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Ernährung und Gesundheit

Minister gerät wegen Informationspolitik unter Druck

am Freitag, 19.02.2010 - 14:52 (Jetzt kommentieren)

Wien/Graz - Der österreichische Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) gerät wegen seiner Informationspolitik immer stärker unter Druck. Indes gibt es eine weitere Warnung vor Prolactal-Milchprodukten.

Während die Käseherstellerin einen erneuten Rückruf für ihre Listeria-behafteten Käsesorten absetzte schießen sich Oppositionspolitiker auf den österreichischen Gesundheitsminister wegen dessen Informationspolitik ein.

Die Firma Prolactal, Herstellerin des von den Gesundheitsbehörden für die Listeria-Erkrankungsfälle und bisher sechs Toten verantwortlich gemachten Käses, hat die Verbraucherwarnung für ihre bereits am 23. Januar rückgerufenen Sauermilchkäsesorten erneuert. Sollten noch Produkte der unter Verdacht der Listeria-Kontamination stehenden Erzeugnisse im Haushalt vorhanden sein, sollten diese keinesfalls verzehrt werden, hieß es vom Unternehmen.

Zwei weitere Produkte auf der Warnliste

Auf der ursprünglich für Österreich gültigen, acht Sorten umfassenden Liste scheinen plötzlich zwei weitere auf, nämlich "Milchkanne Quargel 200 g" und "Milfina Quargel 200 g". Die neuerliche Warnung gilt auch für Deutschland und für die dortigen Lidl-Eigenmarken "Reinhardshof, Harzer Käse" und "Reinhardshof, Bauernkäse mit Edelschimmel". Ebenfalls über den Lidl-Konzern sowie einer Molkerei wurden laut der "Kleinen Zeitung" in Tschechien "Banovecke Syrceky" mit und ohne "Paprikou" vertrieben. Auch in der Slowakei war der Magerkäse im Handel gelistet.

Lidl-Österreich schaltet Infoanzeigen

Die Österreich-Tochter des Neckarsulmer Lidl-Konzerns schaltete heute in allen Tagesmedien in der Alpenrepublik halbseitige Infoanzeigen. Darin wird einmal mehr informiert, dass Lidl den Listeria-kontaminierten Käse niemals in seinen österreichischen Filialen angeboten hat.

Die Kritik an der behördlichen Informationspolitik reißt derweil nicht ab. Das oppositionelle "Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ)", das bereits mit der Begründung nicht rechtzeitig erfolgter Information der Konsumenten den Rücktritt von Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) gefordert, sowie in der Folge den Verdacht des Amtsmissbrauchs gegen diesen und einen hohen Ministerialen erhoben hatte, erneuerte gestern seine Kritik. Demnach sei Seitens der staatlichen Stellen viel zu spät auf Hinweise über die Infektionen reagiert worden.

Rücktrittsforderungen auch gegen Landwirtschaftsminister Berlakovich

Das BZÖ forderte erneut den Rücktritt Stögers, die FPÖ gleich auch den von Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP), dessen Ministerium auch Mitbesitzer der staatlichen AGES ist. Die Grünen wiederum haben heute eine parlamentarische Anfrage angekündigt. Die SPÖ verteidigte ihren Minister. Der hätte rasch und richtig gehandelt. Der mitbeschuldigte Bereichsleiter Verbrauchergesundheit im Gesundheitsministerium, Ulrich Herzog, wies die Vorwürfe gegenüber der Austria Presse-Agentur (APA) zurück: "Ich kann nur auf Basis des Lebensmittelrechts informieren, wenn der Unternehmer seiner Verpflichtung zur Information nicht nachkommt." Im gegenständlichen Fall sei das alles ohnehin vom Unternehmen erfolgt.

Der erste Hinweis in diesem Fall sei am 27. Oktober 2009 über fünf Erkrankte gekommen: "Was die Ursache war, wussten wir in diesem Fall zu diesem Zeitpunkt nicht. Und die Erhebungen dauerten eben bis Mitte Jänner", wird Herzog zitiert.

Konsumentenschützer fordern zentrale Lebensmittelaufsicht

Auch wenn die amtlichen Lebensmittelkontrollen mittlerweile bereits risikobasierter, also treffsicherer, stattfinden, wäre eine höhere Anzahl für die Arbeiterkammer (AK)wünschenswert. Diesbezüglich forderte sie von der Regierung mehr Mittel, um dies - ebenso wie eine bessere Konsumenteninformation bei Zwischenfällen - umzusetzen. Schon vor Tagen regte Konsumentenschutzsprecher und AK-ler Johann Maier eine zentrale Lebensmittelausicht an, da das derzeitige Lebensmittel-Aufsichtssystem intransparent und zu wenig koordiniert sei.

Österreichisches Agrarmarketing informiert

In einer eigens einberufenen Pressekonferenz nahm die Agrarmarkt Austria Marketing GmbH - das Österreich-Pendant zur ehemaligen CMA - zum Fall Stellung und zeigte auf, dass für die Teilnehmer an ihrem AMA-Gütesiegel-Programm betreffend Listerien eine absolute Nulltoleranz besteht. Praktisch alle österreichischen Molkereien nehmen am Siegelprogramm teil und werden auch regelmäßig überprüft. Die Firma Prolactal sei aber kein AMA-Lizenznehmer.

Aktuelle Krankheitsfälle

Beim Berliner Robert-Koch-Institut hätten laut Pressesprecherin Susanne Glasmacher die deutschen Bundesländer aktuell insgesamt vier Listeria-Erkrankungsfälle gemeldet. Laut AGES beläuft sich in Österreich die aktuelle Zahl der insgesamt elf seit Jahresbeginn 2010 diagnostizierten Listeria-Fälle auf sieben, die dem in Rede stehenden Käse zuzuschreiben sind. (dlz/sp/pd)

  • Download: Stellungnahme der Herstellerfirma 'Prolactal'
    Lesen Sie hier, wie die Herstellerfirma des mit Listeria befallenen Käses auf die Krankheitsfälle reagiert. mehr ...
  • Hintergrund: Bericht über die Listeriafälle 
    Lesen Sie hier die Fakten zu den bisherigen Listeriafällen. mehr ...
  • Podcast: 'Prolactal wird erheblichen Schaden nehmen'Sechs Menschen sind im vergangenen Jahr an einem mit Listerien verunreinigten Käse aus Österreich gestorben. Das für die Verunreinigung verantwortliche Unternehmen leidet jetzt zu Recht, meint Hans Heinrich Matthiesen. mehr ...
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