraltete Daten zur Verfügung, die die Effekte des Klimawandels überhaupt nicht berücksichtigen. Diese sind ja erst seit einigen Jahren zu sehen. Und so schön es ist, dass die Erfassung valider Daten auch Teil der nationalen Wasserstrategie ist, so schwierig ist wieder einmal die Umsetzung. Denn Deutschland ist in Bezug aufs Wasser ein höchst diverses Land. Im Berchtesgadener Land hat es beispielsweise im März dreimal so viel geregnet wie im deutschen Durchschnitt. Die Aufnahmefähigkeit der Böden ist überall unterschiedlich und natürlich auch die Sonneneinstrahlung.
Gibt es Bewegung bei dem Thema?
Bei meinen Lesungen komme ich auch zu so genannten „Hotspots“: an Orte, wo jetzt schon das Wasser knapp wird, wo die Wälder trocken sind oder wo es bereits einen offenen Konflikt ums Wasser gibt. Dort ist das Bewusstsein sehr groß und das macht mir Hoffnung. Ich beobachte, dass sich Bürger in Initiativen für die Wasserversorgung engagieren und dabei nicht nur gegen etwas sind, sondern für eine gemeinsame Lösung der Probleme offen sind. Oft sind auch Landwirte in diesen Initiativen aktiv. Lüneburg ist hier wieder ein gutes Beispiel: Nachdem sich Coca-Cola zurückgezogen hat, ist dort ein runder Tisch entstanden, an dem verschieden gesellschaftliche Gruppen, Kommunalpolitiker und Wasserversorger zusammensitzen. Dort wo das Thema wirklich durchsickert, sind die Menschen offenbar bereit, etwas für das Wasser zu tun.
Und wie sehen Sie die Rolle der Landwirtschaft an solchen Tischen?
Sie ist nicht zu unterschätzen. Einerseits wegen ihres Wasserbedarfs und ihrer Umweltwirkung, anderseits wegen ihrer Expertise. Sie sind ja von jeher unheimlich nah dran am Thema. Sie sehen die Effekte jeden Tag und sind sich der Probleme extrem und manchmal auch schmerzlich bewusst, wenn die Erträge wegen Wassermangel ausbleiben.
Was erhoffen Sie sich für die Zukunft?
Wenn es gut läuft, entsteht hier eine Bürgerbewegung, im guten Sinn, die im Sinne eines gemeinsamen Interesses und nicht im Sinne einer Ideologie funktioniert. Und das wird dann hoffentlich einen starken und positiven Einfluss haben, wenn es um die vielen politischen Weichenstellungen für die Realisierung der Wasserstrategie geht.

Zum Buch "Zwischen Dürre und Flut"

Cover-Zwischen-Duerre-Flut

Das Buch "Zwischen Dürre und Flut. Deutschland vor dem Wassernotstand: Was jetzt passieren muss" von Uwe Ritzer ist im Pengiun Verlag erschienen und kostet 20 €. Es ist nominiert für den Preis als Wissensbuch des Jahres 2023. Paperback, Klappenbroschur, 304 Seiten, 13,5 x 20,6 cm

ISBN: 978-3-328-11028-6

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