In der Broschüre "Klimawandel in Baden-Württemberg - Fakten, Folgen, Perspektiven", in der neue Erkenntnisse zum Klimawandel zusammengestellt sind, erwarten Fachleute der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW), des Instituts für Meteorologie und Klimaforschung am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und des Süddeutschen Klimabüros eine deutliche Ausweitung der Maisflächen im Bundesland.
Die Futter- und Energiepflanze werde künftig auch in bisher kälteren Regionen beziehungsweise höheren Lagen gedeihen. Auch wärmeliebende Kulturen wie Soja und Sonnenblumen könnten ihren Flächenanteil ausweiten, Zuckerrüben hingegen würden Anbauflächen verlieren. Beim Weizenanbau könne es Ertragseinbußen geben.
Folgen im Gartenbau
Der Freilandanbau mancher Gemüsesorten wie Paprika, Auberginen oder Artischocken werde möglich, heißt es in der Studie. Das Sortenspektrum im Weinbau verschiebe sich. Schädlinge und Pflanzenkrankheiten nähmen zu. Die Obstbauern müssten in den nächsten Jahrzehnten mit deutlich mehr Schorfbefall rechnen. Der höhere Pilzdruck könne auch den Reben zu schaffen machen. Höhere Temperaturen förderten außerdem das Auftreten mehrerer Schädlingsgenerationen im Jahr und verstärkten die durch sie verursachten Ertragseinbußen.
Erhöhter Aufwand für Pflanzenschutz
Insgesamt müssten die Landwirte - nicht nur die Obstbauern - mit einem erhöhten Aufwand und damit höheren Kosten für den Pflanzenschutz rechnen. Besonders könne es die Bio-Bauern treffen, die keine chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmittel einsetzen dürften. Hier seien Investitionen in die Züchtung resistenter Sorten gefragt.
Niedrigwasser im Sommer
Die Menge der jährlichen Niederschläge wird sich nach Ansicht der Klimaforscher wenig ändern - wohl aber die Niederschlagsverteilung. Die Sommer würden trockener, die Winter feuchter als früher. Verantwortlich dafür sei die Zunahme der Westwetterlagen in den Wintermonaten, die viel Niederschlag mit sich brächten. Damit einher gingen eine Häufung der Hochwasserereignisse und lokal erhöhte Grundwasserstände. Dies sei beispielsweise bei der Ausweisung von Baugebieten in vernässungsgefährdeten Gebieten zu berücksichtigen. Von Juni bis November führten dann die Flüsse deutlich weniger Wasser. Der Rückgang wäre im Südwesten und Südosten Baden-Württembergs besonders ausgeprägt. Zu den fehlenden Niederschlägen komme der Wasserverlust durch vermehrte Verdunstung in Folge der höheren Lufttemperaturen hinzu. Unter Niedrigwasser leide jedoch nicht nur die Binnenschifffahrt sondern auch die Land- und die Energiewirtschaft.
Böden werden schlechter
Die Folgen des Klimawandels auf die baden-württembergischen Böden ließen sich derzeit nur qualitativ beschreiben, unterstreichen die Wissenschaftler. Genaue Zahlen und lokale Prognosen fehlten, aber einige Effekte seien wahrscheinlich. Wenn es künftig mehr heftige Regenfälle gebe, würden besonders die erosionsanfälligen Böden, beispielsweise im Kraichgau, zunehmend unter Wassererosion leiden. Mit dem Verlust des humus- und nährstoffreichen Oberbodenmaterials sinke auch die Leistungsfähigkeit dieser Böden. Der Humusgehalt könne tendenziell abnehmen. Bei Sommertrockenheit entwässerten sich vor allem grund- und stauwassergeprägte Böden stärker. Die hier bisher durch Luftabschluss konservierte organische Substanz werde bei Luftzutritt schneller abgebaut. Wärmere und feuchtere Winter könnten dazu führen, dass sich dieser Mineralisierungsprozess selbst in der kalten Jahreszeit fortsetze. Erste Schätzungen besagten, dass eine Erwärmung des Klimas um zwei Grad die Humusvorräte unter Grünland und Wald um 20 Prozent vermindern würde. In Mooren wie dem Donauried könne der Torfabbau durch den Klimawandel beschleunigt werden.
Mehr Buchen, weniger Fichten
Der Klimawandel werde auch die Wälder stark verändern, betonen die Klimaforscher. Wenn sich die Atmosphäre um drei Grad erwärmen sollte, würden sich die Höhengrenzen der Waldgesellschaften um 300 bis 500 Meter nach oben verschieben. Noch auf einer Höhe von 1.000 Meter fänden sich dann konkurrenzkräftige Buchen-Eichen-Wälder. Die mitteleuropäischen Wälder könnten teilweise norditalienische Züge annehmen. Mit dem Klimawandel werde sich das durch Tannen und Fichten geprägte Bild des Schwarzwaldes ändern. Statt Nadelbäumen könnten sich gebietsweise Flaumeichen und andere Laubbaumarten ausdehnen. Außer in der Ebene werde sich auch die Buche überall behaupten. Da die Bäume künftig früher austrieben, könne die Produktivität beim Einzelbaum steigen. Bei einer Verschiebung der Baumartenanteile hin zu den zuwachsschwächeren Arten wie Buche und Eiche dürfte die Gesamtproduktivität der Wälder aber eher sinken. Die klimatisch bedingte Waldbrandgefahr werde in Baden-Württemberg in Zukunft nur leicht im Windschatten des Schwarzwaldes ansteigen und im Norden und Westen eher zurückgehen.
Vermehrungsraten von Schädlingen steigen
Durch den Klimawandel verlagerten sich die Klimazonen in Europa nach Norden beziehungsweise in die Höhe, berichten die Klimaforscher. Pflanzen und Tiere, die bisher gar nicht oder nur in warmen Lagen vorkämen, fänden künftig in Baden-Württemberg neue und dauerhafte Lebensräume. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass bei einem moderaten Temperaturanstieg in Mitteleuropa bis zu einem Grad die Artenvielfalt zunimmt. Die höheren Temperaturen steigerten allerdings auch die Vermehrungsraten von Schädlingen wie dem Borkenkäfer. Zahlreiche Ökosysteme und deren Bewohner würden sich allerdings kaum an die Veränderung anpassen können. Wenn die Dürrephasen in Zukunft länger andauerten, verschwänden tendenziell Nässe liebende Tier und Pflanzenarten. Bislang dauerhaft nasse Flächen wie Moore könnten dann zeitweise austrocknen. Das würde nicht nur dort im Boden gebundenes CO2 freisetzen, sondern auch die auf Moore spezialisierten Pflanzen verdrängen.
Weniger Artenvielfalt
Sobald die Temperatur durchschnittlich um mehr als einen Grad steige, dürfte die Artenvielfalt abnehmen. Davon seien dann vor allem die Kälte liebenden Arten betroffen. Bei den Pflanzen könnten bereits ab einem Temperaturanstieg von 1,8 Grad über 30 Prozent der Arten aussterben. Dies würde sich auf 40 Prozent der Fläche Europas bemerkbar machen, unterstreichen die Wissenschaftler. (AgE)
Hier ist Ihre Meinung gefragt
Werden Sie Teil unserer Community und diskutieren Sie mit! Dazu benötigen Sie ein myDLV-Nutzerkonto.