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Ostendorff: 'Zweite Säule ist nicht nur das Geld der Bauern'

am Mittwoch, 07.03.2012 - 14:58 (Jetzt kommentieren)

Berlin - Die zweite Säule ist nicht nur landwirtschaftliche Beihilfe. Sie ist essentiell für die Struktur auf dem Land. Um Chancen und Risiken bezüglich der GAP-Reform auszuloten, veranstalteten die Grünen ein Fachgespräch.

Auch aus Sicht der Grünen sind für eine erfolgreiche Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik für die Zeit von 2014 bis 2020 Nachbesserungen am Kommissionsvorschlag nötig. "Doch es geht schon in die richtige Richtung", sagte Friedrich Ostendorff, Sprecher für Agrarpolitik, beim Fachgespräch am Montag im Berliner Paul-Löbe-Haus.
 
Die zweite Säule sei für einen starken ländlichen Raum unverzichtbar. Cornelia Behm, Sprecherin für ländliche Entwicklung, stimmte zu: "Sie darf nicht immer nur als das Geld der Bauern betrachtet werden." Schließlich stärke die zweite Säule die gesamte ländliche Wertschöpfungskette - mit Hilfe einer starken Landwirtschaft.

Ziele: Mehr Effizienz, bessere Zusammenarbeit

"Unser Ziel ist es, mehr Effizienz zu erreichen." Josefine Loriz-Hoffmann von der EU-Generaldirektion Landwirtschaft und ländliche Entwicklung erklärte kurz die geplanten Änderungen. In Bezug auf die zweite Säule solle die Zusammenarbeit zwischen den Fonds (ELER, EFRE, ESF, Fischereifonds) verstärkt werden. Die Mitgliedsstaaten könnten sich aus den EU-Vorschlägen ihr eigenes Maßnahmenpaket schnüren - abgestimmt auf die eigenen Bedürfnisse. Mehr Flexibilität, dafür einfacher, sei das Ziel.

Zu schwammig, zuviel Status Quo

"Mir ist die Strategie der Kommission nicht ganz klar", kritisierte Wolfgang Reimer vom Ministerium für ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg. Zu schwammig seien die Formulierungen. "Aber vielleicht entspricht das auch der Interessenvielfalt von 27 EU-Mitgliedsländern."
Nach Ansicht Reimers wird bei der GAP-Reform zu sehr am Status Quo festgehalten.
 
Erste und zweite Säule im Widerspruch
 
Der Kritik schloss sich Martin Häusling, Sprecher für Agrarpolitik, Grüne/EFA im Europäischen Parlament, an. "Auch die erste Säule muss sich stärker am Prinzip 'öffentliches Geld für öffentliche Leistungen' orientieren. Derzeit ist die erste Säule auf Weltmarkt ausgelegt, in der zweiten Säule wird versucht, die schlimmsten daraus resultierenden Folgen abzumildern."
 
Auch Alexander Gerber vom Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft übte Kritik an der ersten Säule: "Die Lenkungswirkung vom Greening in der ersten Säule ist marginal." Ebenso wie Reimers sieht er das Säulenmodell nicht als aufeinander aufbauende Ergänzung, sondern als gegeneinander wirkende Faktoren: "Wir fördern in der einen Säule eine Landwirtschaft, die wir dann über die zweite Säule begrenzen."

Kritik an der Kofinanzierung

Die zweite Säule ist kofinanziert, sprich ein Teil der Gelder wird über das Mitgliedsland, der Rest von der EU bezahlt. Der endgültige finanzielle Rahmen ist noch nicht klar, weil die Haushaltsverhandlungen auf EU-Ebene noch nicht abgeschlossen sind. Das fürchtet Martin Häusling: "Weitere Kürzungen gehen auf Kosten der zweiten Säule. Schließlich gibt es auch arme Staaten, die sich eine Kofinanzierung nicht leisten können."
 
Dabei sei die Höhe der Fördersätze bereits jetzt nicht mehr zeitgemäß, so Wolfgang Reimer: "Für 150 Euro macht heute niemand mehr einen Ackerrandstreifen wenn er einen einigermaßen guten Boden hat."
 
Zu hohe Sanktionsrisiken im Vertragsnaturschutz
 
Jürgen Metzner vom Deutschen Verband für Landschaftspflege fürchtet, dass viele Elemente aus dem Vertragsnaturschutz herausfallen. Statt wie bislang 47 sind künftig nur noch 20 Maßnahmen in der ländlichen Entwicklung enthalten. Das soll für weniger Bürokratie sorgen. "Ich fürchte, bei der Umschichtung der Elemente aus dem Vertragsnaturschutz in die neuen Maßnahmen fällt einiges weg - sei es, weil das ganze zu kompliziert ist oder auch, weil es an Kreativität mangelt."
 
Außerdem kritisiert Metzner zu komplizierte Verfahren und zu hohe Sanktionsrisiken: "So verlieren die Landwirte die Lust am Naturschutz." Das sei fatal: "Naturschutzziele erreicht man nur mit der Landwirtschaft."
 
Den viel besprochenen Bürokratieabbau sehen einige nicht: Zu hoch sei der Abstimmungsbedarf zwischen EU, Ländern, Bundesländern und Kommunen.

Ohne funktionstüchtige Landwirtschaft kein funktionstüchtiger ländlicher Raum

Landwirtschaft ist wichtig, nicht nur um Nahrungsmittel zu produzieren, sondern auch für die Funktionsfähigkeit ländlicher Regionen, darin waren sich die Diskussionsteilnehmer einig. Bauern pflegen die Landschaft, betreiben aktiv Umweltschutz, bieten Urlaub auf dem Bauernhof, Hofcafés und schaffen Arbeitsplätze - kurz, sie erhöhen die Wertschöpfungskette auf dem Land. 

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