Gerd Bayers Mutter las im Landwirtschaftlichen Wochenblatt, dass in Neuseeland Work & Travel möglich ist. Das interessiert Bayer – und er geht für ein Jahr nach Neuseeland.
Über die Schönheit der Natur und aus Interesse für die Technik findet er zur Fotografie. Er beschließt, Fotograf zu werden. Sein Ziel: für Geo und National Geographic arbeiten.
Zurück in Deutschland macht er ein Praktikum in einem Hamburger Fotostudio, das auf Mode und Beauty spezialisiert ist. Schnell bekommt er erste Aufträge von Magazinen und beschließt, als Autodidakt Fotograf zu werden. Sein Plan geht auf. In den nächsten Jahren ist er in der ganzen Welt unterwegs und genießt das Jetset-Leben.
Fast Fashion und Nachhaltigkeit – passt das zusammen?
Als Modefotograf landet Gerd Bayer in New York und ist auf dem besten Weg, voll durchzustarten und Karriere zu machen. Er ist auch oft in Hamburg, weil er dort für einen seiner wichtigsten Kunden fotografiert.
Doch dann entdeckt er eine neue Lebensweise und merkt, dass er viel nachhaltiger leben will, als er es tut. Er realisiert, dass er an einem System beteiligt ist, das Menschen dazu animiert, Dinge zu kaufen, die sie eigentlich nicht brauchen.
„Mit der Fotografie fördere ich Produkte oder Konsum, der in dem Ausmaß, wie er stattfindet, nicht gut ist.“
Sein Beruf und seine Überzeugungen passen nicht mehr zusammen. „Ich denke nachhaltig, ich kaufe nachhaltig ein, aber mein Arbeitsleben fördert genau das Gegenteil.“ Eine Alternative musste her.
Der Weg vom Modefotograf zum Biobauer
Bayer ist zwar auf einem Bauernhof groß geworden, aber Landwirt wollte er nie werden. Es war klar, dass sein älterer Bruder den Hof übernimmt. Doch sein Bruder erkrankt mit Mitte 20 an Multipler Sklerose und muss feststellen, dass er gesundheitlich nicht fit genug ist, um den Hof zu führen.
Bayer ist damals öfter zu Hause, um seine Familie zu unterstützen. Er äußert Kritik an der Art, wie seine Eltern den Hof führen.
Lieber wäre es ihm, sie würden biologisch wirtschaften. Bei der gemeinsamen Arbeit erwähnt sein Vater, dass er bereit wäre, den Sohn biologisch wirtschaften zu lassen.
Als Bayer wieder in New York ist, denkt er viel darüber nach. Zur selben Zeit sieht er die negativen Seiten der Modewelt immer deutlicher. Ihm wird klar, dass er nicht mehr Teil dieser Welt sein will, und trifft eine Entscheidung.
„Ich will und kann mit der Landwirtschaft mehr erreichen, als ich es mit der Fotografie kann“.
Er fliegt nach Rüsselhausen und erklärt sich bereit, den Hof zu übernehmen – allerdings nur, wenn er ihn auf Bio umstellen kann. Seine Familie ist skeptisch, doch er kann sich durchsetzen.
Bayer übernimmt den konventionellen Hof seiner Eltern mit Aufzuchtferkeln, Milchviehhaltung und Rinderzucht und stellt ihn auf Bio um. Außerdem beginnt er, Wagyu-Rinder zu züchten.
Anfangs versucht er noch, die Fotografie und die Landwirtschaft unter einen Hut zu bringen. Dann sieht er ein, dass es nicht funktioniert, zwei Berufe parallel auszuüben.
Er hört auf, professionell zu fotografieren, und arbeitet nur noch auf dem Hof seiner Eltern mit. „Ich weiß, dass das die richtige Entscheidung ist“, sagt er. Spätestens nach der ersten Milchgeldabrechnung sind auch seine Eltern von der Umstellung auf Bio überzeugt.
Bayers Credo: Den eigenen Weg gehen und seine Nische finden
Bayer glaubt, dass er erst Modefotograf werden musste, um jetzt als Landwirt erfolgreich sein zu können. Er musste weggehen, weil er sonst alles so wie seine Eltern gemacht hätte. Neue Dinge sehen, Erfahrungen sammeln und zu Hause umsetzen – das war wichtig für den wirtschaftlichen Erfolg, den er jetzt hat.
Die Kinder von Landwirten sollen versuchen, ihren Weg zu gehen und ihre Nische zu finden, rät er. Das Interesse der Verbraucher sei da, ebenso wie die Lust an guten Lebensmitteln. So schlecht wie angenommen sei der Ruf der Landwirte in der Öffentlichkeit nicht, sagt Bayer.
Konventionell oder biologisch entscheidet nicht über die Qualität
„Ein Betrieb mit 4.000 Milchkühen kann genauso gut sein wie ein Bio-Betrieb mit 10 Milchkühen“, erklärt Bayer. Da müsse man differenzieren. Das würden Landwirte nur schaffen, wenn sie die Verbraucher auf ihre Seite holen.
Es könne beispielsweise nicht sein, dass sich Bio-Landwirte sich auf der Grünen Woche auf die Seite „Wir haben es satt“ und die konventionellen auf die Seite „Wir machen euch satt“ stellen.
„Wir müssen zusammenstehen, weil eigentlich wollen wir alle das Gleiche. Wir wollen, dass der Verbraucher gute Sachen von uns hat.“
Seinen Weg in die Biolandwirtschaft zeichnet Gerd Bayer in dem Buch „Tausche Kamera gegen Kuh: Warum ich die Modefotografie sein ließ und Biobauer wurde“ nach.
Hier ist Ihre Meinung gefragt
Werden Sie Teil unserer Community und diskutieren Sie mit! Dazu benötigen Sie ein myDLV-Nutzerkonto.