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Wirtschaft

Osteuropäischer Ackerbau – der schlafende Riese?

am Freitag, 01.01.2010 - 13:25 (Jetzt kommentieren)

Braunschweig - Unter deutschen Landwirten und Agrarexperten gilt Osteuropa - insbesondere Russland und die Ukraine - seit dem Zusammenbruch des Ostblocks als der neue Konkurrent auf den EU-Agrarmärkten, insbesondere bei Weizen.

Daher stellt sich die Frage, wie wettbewerbsfähig die dortigen Ackerbaubetriebe tatsächlich sind. Das internationale Netzwerk agri benchmark Cash Crop vergleicht weltweit Produktionssysteme und Produktionskosten im Ackerbau. Im kürzlich veröffentlichten Cash Crop Report 2009 wurde die Datenbasis insbesondere um Produktionskosten osteuropäischer Betriebe für Weizen, Mais und Raps erweitert. Die typischen Betriebe, deren betriebswirtschaftlichen Kennzahlen die Grundlage für den Report bilden, werden mit Hilfe von nationalen Partnern aus Wissenschaft, Beratung und Praxis kreiert. Sie spiegeln die Verhältnisse für die jeweils relevanten Produktionsregionen wie eine Fallstudie wider.

Nachstehend werden die Ergebnisse von Betrieben in der Ukraine, Russland und Bulgarien im Vergleich zu deutschen Ackerbaubetrieben in Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Ostwestfalen skizziert. Die beiden russischen Betriebe sind insoweit nicht im herkömmlichen Sinne typisch, weil es sich um Betriebe mit westlichem Management und westlicher Technologie handelt.

Folgende Erkenntnisse und Schlussfolgerungen lassen sich aus den agri benchmark Daten gewinnen :

  1. Das Ertragsniveau von 5 bzw. 5,7 t/ha auf dem bulgarischen, den beiden russischen sowie dem ukrainischen Betrieb ist deutlich geringer als auf den deutschen Betrieben in Sachsen-Anhalt, Mecklenburg und Ostwestfalen, wo Erträge von 9,8 bzw. 8,5 t/ha erzielt werden.

  2. Die direkten Kosten für Saatgut, Düngung und Pflanzenschutz betragen zwischen 35 € pro Tonne Weizen auf dem intensiv wirtschaftenden kleineren russischen Betrieb und ca. 70 €/t auf dem ukrainischen Betrieb (vgl. Abbildung 1, unten). Ursache der hohen Direktkosten auf dem ukrainischen Betrieb sind hohe Düngekosten, die entstehen, weil die Flächen aufgedüngt werden müssen. Insbesondere bei Kali sind die Böden unterversorgt (17 €/t).

  3. Die Arbeitserledigungskosten sind in Abbildung 2 (unten) dokumentiert. Es zeigt sich, dass die hier analysierten deutschen Betriebe mit zirka 50 €/t auf einem vergleichbaren Niveau wirtschaften wie der bulgarische Betrieb und nur unwesentlich mehr aufwenden als der ukrainische Betrieb. Lediglich der kleinere russische Betrieb produziert mit knapp 30 €/t deutlich günstiger.

  4. Ein erheblicher Unterschied ergibt sich bei den Flächenkosten (vgl. Abbildung 3, unten): Während diese für die russischen und den ukrainischen Betrieb weniger als 6 Euro je Tonne (€/t) betragen, liegen diese Kosten bei den deutschen Betrieben zwischen 22 und 50 €/t. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die deutschen und der bulgarische Betrieb noch flächenbezogene Direktzahlungen im Wert von 20 bis 40 €/t erhalten. Aus dem Saldo zwischen Pachtzahlungen und Flächenprämien ergeben sich Netto-Flächenkosten. Sie betragen 9 €/t (Ostwestfalen), 1 €/t (Sachsen-Anhalt) und -20 €/t (Mecklenburg). Der Mecklenburger Betrieb ist ein Gemischtbetrieb, dessen Flächenprämien in Folge der Umwandlung von Rinderprämien vergleichsweise hoch sind (370 €/ha). Bei gleichzeitig geringen Pachten von 190 €/ha resultieren daraus negative Netto-Flächenkosten.

  5. Insgesamt zeigen die Analysen, dass gut aufgestellte deutsche Ackerbaubetriebe in der Weizenproduktion die Konkurrenz aus Osteuropa keineswegs fürchten müssen. Dies gilt umso mehr, wenn zusätzlich die Marktferne sowie die Defizite in der Infra- und Vermarktungsstruktur berücksichtigt werden. Diese lassen sich an den Unterschieden in den Hoftorpreisen ablesen, die bei den osteuropäischen Betrieben um 30 bis 50 €/t geringer ausfallen als bei den deutschen.

  6. Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass eine vergleichbare Untersuchung der Produktionskosten für Raps zu deutlich anderen Ergebnissen führt: Direkt- und Arbeitserledigungskosten der deutschen Betriebe liegen in diesem Fall jeweils 20 bis 40 €/t höher als in den analysierten osteuropäischen Betrieben.

{BILD:113947:jpg}Dr. Yelto Zimmer
Institut für Betriebswirtschaft (vTI)
Braunschweig

 







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