In der Lausitz gibt es ASP-Zäune, die eine Verbreitung der Afrikanischen Schweinepest über Wildschweine unterbinden sollen. In der Lausitz gibt es aber auch Wölfe, die – so verlangt es der Artenschutz – in ihrer Ausbreitung nicht gehindert werden dürfen. Ein Interessenkonflikt, für den die zuständigen Behörden eine mehr oder weniger kreative Lösung gefunden haben.
Bereits über 3.000 Wildschwein-ASP-Fälle in Deutschland
Noch immer hat die Afrikanische Schweinepest Europa fest im Griff. In Deutschland ist es zum Glück bisher weitgehend gelungen, Ansteckungen in Hausschweinbestände zu vermeiden. Nur vier entsprechende Fälle gab es bislang.
Unter den hiesigen Wildschweinen werden jedoch regelmäßig erkrankte Tiere entdeckt, inzwischen bereits mehr als 3.000 Fälle. Drei Bundesländer – Brandenburg, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern – sind bislang betroffen.
ASP-Zäune sollen die Ausbreitung unterbinden

Um die Zuwanderung infizierter Tiere aus Polen und eine weitere Ausbreitung des Virus nach Westen zu unterbinden, baut Deutschland seit zwei Jahren sogenannte ASP-Zäune. Diese Barrieren im Wert von mittlerweile mehreren Mio. Euro sollen Wildschweine ausbremsen.
Wichtig dabei: Es darf auf mehrere Kilometer keine Lücken im Gatter geben, weil die klugen Tiere sich diese Passagen ruckzuck merken und der Effekt der kostspieligen Zäunung damit verpufft.
Passierschein für den Wolf?
Umso überraschter war ein Jäger aus der Gegend nördlich von Görlitz, als er bei einer Waldbegehung eine Holzkonstruktion entdeckte, die ganz offenbar als Brücke über den – einen ehemaligen Truppenübungsplatz eingrenzenden – ASP-Zaun dient.
Die Bilder postete Sven Kurth in den Sozialen Medien und schrieb dazu: „Jetzt schlägt es dem Fass den Boden aus! Erst wird für Millionen von Euro eine Vielzahl an Zäunen zum angeblichen Schutz und zur Eindämmung der ASP gebaut, an dem das ganze Niederwild zugrunde geht und wo der Nachwuchs von Reh und Rotwild nicht darüberkommt, und jetzt werden zum Schutz der Wölfe (!!!!) solche Übergänge über eben diese Zäune gebaut […]“
Fassungslose Reaktionen im Netz
Die Reaktionen auf Facebook und Twitter lagen zwischen Fassungslosigkeit und Wut. Allein bei Facebook wurde der Beitrag über 900-mal geteilt und verbreitete sich rasant.
Zuständig für den „Brückenbau zu Görlitz“ sei der Bundesforstbetrieb Lausitz mit Sitz in Weißkeißel, hieß es. Wir haben dort nachgefragt, ob diese Passage wirklich für Wölfe gedacht und ob sie mit den Veterinärbehörden vor Ort abgestimmt ist. Franz Graf von Plettenberg vom Bundesforstbetrieb gab agrarheute Auskunft.
Bundesforstbetrieb hat die Rampe errichtet

Tatsächlich zeichne seine Institution für die Errichtung der Zaunpassagen verantwortlich, so von Plettenberg.
Die Konstruktion aus Birkenholzstämmen, die im Internet die Gemüter von Jägern und Landwirten erregt, bestehe erst sei wenigen Tagen. Es gebe aber mehrere anders gestaltete Zaundurchgänge, beispielsweise in Form von Tonröhren, die vor allem als Schlupf für kleinere Tierarten dienen sollen.
Auch sei der Wolf in der Tat einer der Hauptadressaten der neuen Rampe über den Zaun, doch auch Tierarten wie Hase, Otter, Fuchs und Biber sollen so die ASP-Zäune queren können.
Kletterhilfe statt Röhren für Niederwild?
Und was soll ein Wildschwein davon abhalten, über die stabile „Wolfsbrücke“ zu klettern und damit genau das Hindernis zu meistern, das Schweine eigentlich aufhalten sollte?
Graf von Pettenberg erklärt dazu: „Wie gehen davon aus, dass Huftiere wie Wildschweine und Rehwild nicht über so eine Rampe laufen.“
Falls das tatsächlich so stimmen sollte, wäre die Rampe allerdings tatsächlich ausschließlich für Wölfe geeignet. Denn für Hasen, Füchse, Marder und Co. gibt es ja bereits die Röhren unter dem Zaun, die diesen Tierarten deutlich besser entgegenkommen dürften und die Wildschweine wegen deren Enge nicht nutzen können. Also dreht sich doch alles um den Beutegreifer?
Jungen Wölfen das Abwandern ermöglichen
Von Plettenberg dazu: „Wir haben in den ehemaligen Truppenübungsgebieten einen hohen Wolfsbesatz, der Jahr für Jahr noch anwächst. Diesen nachrückenden Tieren müssen wir eine Möglichkeit geben, sich eigene Territorien außerhalb ihres Rudels zu suchen. Spuren entlang der Zäune haben gezeigt, dass die Wölfe dort patrouilleren, offenbar auf der Suche nach einer passierbaren Stelle.“ Bleibt die Frage, inwieweit Wolfswohl über Seuchenschutz geht.
In Abstimmung mit der Bundeswehr
Mit den zuständigen Veterinärbehörden sei das Vorgehen abgesprochen, so von Plettenberg. Für die ehemaligen Truppenübungsplätze ist die Bundeswehr zuständig, genauer die Überwachungsstelle für öffentlich-rechtliche Aufgaben des Sanitätsdienstes der Bundeswehr Ost, Abteilung Veterinärwesen. In Zusammenarbeit mit dieser wurden sowohl die ASP-Zäune als auch die Übergänge in der Region errichtet.
Ob die Bundeswehrveterinäre dabei den Tierseuchenschutz ebenso scharf im Auge haben wie den Schutz der Wildbestände in ihren Gebieten, bleibt abzuwarten.
Zaunpassagen werden überwacht
Die Zaunpassagen werden unter anderem mit Wildkameras überwacht. Damit sollte sich klären lassen, ob die Holzrampe überhaupt genutzt wird, und wenn ja, von welchen Tierarten.
Sollten doch (wie eigentlich zu erwarten) Wildschweine darunter sein, müssen die zuständigen Stellen schnellstens Konsequenzen ziehen und die Vorrichtung wieder abbauen, wollen sie die deutschen Bemühungen um eine Eindämmung der ASP-Ausbreitung nicht unterminieren.
Ansonsten könnte der Schaden, der hier im Namen des Wolfsschutzes angerichtet wird, noch weit größer ausfallen als durch Weidetierrisse und Herdenschutzkosten.
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