Marek Sawicki warf Berlin und Paris vor, lediglich "kosmetische Änderungen" anzustreben, und plädierte für eine umfassende Reform der bestehenden Regelungen, hin zu einer "echten" Gemeinschaftspolitik. Derzeit gebe es viele unterschiedliche Agrarpolitiken in der EU, die nur den Namen gemein hätten, erklärte Sawicki heute gegenüber Journalisten in Warschau.
Er rief dazu auf, die drei Jahre, die bis zum Beginn der neuen Haushaltsperiode noch verblieben, für grundlegende Änderungen zu nutzen. Dabei ließ er durchblicken, von seiner bisherigen Forderung einer EU-weit einheitlichen Hektarförderung im Sinne einer Flatrate abzurücken. Er räumte ein, dass dies eine Extremposition sei.
"Europa der zwei Geschwindigkeiten"
Allerdings beharrte er auf einer weitgehenden Annäherung des Beihilfeniveaus zwischen den Mitgliedstaaten ohne lange Übergangszeit. Die derzeitige Diskrepanz einer durchschnittlichen Förderung von weniger als 100 Euro pro Hektar in Lettland und mehr als 500 Euro pro Hektar in Griechenland sei nicht hinnehmbar. Der Minister warnte vor der Fortsetzung eines "Europa der zwei Geschwindigkeiten". Damit verzerre man den Wettbewerb im Binnenmarkt. Sawicki begrüßte die durchgesickerte Idee der Europäischen Kommission, die Direktzahlungen in eine Basisförderung plus Zuschläge für Umweltdienstleistungen einerseits und benachteiligte Gebiete andererseits zu splitten. Europa müsse sich von einer konservativen Agrarpolitik verabschieden und mehr auf Dynamik, Innovation und Vereinfachung setzen.
Ländliche Entwicklung aufwerten
In diesem Zusammenhang verlangte er eine radikale Abschmelzung der Direktbeihilfen zugunsten der ländlichen Entwicklung: Die Mittelausstattung der Ersten und der Zweiten Säule solle künftig im Verhältnis Eins zu Eins erfolgen. Landwirte, deren Einkommen zu rund zwei Dritteln über Direktzahlungen abgesichert werde, seien nicht länger an einer Modernisierung oder Weiterentwicklung ihrer Betriebe interessiert. Um Unterstützung für diese Pläne warb Sawicki im weiteren Verlauf der Woche bei einem Treffen mit seinen Amtskollegen aus Tschechien, der Slowakei, Ungarn, Rumänien, Bulgarien und Slowenien in Bratislava. Bereits beim Agrarrat Ende Oktober in Luxemburg hatte er versucht, eine Allianz zu schmieden, was jedoch an den unterschiedlichen Einzelinteressen auch innerhalb der EU-12 scheiterte.
Kein Opfer für die EU-12
Eine Gleichverteilung der Ausgaben zwischen Erster und Zweiter Säule würde in erster Linie die EU-15 treffen, da die Direktzahlungen dort die Förderung des ländlichen Raums deutlich übertreffen: Lediglich in Österreich und Portugal macht die Erste Säule weniger als 60 Prozent der Gesamtausgaben aus. In Deutschland liegt der Anteil bei mehr als 80 Prozent, in Frankreich, Belgien, Dänemark und den Niederlanden sogar bei jeweils mehr als 90 Prozent. In Polen dagegen kommen die EU-Gelder den Bauern bereits heute nur zur Hälfte als Einkommensstützung beziehungsweise über Marktmaßnahmen zugute. Der Rest ießt vorrangig in Modernisierungsprogramme. In acht weiteren neuen Mitgliedstaaten ist das Verhältnis sogar noch stärker in Richtung ländliche Entwicklung verschoben. Vergleichsweise stark auf die Erste Säule - mit Ausgabenanteilen um die 60 Prozent - setzen lediglich Ungarn, Zypern und Tschechien. (AgE)
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